Denn das bist du, indem du von Sünd und Tadel befreyt bist; Nicht aus Mistraun rath ich es ab, aus meinem Gesichte 310Dich zu entfernen, nur darum vielmehr, damit die Versuchung Von uns abgewandt werde, die uns der Versucher bereitet. Denn der Verführer, wofern er uns auch vergebens versuchet, Kann zum wenigsten doch den Ruhm des Versuchten beflecken, Da er voraussetzt, daß er ihn nicht für stark genug halte, 315Seiner Versuchung entgegen zu stehn. Du würdest das Unrecht, Das durch ihn dich bedroht, selbst voller Unmuth empfinden, Wenn es auch ohne Wirkung gewesen. Verdenke mir drum nicht, Daß ich mich ernstlich bemüh, solch eine Beleidigung von dir Zu entfernen, indem du allein bist; uns beyde beysammen 320Wird der Feind, so kühn er auch ist, so leicht nicht versuchen, Oder wenn er es wagt, so geht am ersten sein Anfall Ohne Zweifel auf mich. Veracht' auch seine Versuchung, Seine List, nicht zu sehr! Wie fein, wie listig muß der seyn, Welcher Engel verführt; und halte drum andere Hülfe 325Nicht für umsonst. Der Einfluß von deinen mächtigen Blicken, Macht mich in jeglicher Tugend erhabner; vor deinem Gesichte Bin ich wachsamer, weiser, und stärker; wenn Stärke des Körpers Nöthig wäre. Die Scham, verführt, betrogen zu werden, Würde, wofern du es sähst, zum äußersten Muth mich erheben, 330Zu dem stärksten vereinigten Muth. Und solltest du gleichfalls Nicht den Einfluß von mir und meiner Gegenwart fühlen, [Spaltenumbruch]
Und
gemacht; so nennt Adam Even Toch- ter Gottes und Tochter des Men- [Spaltenumbruch]
schen, weil sie von Gott aus dem Men- schen geschaffen worden. N.
Das verlohrne Paradies.
Denn das biſt du, indem du von Suͤnd und Tadel befreyt biſt; Nicht aus Mistraun rath ich es ab, aus meinem Geſichte 310Dich zu entfernen, nur darum vielmehr, damit die Verſuchung Von uns abgewandt werde, die uns der Verſucher bereitet. Denn der Verfuͤhrer, wofern er uns auch vergebens verſuchet, Kann zum wenigſten doch den Ruhm des Verſuchten beflecken, Da er vorausſetzt, daß er ihn nicht fuͤr ſtark genug halte, 315Seiner Verſuchung entgegen zu ſtehn. Du wuͤrdeſt das Unrecht, Das durch ihn dich bedroht, ſelbſt voller Unmuth empfinden, Wenn es auch ohne Wirkung geweſen. Verdenke mir drum nicht, Daß ich mich ernſtlich bemuͤh, ſolch eine Beleidigung von dir Zu entfernen, indem du allein biſt; uns beyde beyſammen 320Wird der Feind, ſo kuͤhn er auch iſt, ſo leicht nicht verſuchen, Oder wenn er es wagt, ſo geht am erſten ſein Anfall Ohne Zweifel auf mich. Veracht’ auch ſeine Verſuchung, Seine Liſt, nicht zu ſehr! Wie fein, wie liſtig muß der ſeyn, Welcher Engel verfuͤhrt; und halte drum andere Huͤlfe 325Nicht fuͤr umſonſt. Der Einfluß von deinen maͤchtigen Blicken, Macht mich in jeglicher Tugend erhabner; vor deinem Geſichte Bin ich wachſamer, weiſer, und ſtaͤrker; wenn Staͤrke des Koͤrpers Noͤthig waͤre. Die Scham, verfuͤhrt, betrogen zu werden, Wuͤrde, wofern du es ſaͤhſt, zum aͤußerſten Muth mich erheben, 330Zu dem ſtaͤrkſten vereinigten Muth. Und ſollteſt du gleichfalls Nicht den Einfluß von mir und meiner Gegenwart fuͤhlen, [Spaltenumbruch]
Und
gemacht; ſo nennt Adam Even Toch- ter Gottes und Tochter des Men- [Spaltenumbruch]
ſchen, weil ſie von Gott aus dem Men- ſchen geſchaffen worden. N.
<TEI><text><body><divn="1"><lgtype="poem"><lgn="9"><l><pbfacs="#f0100"n="80"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi></fw></l><lb/><l>Denn das biſt du, indem du von Suͤnd und Tadel befreyt biſt;</l><lb/><l>Nicht aus Mistraun rath ich es ab, aus meinem Geſichte<lb/><noteplace="left">310</note>Dich zu entfernen, nur darum vielmehr, damit die Verſuchung</l><lb/><l>Von uns abgewandt werde, die uns der Verſucher bereitet.</l><lb/><l>Denn der Verfuͤhrer, wofern er uns auch vergebens verſuchet,</l><lb/><l>Kann zum wenigſten doch den Ruhm des Verſuchten beflecken,</l><lb/><l>Da er vorausſetzt, daß er ihn nicht fuͤr ſtark genug halte,<lb/><noteplace="left">315</note>Seiner Verſuchung entgegen zu ſtehn. Du wuͤrdeſt das Unrecht,</l><lb/><l>Das durch ihn dich bedroht, ſelbſt voller Unmuth empfinden,</l><lb/><l>Wenn es auch ohne Wirkung geweſen. Verdenke mir drum nicht,</l><lb/><l>Daß ich mich ernſtlich bemuͤh, ſolch eine Beleidigung von dir</l><lb/><l>Zu entfernen, indem du allein biſt; uns beyde beyſammen<lb/><noteplace="left">320</note>Wird der Feind, ſo kuͤhn er auch iſt, ſo leicht nicht verſuchen,</l><lb/><l>Oder wenn er es wagt, ſo geht am erſten ſein Anfall</l><lb/><l>Ohne Zweifel auf mich. Veracht’ auch ſeine Verſuchung,</l><lb/><l>Seine Liſt, nicht zu ſehr! Wie fein, wie liſtig muß der ſeyn,</l><lb/><l>Welcher Engel verfuͤhrt; und halte drum andere Huͤlfe<lb/><noteplace="left">325</note>Nicht fuͤr umſonſt. Der Einfluß von deinen maͤchtigen Blicken,</l><lb/><l>Macht mich in jeglicher Tugend erhabner; vor deinem Geſichte</l><lb/><l>Bin ich wachſamer, weiſer, und ſtaͤrker; wenn Staͤrke des Koͤrpers</l><lb/><l>Noͤthig waͤre. Die Scham, verfuͤhrt, betrogen zu werden,</l><lb/><l>Wuͤrde, wofern du es ſaͤhſt, zum aͤußerſten Muth mich erheben,<lb/><noteplace="left">330</note>Zu dem ſtaͤrkſten vereinigten Muth. Und ſollteſt du gleichfalls</l><lb/><l>Nicht den Einfluß von mir und meiner Gegenwart fuͤhlen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Und</fw><lb/><cb/><notexml:id="f06"prev="#f05"place="foot"n="e)">gemacht; ſo nennt Adam Even <hirendition="#fr">Toch-<lb/>
ter Gottes und Tochter des Men-<lb/><cb/>ſchen,</hi> weil ſie von Gott aus dem Men-<lb/>ſchen geſchaffen worden. <hirendition="#fr">N.</hi></note><lb/></l></lg></lg></div></body></text></TEI>
[80/0100]
Das verlohrne Paradies.
Denn das biſt du, indem du von Suͤnd und Tadel befreyt biſt;
Nicht aus Mistraun rath ich es ab, aus meinem Geſichte
Dich zu entfernen, nur darum vielmehr, damit die Verſuchung
Von uns abgewandt werde, die uns der Verſucher bereitet.
Denn der Verfuͤhrer, wofern er uns auch vergebens verſuchet,
Kann zum wenigſten doch den Ruhm des Verſuchten beflecken,
Da er vorausſetzt, daß er ihn nicht fuͤr ſtark genug halte,
Seiner Verſuchung entgegen zu ſtehn. Du wuͤrdeſt das Unrecht,
Das durch ihn dich bedroht, ſelbſt voller Unmuth empfinden,
Wenn es auch ohne Wirkung geweſen. Verdenke mir drum nicht,
Daß ich mich ernſtlich bemuͤh, ſolch eine Beleidigung von dir
Zu entfernen, indem du allein biſt; uns beyde beyſammen
Wird der Feind, ſo kuͤhn er auch iſt, ſo leicht nicht verſuchen,
Oder wenn er es wagt, ſo geht am erſten ſein Anfall
Ohne Zweifel auf mich. Veracht’ auch ſeine Verſuchung,
Seine Liſt, nicht zu ſehr! Wie fein, wie liſtig muß der ſeyn,
Welcher Engel verfuͤhrt; und halte drum andere Huͤlfe
Nicht fuͤr umſonſt. Der Einfluß von deinen maͤchtigen Blicken,
Macht mich in jeglicher Tugend erhabner; vor deinem Geſichte
Bin ich wachſamer, weiſer, und ſtaͤrker; wenn Staͤrke des Koͤrpers
Noͤthig waͤre. Die Scham, verfuͤhrt, betrogen zu werden,
Wuͤrde, wofern du es ſaͤhſt, zum aͤußerſten Muth mich erheben,
Zu dem ſtaͤrkſten vereinigten Muth. Und ſollteſt du gleichfalls
Nicht den Einfluß von mir und meiner Gegenwart fuͤhlen,
Und
e)
e) gemacht; ſo nennt Adam Even Toch-
ter Gottes und Tochter des Men-
ſchen, weil ſie von Gott aus dem Men-
ſchen geſchaffen worden. N.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/100>, abgerufen am 25.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.