Von abscheulichen Schlangen. Ein kaltes Grauen ergriff sie, 565Und ein sympathetischer Schauder; indem sie es fühlten, Daß sie itzt selber in das, was sie mit Grausen erblickten, Gleichfalls verwandelt wurden. Aus ihren bebenden Händen Fielen die Waffen zu Boden; sie fielen selber zu Boden, Und das wilde Gezisch ward wieder erneuert; auf alle 570Pflanzet die neue Gestalt sich gleich der Pest fort; sie wurden Jn der Strafe sich gleich, so wie in ihrem Verbrechen. Also ward der jauchzende Zuruf, worauf sie sich freuten, Zum Gezische voll Spott, und ihr verhoffter Triumphton Ward in Schande verkehrt, die sie mit eigenen Zungen 575Ueber sich selber ergossen. Nicht fern von diesen Gefilden Stand ein Wald, der zugleich mit dieser ihrer Verwandlung Aus der Erde gestiegen; so war es der Wille des Höchsten, Jhre Strafe dadurch zu vermehren. Mit herrlichen Früchten War er beladen, nicht ungleich der Frucht in Edens Gefilden, 580Die der Versucher gebraucht, indem er Even verführte. Gierig hefteten sie nach dieser so fremden Erscheinung Jhren Blick hin, und glaubten statt eines verbothenen Baumes Ganze Mengen von ihnen zu sehn, die itzo entstanden, Jhre Schmerzen dadurch und ihre Schande zu mehren. 585Aber ein brennender Durst, und eben so wüthender Hunger, Griff so heftig sie an, daß sie, so sehr sie es wußten, Hier nur zum Spotte zu seyn, sich nicht zu zwingen vermochten, Von den Früchten zu kosten; sie wanden in wimmelnden Haufen Sich herzu, und klommen hinauf zu den reizenden Bäumen,
Wo
Das verlohrne Paradies.
Von abſcheulichen Schlangen. Ein kaltes Grauen ergriff ſie, 565Und ein ſympathetiſcher Schauder; indem ſie es fuͤhlten, Daß ſie itzt ſelber in das, was ſie mit Grauſen erblickten, Gleichfalls verwandelt wurden. Aus ihren bebenden Haͤnden Fielen die Waffen zu Boden; ſie fielen ſelber zu Boden, Und das wilde Geziſch ward wieder erneuert; auf alle 570Pflanzet die neue Geſtalt ſich gleich der Peſt fort; ſie wurden Jn der Strafe ſich gleich, ſo wie in ihrem Verbrechen. Alſo ward der jauchzende Zuruf, worauf ſie ſich freuten, Zum Geziſche voll Spott, und ihr verhoffter Triumphton Ward in Schande verkehrt, die ſie mit eigenen Zungen 575Ueber ſich ſelber ergoſſen. Nicht fern von dieſen Gefilden Stand ein Wald, der zugleich mit dieſer ihrer Verwandlung Aus der Erde geſtiegen; ſo war es der Wille des Hoͤchſten, Jhre Strafe dadurch zu vermehren. Mit herrlichen Fruͤchten War er beladen, nicht ungleich der Frucht in Edens Gefilden, 580Die der Verſucher gebraucht, indem er Even verfuͤhrte. Gierig hefteten ſie nach dieſer ſo fremden Erſcheinung Jhren Blick hin, und glaubten ſtatt eines verbothenen Baumes Ganze Mengen von ihnen zu ſehn, die itzo entſtanden, Jhre Schmerzen dadurch und ihre Schande zu mehren. 585Aber ein brennender Durſt, und eben ſo wuͤthender Hunger, Griff ſo heftig ſie an, daß ſie, ſo ſehr ſie es wußten, Hier nur zum Spotte zu ſeyn, ſich nicht zu zwingen vermochten, Von den Fruͤchten zu koſten; ſie wanden in wimmelnden Haufen Sich herzu, und klommen hinauf zu den reizenden Baͤumen,
Wo
<TEI><text><body><divn="1"><lgtype="poem"><lgn="23"><l><pbfacs="#f0168"n="146"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi></fw></l><lb/><l>Von abſcheulichen Schlangen. Ein kaltes Grauen ergriff ſie,<lb/><noteplace="left">565</note>Und ein ſympathetiſcher Schauder; indem ſie es fuͤhlten,</l><lb/><l>Daß ſie itzt ſelber in das, was ſie mit Grauſen erblickten,</l><lb/><l>Gleichfalls verwandelt wurden. Aus ihren bebenden Haͤnden</l><lb/><l>Fielen die Waffen zu Boden; ſie fielen ſelber zu Boden,</l><lb/><l>Und das wilde Geziſch ward wieder erneuert; auf alle<lb/><noteplace="left">570</note>Pflanzet die neue Geſtalt ſich gleich der Peſt fort; ſie wurden</l><lb/><l>Jn der Strafe ſich gleich, ſo wie in ihrem Verbrechen.</l><lb/><l>Alſo ward der jauchzende Zuruf, worauf ſie ſich freuten,</l><lb/><l>Zum Geziſche voll Spott, und ihr verhoffter Triumphton</l><lb/><l>Ward in Schande verkehrt, die ſie mit eigenen Zungen<lb/><noteplace="left">575</note>Ueber ſich ſelber ergoſſen. Nicht fern von dieſen Gefilden</l><lb/><l>Stand ein Wald, der zugleich mit dieſer ihrer Verwandlung</l><lb/><l>Aus der Erde geſtiegen; ſo war es der Wille des Hoͤchſten,</l><lb/><l>Jhre Strafe dadurch zu vermehren. Mit herrlichen Fruͤchten</l><lb/><l>War er beladen, nicht ungleich der Frucht in Edens Gefilden,<lb/><noteplace="left">580</note>Die der Verſucher gebraucht, indem er <hirendition="#fr">Even</hi> verfuͤhrte.</l><lb/><l>Gierig hefteten ſie nach dieſer ſo fremden Erſcheinung</l><lb/><l>Jhren Blick hin, und glaubten ſtatt eines verbothenen Baumes</l><lb/><l>Ganze Mengen von ihnen zu ſehn, die itzo entſtanden,</l><lb/><l>Jhre Schmerzen dadurch und ihre Schande zu mehren.<lb/><noteplace="left">585</note>Aber ein brennender Durſt, und eben ſo wuͤthender Hunger,</l><lb/><l>Griff ſo heftig ſie an, daß ſie, ſo ſehr ſie es wußten,</l><lb/><l>Hier nur zum Spotte zu ſeyn, ſich nicht zu zwingen vermochten,</l><lb/><l>Von den Fruͤchten zu koſten; ſie wanden in wimmelnden Haufen</l><lb/><l>Sich herzu, und klommen hinauf zu den reizenden Baͤumen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Wo</fw><lb/></l></lg></lg></div></body></text></TEI>
[146/0168]
Das verlohrne Paradies.
Von abſcheulichen Schlangen. Ein kaltes Grauen ergriff ſie,
Und ein ſympathetiſcher Schauder; indem ſie es fuͤhlten,
Daß ſie itzt ſelber in das, was ſie mit Grauſen erblickten,
Gleichfalls verwandelt wurden. Aus ihren bebenden Haͤnden
Fielen die Waffen zu Boden; ſie fielen ſelber zu Boden,
Und das wilde Geziſch ward wieder erneuert; auf alle
Pflanzet die neue Geſtalt ſich gleich der Peſt fort; ſie wurden
Jn der Strafe ſich gleich, ſo wie in ihrem Verbrechen.
Alſo ward der jauchzende Zuruf, worauf ſie ſich freuten,
Zum Geziſche voll Spott, und ihr verhoffter Triumphton
Ward in Schande verkehrt, die ſie mit eigenen Zungen
Ueber ſich ſelber ergoſſen. Nicht fern von dieſen Gefilden
Stand ein Wald, der zugleich mit dieſer ihrer Verwandlung
Aus der Erde geſtiegen; ſo war es der Wille des Hoͤchſten,
Jhre Strafe dadurch zu vermehren. Mit herrlichen Fruͤchten
War er beladen, nicht ungleich der Frucht in Edens Gefilden,
Die der Verſucher gebraucht, indem er Even verfuͤhrte.
Gierig hefteten ſie nach dieſer ſo fremden Erſcheinung
Jhren Blick hin, und glaubten ſtatt eines verbothenen Baumes
Ganze Mengen von ihnen zu ſehn, die itzo entſtanden,
Jhre Schmerzen dadurch und ihre Schande zu mehren.
Aber ein brennender Durſt, und eben ſo wuͤthender Hunger,
Griff ſo heftig ſie an, daß ſie, ſo ſehr ſie es wußten,
Hier nur zum Spotte zu ſeyn, ſich nicht zu zwingen vermochten,
Von den Fruͤchten zu koſten; ſie wanden in wimmelnden Haufen
Sich herzu, und klommen hinauf zu den reizenden Baͤumen,
Wo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/168>, abgerufen am 19.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.