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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Vorbericht zum zweyten Bande

Sich aller Macht anmaßt, und unter ihm,
Und seinem Namen des Gesalbeten
Wir übrigen nun ganz verdunkelt sind:
Wir haben hier, so bey der Mitternacht,
So eilig uns versammelt zu erwägen,
Mit welchen Ehren wir den neuen Herrn
Allhier begegnen wollen, der von uns
Den Knietribut, den wir noch nicht bezahlt,
Erwartet, und ihn hier empfangen will.
Unbilliger, beschimpfender Tribut!
Demüthgende Verehrung! schon zu viel,
Sie Einem zu erzeigen! -- aber nun
Noch einem Zweyten, seinem Ebenbild
Sie zu erzeigen, wer erträget das?
Doch wie? wenn uns ein besserer Entschluß
Zu größerm Edelmuth begeister[te],
Und dieses Joch uns abzuwerfen lehrte?
Wollt ihr die Nacken beugen? wollt ihr knien,
Demüthig vor ihm knien im Staube? -- Nein!
Jhr wollt es nicht, kenn ich euch anders recht,
Und kennt ihr selbst euch recht! Jhr alle seyd
Des Himmels Söhne, den niemand vor euch
Besessen hat; und ob ihr alle zwar
Nicht gleich erhaben, nicht gleich herrlich seyd;
So seyd ihr doch deswegen frey -- gleich frey!
Denn mit der Freyheit können Ordnungen
Und Gnade wohl bestehn. Wer kann denn nun
Sich mit Vernunft, mit irgend einem Rechte
Der Oberherrschaft über die anmaßen,
Die durch das Recht zusammen gleich ihm sind,
Und wenn an Macht und Herrlichkeit geringer
Jn Freyheit gleich ihm sind? Und wer kann denn
Gesetze geben, die nicht irren können?
Und wer kann endlich denn zu unserm Herrn
Sich aufzuwerfen wagen, und Anbethung
Von uns, von Königen, von Göttern fordern?
Die Titel schon bekräftigen, daß wir
Geschaffen sind, zu herrschen, nicht zu dienen.

Bishieher fand er ohne Widerspruch
Mit der verwegenen Beredsamkeit
Gehör:

Vorbericht zum zweyten Bande

Sich aller Macht anmaßt, und unter ihm,
Und ſeinem Namen des Geſalbeten
Wir uͤbrigen nun ganz verdunkelt ſind:
Wir haben hier, ſo bey der Mitternacht,
So eilig uns verſammelt zu erwaͤgen,
Mit welchen Ehren wir den neuen Herrn
Allhier begegnen wollen, der von uns
Den Knietribut, den wir noch nicht bezahlt,
Erwartet, und ihn hier empfangen will.
Unbilliger, beſchimpfender Tribut!
Demuͤthgende Verehrung! ſchon zu viel,
Sie Einem zu erzeigen! — aber nun
Noch einem Zweyten, ſeinem Ebenbild
Sie zu erzeigen, wer ertraͤget das?
Doch wie? wenn uns ein beſſerer Entſchluß
Zu groͤßerm Edelmuth begeiſter[te],
Und dieſes Joch uns abzuwerfen lehrte?
Wollt ihr die Nacken beugen? wollt ihr knien,
Demuͤthig vor ihm knien im Staube? — Nein!
Jhr wollt es nicht, kenn ich euch anders recht,
Und kennt ihr ſelbſt euch recht! Jhr alle ſeyd
Des Himmels Soͤhne, den niemand vor euch
Beſeſſen hat; und ob ihr alle zwar
Nicht gleich erhaben, nicht gleich herrlich ſeyd;
So ſeyd ihr doch deswegen frey — gleich frey!
Denn mit der Freyheit koͤnnen Ordnungen
Und Gnade wohl beſtehn. Wer kann denn nun
Sich mit Vernunft, mit irgend einem Rechte
Der Oberherrſchaft uͤber die anmaßen,
Die durch das Recht zuſammen gleich ihm ſind,
Und wenn an Macht und Herrlichkeit geringer
Jn Freyheit gleich ihm ſind? Und wer kann denn
Geſetze geben, die nicht irren koͤnnen?
Und wer kann endlich denn zu unſerm Herrn
Sich aufzuwerfen wagen, und Anbethung
Von uns, von Koͤnigen, von Goͤttern fordern?
Die Titel ſchon bekraͤftigen, daß wir
Geſchaffen ſind, zu herrſchen, nicht zu dienen.

Bishieher fand er ohne Widerſpruch
Mit der verwegenen Beredſamkeit
Gehoͤr:
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[0012] Vorbericht zum zweyten Bande Sich aller Macht anmaßt, und unter ihm, Und ſeinem Namen des Geſalbeten Wir uͤbrigen nun ganz verdunkelt ſind: Wir haben hier, ſo bey der Mitternacht, So eilig uns verſammelt zu erwaͤgen, Mit welchen Ehren wir den neuen Herrn Allhier begegnen wollen, der von uns Den Knietribut, den wir noch nicht bezahlt, Erwartet, und ihn hier empfangen will. Unbilliger, beſchimpfender Tribut! Demuͤthgende Verehrung! ſchon zu viel, Sie Einem zu erzeigen! — aber nun Noch einem Zweyten, ſeinem Ebenbild Sie zu erzeigen, wer ertraͤget das? Doch wie? wenn uns ein beſſerer Entſchluß Zu groͤßerm Edelmuth begeiſterte, Und dieſes Joch uns abzuwerfen lehrte? Wollt ihr die Nacken beugen? wollt ihr knien, Demuͤthig vor ihm knien im Staube? — Nein! Jhr wollt es nicht, kenn ich euch anders recht, Und kennt ihr ſelbſt euch recht! Jhr alle ſeyd Des Himmels Soͤhne, den niemand vor euch Beſeſſen hat; und ob ihr alle zwar Nicht gleich erhaben, nicht gleich herrlich ſeyd; So ſeyd ihr doch deswegen frey — gleich frey! Denn mit der Freyheit koͤnnen Ordnungen Und Gnade wohl beſtehn. Wer kann denn nun Sich mit Vernunft, mit irgend einem Rechte Der Oberherrſchaft uͤber die anmaßen, Die durch das Recht zuſammen gleich ihm ſind, Und wenn an Macht und Herrlichkeit geringer Jn Freyheit gleich ihm ſind? Und wer kann denn Geſetze geben, die nicht irren koͤnnen? Und wer kann endlich denn zu unſerm Herrn Sich aufzuwerfen wagen, und Anbethung Von uns, von Koͤnigen, von Goͤttern fordern? Die Titel ſchon bekraͤftigen, daß wir Geſchaffen ſind, zu herrſchen, nicht zu dienen. Bishieher fand er ohne Widerſpruch Mit der verwegenen Beredſamkeit Gehoͤr:

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/12>, abgerufen am 27.11.2024.