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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Das verlohrne Paradies.
870Welches neue Vergnügen bey ihrer Wiederkunft, die sich
Nur zu lang ihm verzog! Doch schien sein ahnendes Herz ihm
Oft was Uebels zu sagen; er fühlte den zitternden Pulsschlag,
Und gieng alsobald fort, sie auf dem Wege zu finden,
Den sie den Morgen genommen, nachdem sie zuerst sich geschieden.
875Nahe führt' ihn sein Weg beym Baum der Erkenntniß vorüber,

Und da fand er sie, so wie sie eben vom Baume zurückkam,
Noch mit einem Zweige von diesen herrlichen Früchten
Jn der Hand; sie lachten ihn an mit wollichten Schalen,
Und verhauchten, erst eben gepflückt, Ambrosia um sich.
880Sie gieng ihm eilfertig entgegen; in ihrem Gesichte

Kam ihm Entschuldgung zuvor, und ihre Vertheidigung eilte
Allzugeschwind nur, indem sie mit schmeichelnden Worten so anhub.

Hast du dich nicht gewundert, o Adam, warum ich so lange
Weggeblieben von dir? du hast mir zu sehr nur gemangelt,
885Und es dünkte mich lang, daß ich so deiner beraubt war!

Solche Schmerzen der Liebe hab ich noch niemals gefühlet,
Und ich will sie auch nicht zum zweytenmale versuchen.
Niemals will ich das wieder erfahren, was ich zu geschwind nur,
Unerfahren, gesucht, die Schmerzen, die in der Entfernung
890Meine Seele gefühlt. Allein, die Ursach ist seltsam,

Und in Wahrheit wunderbar gnug. Was dünkt dich, der Baum hier
Jst nicht, wie man uns sagte, davon zu kosten, gefährlich;
Er eröffnet auch nicht den Weg zu verborgenem Uebel,
Sondern, göttlich von Kraft, kann er die Augen verklären.
Und

Das verlohrne Paradies.
870Welches neue Vergnuͤgen bey ihrer Wiederkunft, die ſich
Nur zu lang ihm verzog! Doch ſchien ſein ahnendes Herz ihm
Oft was Uebels zu ſagen; er fuͤhlte den zitternden Pulsſchlag,
Und gieng alſobald fort, ſie auf dem Wege zu finden,
Den ſie den Morgen genommen, nachdem ſie zuerſt ſich geſchieden.
875Nahe fuͤhrt’ ihn ſein Weg beym Baum der Erkenntniß voruͤber,

Und da fand er ſie, ſo wie ſie eben vom Baume zuruͤckkam,
Noch mit einem Zweige von dieſen herrlichen Fruͤchten
Jn der Hand; ſie lachten ihn an mit wollichten Schalen,
Und verhauchten, erſt eben gepfluͤckt, Ambroſia um ſich.
880Sie gieng ihm eilfertig entgegen; in ihrem Geſichte

Kam ihm Entſchuldgung zuvor, und ihre Vertheidigung eilte
Allzugeſchwind nur, indem ſie mit ſchmeichelnden Worten ſo anhub.

Haſt du dich nicht gewundert, o Adam, warum ich ſo lange
Weggeblieben von dir? du haſt mir zu ſehr nur gemangelt,
885Und es duͤnkte mich lang, daß ich ſo deiner beraubt war!

Solche Schmerzen der Liebe hab ich noch niemals gefuͤhlet,
Und ich will ſie auch nicht zum zweytenmale verſuchen.
Niemals will ich das wieder erfahren, was ich zu geſchwind nur,
Unerfahren, geſucht, die Schmerzen, die in der Entfernung
890Meine Seele gefuͤhlt. Allein, die Urſach iſt ſeltſam,

Und in Wahrheit wunderbar gnug. Was duͤnkt dich, der Baum hier
Jſt nicht, wie man uns ſagte, davon zu koſten, gefaͤhrlich;
Er eroͤffnet auch nicht den Weg zu verborgenem Uebel,
Sondern, goͤttlich von Kraft, kann er die Augen verklaͤren.
Und
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[104/0124] Das verlohrne Paradies. Welches neue Vergnuͤgen bey ihrer Wiederkunft, die ſich Nur zu lang ihm verzog! Doch ſchien ſein ahnendes Herz ihm Oft was Uebels zu ſagen; er fuͤhlte den zitternden Pulsſchlag, Und gieng alſobald fort, ſie auf dem Wege zu finden, Den ſie den Morgen genommen, nachdem ſie zuerſt ſich geſchieden. Nahe fuͤhrt’ ihn ſein Weg beym Baum der Erkenntniß voruͤber, Und da fand er ſie, ſo wie ſie eben vom Baume zuruͤckkam, Noch mit einem Zweige von dieſen herrlichen Fruͤchten Jn der Hand; ſie lachten ihn an mit wollichten Schalen, Und verhauchten, erſt eben gepfluͤckt, Ambroſia um ſich. Sie gieng ihm eilfertig entgegen; in ihrem Geſichte Kam ihm Entſchuldgung zuvor, und ihre Vertheidigung eilte Allzugeſchwind nur, indem ſie mit ſchmeichelnden Worten ſo anhub. Haſt du dich nicht gewundert, o Adam, warum ich ſo lange Weggeblieben von dir? du haſt mir zu ſehr nur gemangelt, Und es duͤnkte mich lang, daß ich ſo deiner beraubt war! Solche Schmerzen der Liebe hab ich noch niemals gefuͤhlet, Und ich will ſie auch nicht zum zweytenmale verſuchen. Niemals will ich das wieder erfahren, was ich zu geſchwind nur, Unerfahren, geſucht, die Schmerzen, die in der Entfernung Meine Seele gefuͤhlt. Allein, die Urſach iſt ſeltſam, Und in Wahrheit wunderbar gnug. Was duͤnkt dich, der Baum hier Jſt nicht, wie man uns ſagte, davon zu koſten, gefaͤhrlich; Er eroͤffnet auch nicht den Weg zu verborgenem Uebel, Sondern, goͤttlich von Kraft, kann er die Augen verklaͤren. Und

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/124>, abgerufen am 26.11.2024.