Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Rund um ihren mittleren Leib von höllischen HundenEine Schaar, unaufhörlich, und laut, mit cerb'rischen Mäulern, Ein erschrecklich Geheul! Doch konnten sie, wenn sie es wollten, 655Und in ihrem Geheul sie etwas störte, zurück sich Jn den Leib verkriechen, in welchem sie lagen; und drinnen Bellten, und heulten sie fort, obgleich ungesehen. Weit minder Scheußlich waren die Hunde, die ehmals die Scylla geplaget e), Als sie im Meer sich gebadet, welches Calabrien trennet 660Von dem heisern Trinacrischen Ufer; mehr scheußlichre folgen Nicht der nächtlichen Zauberinn nach, wenn heimlich beschieden Durch die Lüfte reitend sie kömmt, indem der Geruch sie Vom vergoßnen Kinderblut lockt, mit den Hexen von Lapland Fröhliche Tänze zu schließen, indem der arbeitende Mond f) sich 665Unter ihrer Bezaubrung verdunkelt. Die andre Gestalt stund, Wenn Gestalt hieß, was keine hatte; woran man an Gliedern, Theilen, oder Gelenken, nichts unterschied, oder wenn man Wesen dies nennen konnte, was nur ein Schatten schien; beydes [Spaltenumbruch] Schien daß wir aber wünschen, die Personen davon möchten in einem biblischen Epischen Gedichte nicht solche Haupt- personen seyn, wie die guten und bösen Engel. Z. e) Circe hatte den Theil der See vergiftet, in welcher sich Scylla zu ba- den pflegte. Als sie es das nächstemal hierauf that, wnrden ihre untern Thei- le in Hunde verwandelt, in dem Meer, welches Calabrien trennet von dem heisern trinacrischen Ufer, das ist, von Sicilien, welches vor Alters Trinacria hieß, von seinen drey Vorgebirgen, die in Form eines Triangels lagen. Dies [Spaltenumbruch] Ufer kann mit Recht heiser heißen, nicht nur wegen der stürmischen See, die daran schlägt, sondern auch wegen des Geräusches, so der Aetna durch sei- nen Auswurf macht. N. f) Die Alten glaubten, daß der
Mond durch zaubrische Künste sehr viel leiden könne, und nannten daher die Mondfinsternissen, Labores lunae. Die drey vorhergehenden Zeilen ent- halten einen kurzen Begriff von dem, was man vor Alters noch glaubte, und zu Miltons Zeiten nicht so lä- cherlich war, wie itzo. Richardson. Das verlohrne Paradies. Rund um ihren mittleren Leib von hoͤlliſchen HundenEine Schaar, unaufhoͤrlich, und laut, mit cerb’riſchen Maͤulern, Ein erſchrecklich Geheul! Doch konnten ſie, wenn ſie es wollten, 655Und in ihrem Geheul ſie etwas ſtoͤrte, zuruͤck ſich Jn den Leib verkriechen, in welchem ſie lagen; und drinnen Bellten, und heulten ſie fort, obgleich ungeſehen. Weit minder Scheußlich waren die Hunde, die ehmals die Scylla geplaget e), Als ſie im Meer ſich gebadet, welches Calabrien trennet 660Von dem heiſern Trinacriſchen Ufer; mehr ſcheußlichre folgen Nicht der naͤchtlichen Zauberinn nach, wenn heimlich beſchieden Durch die Luͤfte reitend ſie koͤmmt, indem der Geruch ſie Vom vergoßnen Kinderblut lockt, mit den Hexen von Lapland Froͤhliche Taͤnze zu ſchließen, indem der arbeitende Mond f) ſich 665Unter ihrer Bezaubrung verdunkelt. Die andre Geſtalt ſtund, Wenn Geſtalt hieß, was keine hatte; woran man an Gliedern, Theilen, oder Gelenken, nichts unterſchied, oder wenn man Weſen dies nennen konnte, was nur ein Schatten ſchien; beydes [Spaltenumbruch] Schien daß wir aber wuͤnſchen, die Perſonen davon moͤchten in einem bibliſchen Epiſchen Gedichte nicht ſolche Haupt- perſonen ſeyn, wie die guten und boͤſen Engel. Z. e) Circe hatte den Theil der See vergiftet, in welcher ſich Scylla zu ba- den pflegte. Als ſie es das naͤchſtemal hierauf that, wnrden ihre untern Thei- le in Hunde verwandelt, in dem Meer, welches Calabrien trennet von dem heiſern trinacriſchen Ufer, das iſt, von Sicilien, welches vor Alters Trinacria hieß, von ſeinen drey Vorgebirgen, die in Form eines Triangels lagen. Dies [Spaltenumbruch] Ufer kann mit Recht heiſer heißen, nicht nur wegen der ſtuͤrmiſchen See, die daran ſchlaͤgt, ſondern auch wegen des Geraͤuſches, ſo der Aetna durch ſei- nen Auswurf macht. N. f) Die Alten glaubten, daß der
Mond durch zaubriſche Kuͤnſte ſehr viel leiden koͤnne, und nannten daher die Mondfinſterniſſen, Labores lunae. Die drey vorhergehenden Zeilen ent- halten einen kurzen Begriff von dem, was man vor Alters noch glaubte, und zu Miltons Zeiten nicht ſo laͤ- cherlich war, wie itzo. Richardſon. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="13"> <pb facs="#f0094" n="78"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <l>Rund um ihren mittleren Leib von hoͤlliſchen Hunden</l><lb/> <l>Eine Schaar, unaufhoͤrlich, und laut, mit cerb’riſchen Maͤulern,</l><lb/> <l>Ein erſchrecklich Geheul! Doch konnten ſie, wenn ſie es wollten,</l><lb/> <l><note place="left">655</note>Und in ihrem Geheul ſie etwas ſtoͤrte, zuruͤck ſich</l><lb/> <l>Jn den Leib verkriechen, in welchem ſie lagen; und drinnen</l><lb/> <l>Bellten, und heulten ſie fort, obgleich ungeſehen. Weit minder</l><lb/> <l>Scheußlich waren die Hunde, die ehmals die <hi rendition="#fr">Scylla</hi> geplaget <note place="foot" n="e)">Circe hatte den Theil der See<lb/> vergiftet, in welcher ſich Scylla zu ba-<lb/> den pflegte. Als ſie es das naͤchſtemal<lb/> hierauf that, wnrden ihre untern Thei-<lb/> le in Hunde verwandelt, in dem Meer,<lb/> welches Calabrien trennet von dem<lb/> heiſern trinacriſchen Ufer, das iſt, von<lb/> Sicilien, welches vor Alters Trinacria<lb/> hieß, von ſeinen drey Vorgebirgen, die<lb/> in Form eines Triangels lagen. Dies<lb/><cb/> Ufer kann mit Recht heiſer heißen,<lb/> nicht nur wegen der ſtuͤrmiſchen See,<lb/> die daran ſchlaͤgt, ſondern auch wegen<lb/> des Geraͤuſches, ſo der Aetna durch ſei-<lb/> nen Auswurf macht. <hi rendition="#fr">N.</hi></note>,</l><lb/> <l>Als ſie im Meer ſich gebadet, welches <hi rendition="#fr">Calabrien</hi> trennet</l><lb/> <l><note place="left">660</note>Von dem heiſern <hi rendition="#fr">Trinacriſchen</hi> Ufer; mehr ſcheußlichre folgen</l><lb/> <l>Nicht der naͤchtlichen Zauberinn nach, wenn heimlich beſchieden</l><lb/> <l>Durch die Luͤfte reitend ſie koͤmmt, indem der Geruch ſie</l><lb/> <l>Vom vergoßnen Kinderblut lockt, mit den Hexen von <hi rendition="#fr">Lapland</hi></l><lb/> <l>Froͤhliche Taͤnze zu ſchließen, indem der arbeitende Mond <note place="foot" n="f)">Die Alten glaubten, daß der<lb/> Mond durch zaubriſche Kuͤnſte ſehr<lb/> viel leiden koͤnne, und nannten daher<lb/> die Mondfinſterniſſen, <hi rendition="#aq">Labores lunae.</hi><lb/> Die drey vorhergehenden Zeilen ent-<lb/> halten einen kurzen Begriff von dem,<lb/> was man vor Alters noch glaubte,<lb/> und zu Miltons Zeiten nicht ſo laͤ-<lb/> cherlich war, wie itzo. <hi rendition="#fr">Richardſon.</hi></note> ſich</l><lb/> <l><note place="left">665</note>Unter ihrer Bezaubrung verdunkelt. Die andre Geſtalt ſtund,</l><lb/> <l>Wenn Geſtalt hieß, was keine hatte; woran man an Gliedern,</l><lb/> <l>Theilen, oder Gelenken, nichts unterſchied, oder wenn man</l><lb/> <l>Weſen dies nennen konnte, was nur ein Schatten ſchien; beydes</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Schien</fw><lb/> <cb/> <note xml:id="a17" prev="#a16" place="foot" n="d)">daß wir aber wuͤnſchen, die Perſonen<lb/> davon moͤchten in einem bibliſchen<lb/> Epiſchen Gedichte nicht ſolche Haupt-<lb/> perſonen ſeyn, wie die guten und boͤſen<lb/> Engel. <hi rendition="#fr">Z.</hi></note><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [78/0094]
Das verlohrne Paradies.
Rund um ihren mittleren Leib von hoͤlliſchen Hunden
Eine Schaar, unaufhoͤrlich, und laut, mit cerb’riſchen Maͤulern,
Ein erſchrecklich Geheul! Doch konnten ſie, wenn ſie es wollten,
Und in ihrem Geheul ſie etwas ſtoͤrte, zuruͤck ſich
Jn den Leib verkriechen, in welchem ſie lagen; und drinnen
Bellten, und heulten ſie fort, obgleich ungeſehen. Weit minder
Scheußlich waren die Hunde, die ehmals die Scylla geplaget e),
Als ſie im Meer ſich gebadet, welches Calabrien trennet
Von dem heiſern Trinacriſchen Ufer; mehr ſcheußlichre folgen
Nicht der naͤchtlichen Zauberinn nach, wenn heimlich beſchieden
Durch die Luͤfte reitend ſie koͤmmt, indem der Geruch ſie
Vom vergoßnen Kinderblut lockt, mit den Hexen von Lapland
Froͤhliche Taͤnze zu ſchließen, indem der arbeitende Mond f) ſich
Unter ihrer Bezaubrung verdunkelt. Die andre Geſtalt ſtund,
Wenn Geſtalt hieß, was keine hatte; woran man an Gliedern,
Theilen, oder Gelenken, nichts unterſchied, oder wenn man
Weſen dies nennen konnte, was nur ein Schatten ſchien; beydes
Schien
d)
e) Circe hatte den Theil der See
vergiftet, in welcher ſich Scylla zu ba-
den pflegte. Als ſie es das naͤchſtemal
hierauf that, wnrden ihre untern Thei-
le in Hunde verwandelt, in dem Meer,
welches Calabrien trennet von dem
heiſern trinacriſchen Ufer, das iſt, von
Sicilien, welches vor Alters Trinacria
hieß, von ſeinen drey Vorgebirgen, die
in Form eines Triangels lagen. Dies
Ufer kann mit Recht heiſer heißen,
nicht nur wegen der ſtuͤrmiſchen See,
die daran ſchlaͤgt, ſondern auch wegen
des Geraͤuſches, ſo der Aetna durch ſei-
nen Auswurf macht. N.
f) Die Alten glaubten, daß der
Mond durch zaubriſche Kuͤnſte ſehr
viel leiden koͤnne, und nannten daher
die Mondfinſterniſſen, Labores lunae.
Die drey vorhergehenden Zeilen ent-
halten einen kurzen Begriff von dem,
was man vor Alters noch glaubte,
und zu Miltons Zeiten nicht ſo laͤ-
cherlich war, wie itzo. Richardſon.
d) daß wir aber wuͤnſchen, die Perſonen
davon moͤchten in einem bibliſchen
Epiſchen Gedichte nicht ſolche Haupt-
perſonen ſeyn, wie die guten und boͤſen
Engel. Z.
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