Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Rühmlich habt ihr geurtheilt, und rühmlich, versammelte Götter,Habt ihr den langen Streit geendet; habt, euer würdig, Große Dinge beschlossen, die aus der niedrigsten Tiefe Noch einmal uns erheben werden, dem Schicksal zum Trutze, 400Näher zu unserm alten Sitz, vielleicht im Gesichte Dieser stralenden Grenzen, von da durch benachbarte Waffen, Und durch beglückten Ausfall, aufs neu in den Himmel zu kommen; Oder irgend in einem gemilderten Luftstriche, sicher, Nicht unbesucht vom schönen Lichte des Himmels, zu wohnen, 405Und die dunkelen Flecken am hellen östlichen Glanze Abzuspülen. Die sanfteren Lüfte sollen da Balsam Hauchen, die Narben von diesem verzehrenden Feuer zu heilen. Aber vor allem, wen sollen wir senden, wen sollen wir finden, Welcher tüchtig gnug sey, die neue Welt zu entdecken? 410Wer untersteht sich von uns, mit kühnen wandernden Füßen Jn den finstern, grundlosen, und unendlichen Abgrund Sich hinunter zu wagen, und mitten durchs fühlbare Dunkle Seinen seltsamen Weg zu finden, oder den Luftflug Ueber die weite Kluft mit unermüdeten Schwingen 415Zu verfolgen, bevor er zur glücklichen Jnsel [Spaltenumbruch] o) gelanget? Und welch eines Verwegenen Kunst oder Stärke vermag es, Wo ist ein Ausweg, welcher ihn sicher die häufigen Posten, Und die dicken Schaaren der wachsamen Engel hindurch bringt? Alle o) Die Erde, welche in einer See
von Luft hängt wie eine glückliche Jn- sel, oder Fortunateyland. Cicero de Nat. Deor. II. 66. nennt gleichfalls [Spaltenumbruch] die Erde quasi magnam quandam in- sulam, quam nos orbem terrae voca- mus. N. Das verlohrne Paradies. Ruͤhmlich habt ihr geurtheilt, und ruͤhmlich, verſammelte Goͤtter,Habt ihr den langen Streit geendet; habt, euer wuͤrdig, Große Dinge beſchloſſen, die aus der niedrigſten Tiefe Noch einmal uns erheben werden, dem Schickſal zum Trutze, 400Naͤher zu unſerm alten Sitz, vielleicht im Geſichte Dieſer ſtralenden Grenzen, von da durch benachbarte Waffen, Und durch begluͤckten Ausfall, aufs neu in den Himmel zu kommen; Oder irgend in einem gemilderten Luftſtriche, ſicher, Nicht unbeſucht vom ſchoͤnen Lichte des Himmels, zu wohnen, 405Und die dunkelen Flecken am hellen oͤſtlichen Glanze Abzuſpuͤlen. Die ſanfteren Luͤfte ſollen da Balſam Hauchen, die Narben von dieſem verzehrenden Feuer zu heilen. Aber vor allem, wen ſollen wir ſenden, wen ſollen wir finden, Welcher tuͤchtig gnug ſey, die neue Welt zu entdecken? 410Wer unterſteht ſich von uns, mit kuͤhnen wandernden Fuͤßen Jn den finſtern, grundloſen, und unendlichen Abgrund Sich hinunter zu wagen, und mitten durchs fuͤhlbare Dunkle Seinen ſeltſamen Weg zu finden, oder den Luftflug Ueber die weite Kluft mit unermuͤdeten Schwingen 415Zu verfolgen, bevor er zur gluͤcklichen Jnſel [Spaltenumbruch] o) gelanget? Und welch eines Verwegenen Kunſt oder Staͤrke vermag es, Wo iſt ein Ausweg, welcher ihn ſicher die haͤufigen Poſten, Und die dicken Schaaren der wachſamen Engel hindurch bringt? Alle o) Die Erde, welche in einer See
von Luft haͤngt wie eine gluͤckliche Jn- ſel, oder Fortunateyland. Cicero de Nat. Deor. II. 66. nennt gleichfalls [Spaltenumbruch] die Erde quaſi magnam quandam in- ſulam, quam nos orbem terrae voca- mus. N. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="9"> <pb facs="#f0080" n="64"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <l>Ruͤhmlich habt ihr geurtheilt, und ruͤhmlich, verſammelte Goͤtter,</l><lb/> <l>Habt ihr den langen Streit geendet; habt, euer wuͤrdig,</l><lb/> <l>Große Dinge beſchloſſen, die aus der niedrigſten Tiefe</l><lb/> <l>Noch einmal uns erheben werden, dem Schickſal zum Trutze,</l><lb/> <l><note place="left">400</note>Naͤher zu unſerm alten Sitz, vielleicht im Geſichte</l><lb/> <l>Dieſer ſtralenden Grenzen, von da durch benachbarte Waffen,</l><lb/> <l>Und durch begluͤckten Ausfall, aufs neu in den Himmel zu kommen;</l><lb/> <l>Oder irgend in einem gemilderten Luftſtriche, ſicher,</l><lb/> <l>Nicht unbeſucht vom ſchoͤnen Lichte des Himmels, zu wohnen,</l><lb/> <l><note place="left">405</note>Und die dunkelen Flecken am hellen oͤſtlichen Glanze</l><lb/> <l>Abzuſpuͤlen. Die ſanfteren Luͤfte ſollen da Balſam</l><lb/> <l>Hauchen, die Narben von dieſem verzehrenden Feuer zu heilen.</l><lb/> <l>Aber vor allem, wen ſollen wir ſenden, wen ſollen wir finden,</l><lb/> <l>Welcher tuͤchtig gnug ſey, die neue Welt zu entdecken?</l><lb/> <l><note place="left">410</note>Wer unterſteht ſich von uns, mit kuͤhnen wandernden Fuͤßen</l><lb/> <l>Jn den finſtern, grundloſen, und unendlichen Abgrund</l><lb/> <l>Sich hinunter zu wagen, und mitten durchs fuͤhlbare Dunkle</l><lb/> <l>Seinen ſeltſamen Weg zu finden, oder den Luftflug</l><lb/> <l>Ueber die weite Kluft mit unermuͤdeten Schwingen</l><lb/> <l><note place="left">415</note>Zu verfolgen, bevor er zur gluͤcklichen Jnſel <cb/> <note place="foot" n="o)">Die Erde, welche in einer See<lb/> von Luft haͤngt wie eine gluͤckliche Jn-<lb/> ſel, oder Fortunateyland. <hi rendition="#aq">Cicero de<lb/> Nat. Deor. II.</hi> 66. nennt gleichfalls<lb/><cb/> die Erde <hi rendition="#aq">quaſi magnam quandam in-<lb/> ſulam, quam nos orbem terrae voca-<lb/> mus.</hi> <hi rendition="#fr">N.</hi></note> gelanget?</l><lb/> <l>Und welch eines Verwegenen Kunſt oder Staͤrke vermag es,</l><lb/> <l>Wo iſt ein Ausweg, welcher ihn ſicher die haͤufigen Poſten,</l><lb/> <l>Und die dicken Schaaren der wachſamen Engel hindurch bringt?</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Alle</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [64/0080]
Das verlohrne Paradies.
Ruͤhmlich habt ihr geurtheilt, und ruͤhmlich, verſammelte Goͤtter,
Habt ihr den langen Streit geendet; habt, euer wuͤrdig,
Große Dinge beſchloſſen, die aus der niedrigſten Tiefe
Noch einmal uns erheben werden, dem Schickſal zum Trutze,
Naͤher zu unſerm alten Sitz, vielleicht im Geſichte
Dieſer ſtralenden Grenzen, von da durch benachbarte Waffen,
Und durch begluͤckten Ausfall, aufs neu in den Himmel zu kommen;
Oder irgend in einem gemilderten Luftſtriche, ſicher,
Nicht unbeſucht vom ſchoͤnen Lichte des Himmels, zu wohnen,
Und die dunkelen Flecken am hellen oͤſtlichen Glanze
Abzuſpuͤlen. Die ſanfteren Luͤfte ſollen da Balſam
Hauchen, die Narben von dieſem verzehrenden Feuer zu heilen.
Aber vor allem, wen ſollen wir ſenden, wen ſollen wir finden,
Welcher tuͤchtig gnug ſey, die neue Welt zu entdecken?
Wer unterſteht ſich von uns, mit kuͤhnen wandernden Fuͤßen
Jn den finſtern, grundloſen, und unendlichen Abgrund
Sich hinunter zu wagen, und mitten durchs fuͤhlbare Dunkle
Seinen ſeltſamen Weg zu finden, oder den Luftflug
Ueber die weite Kluft mit unermuͤdeten Schwingen
Zu verfolgen, bevor er zur gluͤcklichen Jnſel
o) gelanget?
Und welch eines Verwegenen Kunſt oder Staͤrke vermag es,
Wo iſt ein Ausweg, welcher ihn ſicher die haͤufigen Poſten,
Und die dicken Schaaren der wachſamen Engel hindurch bringt?
Alle
o) Die Erde, welche in einer See
von Luft haͤngt wie eine gluͤckliche Jn-
ſel, oder Fortunateyland. Cicero de
Nat. Deor. II. 66. nennt gleichfalls
die Erde quaſi magnam quandam in-
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