Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Was, o Vater, (so schrie sie,) will deine Hand? was beginnt sie Gegen deinen einzigen Sohn! und welche Tollheit 725Heißt dich, o Sohn, auf das Haupt des Vaters den tödtlichen Wurfpfeil Richten? und weißt du, für wen? für jenen, welcher dort oben Sitzet, und deiner lacht, daß du sein verordneter Scherge Alles vollstreckst, was sein Zorn, den er Gerechtigkeit nennet, Dir gebietet; sein Zorn, der einst euch beyde zerstöret. 730Also sprach sie: die höllische Pest gab, da sie so sagte, Nach in der rasenden Wuth; worauf ihr dies Satan erwiedert: Mit so seltsamen Ausruf, und mit so seltsamen Worten Fällst du zwischen uns ein, daß meine Hand noch verzögert, Dir mit Thaten zu sagen, was sie zu verrichten gedachte; 735Bis ich erst, welch ein Geschöpf du seyst, so gedoppelt gestaltet, Von dir erfahre; warum, da hier in dem höllischen Thale Wir zuerst uns sehn, du deinen Vater mich nennest, Meinen Sohn, dies Gespenst! Jch kenne dich nicht, und ich habe Keine scheußlichern Wesen, als dich und ihn noch gesehen. 740Jhm erwiederte drauf die höllische Pförtnerinn also: Hast du denn meiner vergessen, und schein ich deinen Augen Jtzt so häßlich, da man mich so schön im Himmel gehalten, Als in offner voller Versammlung, und in dem Gesichte Aller Seraphim, die sich mit dir im verwegenen Bündniß 745Wider den König des Himmels verschworen, dich schmerzliche Wehen Plötzlich ergriffen, und trübe die Augen in Finsterniß schwammen? Da
Das verlohrne Paradies. Was, o Vater, (ſo ſchrie ſie,) will deine Hand? was beginnt ſie Gegen deinen einzigen Sohn! und welche Tollheit 725Heißt dich, o Sohn, auf das Haupt des Vaters den toͤdtlichen Wurfpfeil Richten? und weißt du, fuͤr wen? fuͤr jenen, welcher dort oben Sitzet, und deiner lacht, daß du ſein verordneter Scherge Alles vollſtreckſt, was ſein Zorn, den er Gerechtigkeit nennet, Dir gebietet; ſein Zorn, der einſt euch beyde zerſtoͤret. 730Alſo ſprach ſie: die hoͤlliſche Peſt gab, da ſie ſo ſagte, Nach in der raſenden Wuth; worauf ihr dies Satan erwiedert: Mit ſo ſeltſamen Ausruf, und mit ſo ſeltſamen Worten Faͤllſt du zwiſchen uns ein, daß meine Hand noch verzoͤgert, Dir mit Thaten zu ſagen, was ſie zu verrichten gedachte; 735Bis ich erſt, welch ein Geſchoͤpf du ſeyſt, ſo gedoppelt geſtaltet, Von dir erfahre; warum, da hier in dem hoͤlliſchen Thale Wir zuerſt uns ſehn, du deinen Vater mich nenneſt, Meinen Sohn, dies Geſpenſt! Jch kenne dich nicht, und ich habe Keine ſcheußlichern Weſen, als dich und ihn noch geſehen. 740Jhm erwiederte drauf die hoͤlliſche Pfoͤrtnerinn alſo: Haſt du denn meiner vergeſſen, und ſchein ich deinen Augen Jtzt ſo haͤßlich, da man mich ſo ſchoͤn im Himmel gehalten, Als in offner voller Verſammlung, und in dem Geſichte Aller Seraphim, die ſich mit dir im verwegenen Buͤndniß 745Wider den Koͤnig des Himmels verſchworen, dich ſchmerzliche Wehen Ploͤtzlich ergriffen, und truͤbe die Augen in Finſterniß ſchwammen? Da
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0098" n="82"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <lg n="17"> <l>Was, o Vater, (ſo ſchrie ſie,) will deine Hand? was beginnt ſie</l><lb/> <l>Gegen deinen einzigen Sohn! und welche Tollheit</l><lb/> <l><note place="left">725</note>Heißt dich, o Sohn, auf das Haupt des Vaters den toͤdtlichen Wurfpfeil</l><lb/> <l>Richten? und weißt du, fuͤr wen? fuͤr jenen, welcher dort oben</l><lb/> <l>Sitzet, und deiner lacht, daß du ſein verordneter Scherge</l><lb/> <l>Alles vollſtreckſt, was ſein Zorn, den er Gerechtigkeit nennet,</l><lb/> <l>Dir gebietet; ſein Zorn, der einſt euch beyde zerſtoͤret.</l><lb/> <l><note place="left">730</note>Alſo ſprach ſie: die hoͤlliſche Peſt gab, da ſie ſo ſagte,</l><lb/> <l>Nach in der raſenden Wuth; worauf ihr dies <hi rendition="#fr">Satan</hi> erwiedert:</l> </lg><lb/> <lg n="18"> <l>Mit ſo ſeltſamen Ausruf, und mit ſo ſeltſamen Worten</l><lb/> <l>Faͤllſt du zwiſchen uns ein, daß meine Hand noch verzoͤgert,</l><lb/> <l>Dir mit Thaten zu ſagen, was ſie zu verrichten gedachte;</l><lb/> <l><note place="left">735</note>Bis ich erſt, welch ein Geſchoͤpf du ſeyſt, ſo gedoppelt geſtaltet,</l><lb/> <l>Von dir erfahre; warum, da hier in dem hoͤlliſchen Thale</l><lb/> <l>Wir zuerſt uns ſehn, du deinen Vater mich nenneſt,</l><lb/> <l>Meinen Sohn, dies Geſpenſt! Jch kenne dich nicht, und ich habe</l><lb/> <l>Keine ſcheußlichern Weſen, als dich und ihn noch geſehen.</l> </lg><lb/> <lg n="19"> <l><note place="left">740</note>Jhm erwiederte drauf die hoͤlliſche Pfoͤrtnerinn alſo:</l><lb/> <l>Haſt du denn meiner vergeſſen, und ſchein ich deinen Augen</l><lb/> <l>Jtzt ſo haͤßlich, da man mich ſo ſchoͤn im Himmel gehalten,</l><lb/> <l>Als in offner voller Verſammlung, und in dem Geſichte</l><lb/> <l>Aller Seraphim, die ſich mit dir im verwegenen Buͤndniß</l><lb/> <l><note place="left">745</note>Wider den Koͤnig des Himmels verſchworen, dich ſchmerzliche Wehen</l><lb/> <l>Ploͤtzlich ergriffen, und truͤbe die Augen in Finſterniß ſchwammen?</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [82/0098]
Das verlohrne Paradies.
Was, o Vater, (ſo ſchrie ſie,) will deine Hand? was beginnt ſie
Gegen deinen einzigen Sohn! und welche Tollheit
Heißt dich, o Sohn, auf das Haupt des Vaters den toͤdtlichen Wurfpfeil
Richten? und weißt du, fuͤr wen? fuͤr jenen, welcher dort oben
Sitzet, und deiner lacht, daß du ſein verordneter Scherge
Alles vollſtreckſt, was ſein Zorn, den er Gerechtigkeit nennet,
Dir gebietet; ſein Zorn, der einſt euch beyde zerſtoͤret.
Alſo ſprach ſie: die hoͤlliſche Peſt gab, da ſie ſo ſagte,
Nach in der raſenden Wuth; worauf ihr dies Satan erwiedert:
Mit ſo ſeltſamen Ausruf, und mit ſo ſeltſamen Worten
Faͤllſt du zwiſchen uns ein, daß meine Hand noch verzoͤgert,
Dir mit Thaten zu ſagen, was ſie zu verrichten gedachte;
Bis ich erſt, welch ein Geſchoͤpf du ſeyſt, ſo gedoppelt geſtaltet,
Von dir erfahre; warum, da hier in dem hoͤlliſchen Thale
Wir zuerſt uns ſehn, du deinen Vater mich nenneſt,
Meinen Sohn, dies Geſpenſt! Jch kenne dich nicht, und ich habe
Keine ſcheußlichern Weſen, als dich und ihn noch geſehen.
Jhm erwiederte drauf die hoͤlliſche Pfoͤrtnerinn alſo:
Haſt du denn meiner vergeſſen, und ſchein ich deinen Augen
Jtzt ſo haͤßlich, da man mich ſo ſchoͤn im Himmel gehalten,
Als in offner voller Verſammlung, und in dem Geſichte
Aller Seraphim, die ſich mit dir im verwegenen Buͤndniß
Wider den Koͤnig des Himmels verſchworen, dich ſchmerzliche Wehen
Ploͤtzlich ergriffen, und truͤbe die Augen in Finſterniß ſchwammen?
Da
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |