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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Neunter Gefang.

Jn den Betrug, indem sie nicht wachte, so wie sie gewarnt war.
Suche deshalb die Versuchung nicht auf, indem sie zu meiden
Besser und sicherer ist; am sichersten, wenn du dich niemals
Von mir entfernst; denn ungesucht auch kömmt oft die Versuchung.
380Willst du ein Beyspiel geben von deiner Beständigkeit? -- gieb erst

Eins von deinem Gehorsam! Wer kann von der ersten was wissen,
Etwas bezeugen, wer selbst nicht deine Prüfung gesehen.
Glaubst du indeß, es möchte die Prüfung, wofern man sie nicht sucht,
So verwahrt uns nicht finden, als wie du itzo mir scheinest,
385Da ich dich also gewarnt: so geh! denn selbst dein Verweilen,

Wär es nicht frey, entfernt dich nur mehr [Spaltenumbruch] g). Geh hin, in der Unschuld,
Die die Natur dir geschenkt; verlaß dich auf alle die Tugend,
Die du besitzest, und rufe sie auf zu deiner Vertheidgung.
Gott hat alles das seine gethan, thu du auch das deine.

390
Also sagte der Vater des Menschengeschlechtes. Doch Eva
Ließ nicht ab, und erwiedert zuletzt, obgleich voll Gehorsam.
Also geh ich mit deiner Erlaubniß; und sicherer macht mich
Deine Warnung, und was du zuletzt nur flüchtig erinnert,
Daß die Versuchung, wenn sie von uns am mindsten gesucht wird,
Desto
g) Jn Miltons Leben wird erzählt,
daß Miltons erste Frau, nicht lange dar-
nach, da er sie geheyrathet, eine große
Begierde bezeigt, ihre Verwandten auf
dem Lande zu besuchen. Es ist zu ver-
muthen, daß ihre Unterredung bey dieser
Gelegenheit der Unterredung Adams und
Evens ähnlich gewesen, und daß er ihr
[Spaltenumbruch] nach ihrem vielen Ansuchen erlaubt habe
zu gehen. Es ist desto wahrscheinlicher,
daß er in diesem Gemälde von Adam und
Evens Scheiden seine eigne Geschichte
vor Augen gehabt, da man hernach in
der Erzählung von ihrer Versöhnung zei-
gen wird, daß er ganz genau seine eigne
Geschichte beschrieben. N.
L 2

Neunter Gefang.

Jn den Betrug, indem ſie nicht wachte, ſo wie ſie gewarnt war.
Suche deshalb die Verſuchung nicht auf, indem ſie zu meiden
Beſſer und ſicherer iſt; am ſicherſten, wenn du dich niemals
Von mir entfernſt; denn ungeſucht auch koͤmmt oft die Verſuchung.
380Willſt du ein Beyſpiel geben von deiner Beſtaͤndigkeit? — gieb erſt

Eins von deinem Gehorſam! Wer kann von der erſten was wiſſen,
Etwas bezeugen, wer ſelbſt nicht deine Pruͤfung geſehen.
Glaubſt du indeß, es moͤchte die Pruͤfung, wofern man ſie nicht ſucht,
So verwahrt uns nicht finden, als wie du itzo mir ſcheineſt,
385Da ich dich alſo gewarnt: ſo geh! denn ſelbſt dein Verweilen,

Waͤr es nicht frey, entfernt dich nur mehr [Spaltenumbruch] g). Geh hin, in der Unſchuld,
Die die Natur dir geſchenkt; verlaß dich auf alle die Tugend,
Die du beſitzeſt, und rufe ſie auf zu deiner Vertheidgung.
Gott hat alles das ſeine gethan, thu du auch das deine.

390
Alſo ſagte der Vater des Menſchengeſchlechtes. Doch Eva
Ließ nicht ab, und erwiedert zuletzt, obgleich voll Gehorſam.
Alſo geh ich mit deiner Erlaubniß; und ſicherer macht mich
Deine Warnung, und was du zuletzt nur fluͤchtig erinnert,
Daß die Verſuchung, wenn ſie von uns am mindſten geſucht wird,
Deſto
g) Jn Miltons Leben wird erzaͤhlt,
daß Miltons erſte Frau, nicht lange dar-
nach, da er ſie geheyrathet, eine große
Begierde bezeigt, ihre Verwandten auf
dem Lande zu beſuchen. Es iſt zu ver-
muthen, daß ihre Unterredung bey dieſer
Gelegenheit der Unterredung Adams und
Evens aͤhnlich geweſen, und daß er ihr
[Spaltenumbruch] nach ihrem vielen Anſuchen erlaubt habe
zu gehen. Es iſt deſto wahrſcheinlicher,
daß er in dieſem Gemaͤlde von Adam und
Evens Scheiden ſeine eigne Geſchichte
vor Augen gehabt, da man hernach in
der Erzaͤhlung von ihrer Verſoͤhnung zei-
gen wird, daß er ganz genau ſeine eigne
Geſchichte beſchrieben. N.
L 2
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[83/0103] Neunter Gefang. Jn den Betrug, indem ſie nicht wachte, ſo wie ſie gewarnt war. Suche deshalb die Verſuchung nicht auf, indem ſie zu meiden Beſſer und ſicherer iſt; am ſicherſten, wenn du dich niemals Von mir entfernſt; denn ungeſucht auch koͤmmt oft die Verſuchung. Willſt du ein Beyſpiel geben von deiner Beſtaͤndigkeit? — gieb erſt Eins von deinem Gehorſam! Wer kann von der erſten was wiſſen, Etwas bezeugen, wer ſelbſt nicht deine Pruͤfung geſehen. Glaubſt du indeß, es moͤchte die Pruͤfung, wofern man ſie nicht ſucht, So verwahrt uns nicht finden, als wie du itzo mir ſcheineſt, Da ich dich alſo gewarnt: ſo geh! denn ſelbſt dein Verweilen, Waͤr es nicht frey, entfernt dich nur mehr g). Geh hin, in der Unſchuld, Die die Natur dir geſchenkt; verlaß dich auf alle die Tugend, Die du beſitzeſt, und rufe ſie auf zu deiner Vertheidgung. Gott hat alles das ſeine gethan, thu du auch das deine. Alſo ſagte der Vater des Menſchengeſchlechtes. Doch Eva Ließ nicht ab, und erwiedert zuletzt, obgleich voll Gehorſam. Alſo geh ich mit deiner Erlaubniß; und ſicherer macht mich Deine Warnung, und was du zuletzt nur fluͤchtig erinnert, Daß die Verſuchung, wenn ſie von uns am mindſten geſucht wird, Deſto g) Jn Miltons Leben wird erzaͤhlt, daß Miltons erſte Frau, nicht lange dar- nach, da er ſie geheyrathet, eine große Begierde bezeigt, ihre Verwandten auf dem Lande zu beſuchen. Es iſt zu ver- muthen, daß ihre Unterredung bey dieſer Gelegenheit der Unterredung Adams und Evens aͤhnlich geweſen, und daß er ihr nach ihrem vielen Anſuchen erlaubt habe zu gehen. Es iſt deſto wahrſcheinlicher, daß er in dieſem Gemaͤlde von Adam und Evens Scheiden ſeine eigne Geſchichte vor Augen gehabt, da man hernach in der Erzaͤhlung von ihrer Verſoͤhnung zei- gen wird, daß er ganz genau ſeine eigne Geſchichte beſchrieben. N. L 2

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/103>, abgerufen am 28.11.2024.