Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Zehnter Gesang.

Führen sollte. Der Tod mit seiner versteinernden Keule,
Einem Dreyzacke gleich, schmiß den versammelten Boden
300Trocken und kalt, und macht ihn so fest, wie Delos, das ehmals

Jn dem Meere geschwommen, das weichere machte sein Anblick
Unbeweglich, gorgonischhart. Sie befestigten beyde
Drauf mit asphaltischem Pech den aufgesammelten Boden,
Gleich mit der Breite der Pforte, tief an den Wurzeln der Hölle.
305Und so leiteten sie queer über die schäumende Tiefe

Diesen unermeßlichen Damm, der hochgewölbt fortlief.
Eine gewaltige Brücke von einer entsetzlichen Länge,
Welche den Wall erreichte von dieser, itzt unumzäunten,
Nun dem Tode verfallenen Welt. Von ihren Bezirken
310Führt ein breiter gemächlicher Paß zur Hölle hinunter.

So gieng, wenn man erhabene Dinge mit kleinen vergleichet,
Xerxes aus Süsa, von seinem berühmten Memnonischen Pallast
An die Gestade des Meers, und sah die Freyheit der Griechen
Unter dem Joche bereits; er brückte den seltenen Weg sich
315Ueber den Hellespont; schloß an die Ufer Europens

Asia an, und peitschte voll Stolz mit stäupenden Ruthen
Die unwillige Fluth. Sie hatten das seltsame Werk nun,
Einen Rücken von hangenden Felsen, mit künstlichem Baue
Ueber den tobenden Abgrund geführt; indem sie dem Fußschlag
320Satans gefolgt; und kamen nunmehr zu eben dem Orte,

Wo er zuerst die Flügel gesenkt; das Chaos verlassen,
Und an dieser nackenden Seite des Weltgebäudes
Angelaudet. Mit Klammern und Ketten vom stärkesten Demant

Machten

Zehnter Geſang.

Fuͤhren ſollte. Der Tod mit ſeiner verſteinernden Keule,
Einem Dreyzacke gleich, ſchmiß den verſammelten Boden
300Trocken und kalt, und macht ihn ſo feſt, wie Delos, das ehmals

Jn dem Meere geſchwommen, das weichere machte ſein Anblick
Unbeweglich, gorgoniſchhart. Sie befeſtigten beyde
Drauf mit asphaltiſchem Pech den aufgeſammelten Boden,
Gleich mit der Breite der Pforte, tief an den Wurzeln der Hoͤlle.
305Und ſo leiteten ſie queer uͤber die ſchaͤumende Tiefe

Dieſen unermeßlichen Damm, der hochgewoͤlbt fortlief.
Eine gewaltige Bruͤcke von einer entſetzlichen Laͤnge,
Welche den Wall erreichte von dieſer, itzt unumzaͤunten,
Nun dem Tode verfallenen Welt. Von ihren Bezirken
310Fuͤhrt ein breiter gemaͤchlicher Paß zur Hoͤlle hinunter.

So gieng, wenn man erhabene Dinge mit kleinen vergleichet,
Xerxes aus Suͤſa, von ſeinem beruͤhmten Memnoniſchen Pallaſt
An die Geſtade des Meers, und ſah die Freyheit der Griechen
Unter dem Joche bereits; er bruͤckte den ſeltenen Weg ſich
315Ueber den Helleſpont; ſchloß an die Ufer Europens

Aſia an, und peitſchte voll Stolz mit ſtaͤupenden Ruthen
Die unwillige Fluth. Sie hatten das ſeltſame Werk nun,
Einen Ruͤcken von hangenden Felſen, mit kuͤnſtlichem Baue
Ueber den tobenden Abgrund gefuͤhrt; indem ſie dem Fußſchlag
320Satans gefolgt; und kamen nunmehr zu eben dem Orte,

Wo er zuerſt die Fluͤgel geſenkt; das Chaos verlaſſen,
Und an dieſer nackenden Seite des Weltgebaͤudes
Angelaudet. Mit Klammern und Ketten vom ſtaͤrkeſten Demant

Machten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="18">
            <l>
              <pb facs="#f0157" n="135"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zehnter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Fu&#x0364;hren &#x017F;ollte. Der <hi rendition="#fr">Tod</hi> mit &#x017F;einer ver&#x017F;teinernden Keule,</l><lb/>
            <l>Einem Dreyzacke gleich, &#x017F;chmiß den ver&#x017F;ammelten Boden<lb/><note place="left">300</note>Trocken und kalt, und macht ihn &#x017F;o fe&#x017F;t, wie <hi rendition="#fr">Delos,</hi> das ehmals</l><lb/>
            <l>Jn dem Meere ge&#x017F;chwommen, das weichere machte &#x017F;ein Anblick</l><lb/>
            <l>Unbeweglich, gorgoni&#x017F;chhart. Sie befe&#x017F;tigten beyde</l><lb/>
            <l>Drauf mit asphalti&#x017F;chem Pech den aufge&#x017F;ammelten Boden,</l><lb/>
            <l>Gleich mit der Breite der Pforte, tief an den Wurzeln der Ho&#x0364;lle.<lb/><note place="left">305</note>Und &#x017F;o leiteten &#x017F;ie queer u&#x0364;ber die &#x017F;cha&#x0364;umende Tiefe</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;en unermeßlichen Damm, der hochgewo&#x0364;lbt fortlief.</l><lb/>
            <l>Eine gewaltige Bru&#x0364;cke von einer ent&#x017F;etzlichen La&#x0364;nge,</l><lb/>
            <l>Welche den Wall erreichte von die&#x017F;er, itzt unumza&#x0364;unten,</l><lb/>
            <l>Nun dem Tode verfallenen Welt. Von ihren Bezirken<lb/><note place="left">310</note>Fu&#x0364;hrt ein breiter gema&#x0364;chlicher Paß zur Ho&#x0364;lle hinunter.</l><lb/>
            <l>So gieng, wenn man erhabene Dinge mit kleinen vergleichet,</l><lb/>
            <l>Xerxes aus <hi rendition="#fr">Su&#x0364;&#x017F;a,</hi> von &#x017F;einem beru&#x0364;hmten <hi rendition="#fr">Memnoni&#x017F;chen</hi> Palla&#x017F;t</l><lb/>
            <l>An die Ge&#x017F;tade des Meers, und &#x017F;ah die Freyheit der <hi rendition="#fr">Griechen</hi></l><lb/>
            <l>Unter dem Joche bereits; er bru&#x0364;ckte den &#x017F;eltenen Weg &#x017F;ich<lb/><note place="left">315</note>Ueber den <hi rendition="#fr">Helle&#x017F;pont;</hi> &#x017F;chloß an die Ufer <hi rendition="#fr">Europens</hi></l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">A&#x017F;ia</hi> an, und peit&#x017F;chte voll Stolz mit &#x017F;ta&#x0364;upenden Ruthen</l><lb/>
            <l>Die unwillige Fluth. Sie hatten das &#x017F;elt&#x017F;ame Werk nun,</l><lb/>
            <l>Einen Ru&#x0364;cken von hangenden Fel&#x017F;en, mit ku&#x0364;n&#x017F;tlichem Baue</l><lb/>
            <l>Ueber den tobenden Abgrund gefu&#x0364;hrt; indem &#x017F;ie dem Fuß&#x017F;chlag<lb/><note place="left">320</note><hi rendition="#fr">Satans</hi> gefolgt; und kamen nunmehr zu eben dem Orte,</l><lb/>
            <l>Wo er zuer&#x017F;t die Flu&#x0364;gel ge&#x017F;enkt; das Chaos verla&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Und an die&#x017F;er nackenden Seite des Weltgeba&#x0364;udes</l><lb/>
            <l>Angelaudet. Mit Klammern und Ketten vom &#x017F;ta&#x0364;rke&#x017F;ten Demant<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Machten</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0157] Zehnter Geſang. Fuͤhren ſollte. Der Tod mit ſeiner verſteinernden Keule, Einem Dreyzacke gleich, ſchmiß den verſammelten Boden Trocken und kalt, und macht ihn ſo feſt, wie Delos, das ehmals Jn dem Meere geſchwommen, das weichere machte ſein Anblick Unbeweglich, gorgoniſchhart. Sie befeſtigten beyde Drauf mit asphaltiſchem Pech den aufgeſammelten Boden, Gleich mit der Breite der Pforte, tief an den Wurzeln der Hoͤlle. Und ſo leiteten ſie queer uͤber die ſchaͤumende Tiefe Dieſen unermeßlichen Damm, der hochgewoͤlbt fortlief. Eine gewaltige Bruͤcke von einer entſetzlichen Laͤnge, Welche den Wall erreichte von dieſer, itzt unumzaͤunten, Nun dem Tode verfallenen Welt. Von ihren Bezirken Fuͤhrt ein breiter gemaͤchlicher Paß zur Hoͤlle hinunter. So gieng, wenn man erhabene Dinge mit kleinen vergleichet, Xerxes aus Suͤſa, von ſeinem beruͤhmten Memnoniſchen Pallaſt An die Geſtade des Meers, und ſah die Freyheit der Griechen Unter dem Joche bereits; er bruͤckte den ſeltenen Weg ſich Ueber den Helleſpont; ſchloß an die Ufer Europens Aſia an, und peitſchte voll Stolz mit ſtaͤupenden Ruthen Die unwillige Fluth. Sie hatten das ſeltſame Werk nun, Einen Ruͤcken von hangenden Felſen, mit kuͤnſtlichem Baue Ueber den tobenden Abgrund gefuͤhrt; indem ſie dem Fußſchlag Satans gefolgt; und kamen nunmehr zu eben dem Orte, Wo er zuerſt die Fluͤgel geſenkt; das Chaos verlaſſen, Und an dieſer nackenden Seite des Weltgebaͤudes Angelaudet. Mit Klammern und Ketten vom ſtaͤrkeſten Demant Machten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/157
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/157>, abgerufen am 23.11.2024.