Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.
Also sagte der Feind des Menschengeschlechtes, verschlossen Jn die Schlang', ihr schlimmer Bewohner. Er nimmt drauf nach Even Seinen Weg, nicht so wie hernach, mit windenden Krümmen, Kriechend über den Staub, nein, aufgerichtet, in Kreisen, Die i) D. Pearce hat bey dieser Stelle
angemerkt: Zu einem schönen Weibe nähert man sich mit Ehrfurcht und Schre- cken, wofern der, welcher sich ihr nähert, [Spaltenumbruch] nicht einen strengern Haß gegen sie hat, als ihre Schönheit Liebe bey ihm erzei- gen kann.
Alſo ſagte der Feind des Menſchengeſchlechtes, verſchloſſen Jn die Schlang’, ihr ſchlimmer Bewohner. Er nimmt drauf nach Even Seinen Weg, nicht ſo wie hernach, mit windenden Kruͤmmen, Kriechend uͤber den Staub, nein, aufgerichtet, in Kreiſen, Die i) D. Pearce hat bey dieſer Stelle
angemerkt: Zu einem ſchoͤnen Weibe naͤhert man ſich mit Ehrfurcht und Schre- cken, wofern der, welcher ſich ihr naͤhert, [Spaltenumbruch] nicht einen ſtrengern Haß gegen ſie hat, als ihre Schoͤnheit Liebe bey ihm erzei- gen kann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="16"> <l> <pb facs="#f0108" n="88"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Zu zerſtoͤren, dieß einzige nicht, das in der Zerſtoͤrung</l><lb/> <l>Dieſer Freuden mir uͤbrig bleibt; dann andre Vergnuͤgen</l><lb/> <l>Sind verlohren fuͤr mich! drum muß ich den gluͤcklichen Zufall,<lb/><note place="left">495</note>Der mir itzt lacht, nicht vergeſſen. Denn ſieh, das Weib iſt allein hier,</l><lb/> <l>Jede Verſuchung kann ich bequem bey ihr nun vollenden,</l><lb/> <l>Denn ihr Mann, (ich ſchaue weit um mich) iſt nicht in der Naͤhe,</l><lb/> <l>Deſſen hoͤhern Verſtand ich mehr, als den ihrigen, fuͤrchte.</l><lb/> <l>Seine Staͤrke, der trotzige Muth, die heroiſche Bildung<lb/><note place="left">500</note>Seiner Geſtalt, obgleich nur geformt aus irdiſchem Stoffe,</l><lb/> <l>Macht ihn als Feind mir furchtbar genug, da er frey iſt vor Wunden,</l><lb/> <l>Und ich nicht; (ſo ſehr hat die Hoͤlle von dem mich erniedrigt,</l><lb/> <l>Was ich im Himmel einſt war; ſo hat der Schmerz mich geſchwaͤchet.)</l><lb/> <l>Sie iſt ſchoͤn, von himmliſcher Schoͤnheit, und werth, daß ſie Goͤtter<lb/><note place="left">505</note>Lieben; nicht furchtbar, obgleich auch in der Schoͤnheit und Liebe <cb/> <note place="foot" n="i)">D. <hi rendition="#fr">Pearce</hi> hat bey dieſer Stelle<lb/> angemerkt: Zu einem ſchoͤnen Weibe<lb/> naͤhert man ſich mit Ehrfurcht und Schre-<lb/> cken, wofern der, welcher ſich ihr naͤhert,<lb/><cb/> nicht einen ſtrengern Haß gegen ſie hat,<lb/> als ihre Schoͤnheit Liebe bey ihm erzei-<lb/> gen kann.</note></l><lb/> <l>Furchtbarkeit liegt, wenn ſtaͤrkerer Haß nicht wuͤthend ſie angreift;</l><lb/> <l>Haß, der unter dem Schein geſchickt erdichteter Liebe</l><lb/> <l>Deſto maͤchtiger wirkt. Auf dieſem ſicheren Wege</l><lb/> <l>Eil ich nunmehr zu ihrem Fall, zu ihrem Verderben.</l> </lg><lb/> <note place="left">510</note> <lg n="17"> <l>Alſo ſagte der Feind des Menſchengeſchlechtes, verſchloſſen</l><lb/> <l>Jn die Schlang’, ihr ſchlimmer Bewohner. Er nimmt drauf nach <hi rendition="#fr">Even</hi></l><lb/> <l>Seinen Weg, nicht ſo wie hernach, mit windenden Kruͤmmen,</l><lb/> <l>Kriechend uͤber den Staub, nein, aufgerichtet, in Kreiſen,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [88/0108]
Das verlohrne Paradies.
Zu zerſtoͤren, dieß einzige nicht, das in der Zerſtoͤrung
Dieſer Freuden mir uͤbrig bleibt; dann andre Vergnuͤgen
Sind verlohren fuͤr mich! drum muß ich den gluͤcklichen Zufall,
Der mir itzt lacht, nicht vergeſſen. Denn ſieh, das Weib iſt allein hier,
Jede Verſuchung kann ich bequem bey ihr nun vollenden,
Denn ihr Mann, (ich ſchaue weit um mich) iſt nicht in der Naͤhe,
Deſſen hoͤhern Verſtand ich mehr, als den ihrigen, fuͤrchte.
Seine Staͤrke, der trotzige Muth, die heroiſche Bildung
Seiner Geſtalt, obgleich nur geformt aus irdiſchem Stoffe,
Macht ihn als Feind mir furchtbar genug, da er frey iſt vor Wunden,
Und ich nicht; (ſo ſehr hat die Hoͤlle von dem mich erniedrigt,
Was ich im Himmel einſt war; ſo hat der Schmerz mich geſchwaͤchet.)
Sie iſt ſchoͤn, von himmliſcher Schoͤnheit, und werth, daß ſie Goͤtter
Lieben; nicht furchtbar, obgleich auch in der Schoͤnheit und Liebe
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Furchtbarkeit liegt, wenn ſtaͤrkerer Haß nicht wuͤthend ſie angreift;
Haß, der unter dem Schein geſchickt erdichteter Liebe
Deſto maͤchtiger wirkt. Auf dieſem ſicheren Wege
Eil ich nunmehr zu ihrem Fall, zu ihrem Verderben.
Alſo ſagte der Feind des Menſchengeſchlechtes, verſchloſſen
Jn die Schlang’, ihr ſchlimmer Bewohner. Er nimmt drauf nach Even
Seinen Weg, nicht ſo wie hernach, mit windenden Kruͤmmen,
Kriechend uͤber den Staub, nein, aufgerichtet, in Kreiſen,
Die
i) D. Pearce hat bey dieſer Stelle
angemerkt: Zu einem ſchoͤnen Weibe
naͤhert man ſich mit Ehrfurcht und Schre-
cken, wofern der, welcher ſich ihr naͤhert,
nicht einen ſtrengern Haß gegen ſie hat,
als ihre Schoͤnheit Liebe bey ihm erzei-
gen kann.
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