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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

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Das verlohrne Paradies.
Und zum festen Staate voll Ordnung ermahnet uns alles;
285Laßt uns denn überlegen, wie wir in guter Verfassung
Unser itziges Unglück verbessern; und laßt uns erwägen,
Was, und wo wir sind, und allen Gedanken zum Kriege
Laßt uns von nun an gänzlich entsagen -- Dies ists, was ich rathe.

So wie er schloß, durchlief die Versammlung ein heisres Gemurmel,
290Als wenn hohle Felsen k) den Schall der brausenden Winde,
[Spaltenumbruch]
Welche
Daß also in dem Fortgange der Be-
rathschlagung, der streitige Punkt
gänzlich verändert wird. Ob der Poet
dieses mit Vorsatz gethan, oder ob es
aus Unachtsamkeit geschehen, ist schwer
zu bestimmen. N.
k) Virgil vergleicht den Beyfall,
den die Versammlung der Götter, der
Rede der Juno gegeben, Aen. X, 96.
mit dem entstehenden Winde, und un-
ser Dichter mit dem Murmeln des
fallenden Windes;
-- cunctique fremebant
Coelicolae assensu vario; ceu fla-
mina prima
Cum deprensa fremunt sylvis, et
coeca volutant
Murmura, venturos nautis proden-
tia ventos.

-- Die Bewohner des Himmels
Rauschten ihr insgesamt Beyfall:
so wie die entstehenden Winde
Anfangs im Walde gefangen mur-
meln; mit heimlichem Sausen
Durch die Zweige sich wälzen, und
schon dem erfahrnen Seemann
Kommende Stürme verrathen.
Hume.
Das Verhalten beyder Poeten ist der
Sache gemäß. Die Absicht von der
[Spaltenumbruch] Rede der Juno war, die Versammlung
der Götter aufzubringen, und anzu-
flammen; Virgil vergleicht also die
Wirkung davon sehr geschickt mit dem
entstehenden Winde. Mammons Ab-
sicht aber war, die Versammlung zu
beruhigen, und zu besänftigen; und
Milton vergleicht also die Wirkung
davon eben so geschickt mit dem nach
einem Sturme fallenden Winde. Clau-
dian hat fast eben ein solches Gleich-
niß in seiner Beschreibung des hölli-
schen Reichstags. In Rufinum, I. 70.
-- ceu murmurat alti
Impacata quies pelagi, cum flami-
ne fracto
Durat adhuc, saevitque tumor, du-
biumque per aestum
Lassa recedentis fluitant vestigia
venti.

Und wie das sinkende Meltmeer
braust, wenn itzo die Wogen
Nach gebrochenem Sturme noch dau-
ren, und hoch gehn, und wüthen,
Und vom fallenden Winde weit über
die furchigte Fläche
Matte Fußtapfen wallen.
Noch in einigen andern kleinen Um-
ständen scheint unser Dichter die Ver-
sammlung

Das verlohrne Paradies.
Und zum feſten Staate voll Ordnung ermahnet uns alles;
285Laßt uns denn uͤberlegen, wie wir in guter Verfaſſung
Unſer itziges Ungluͤck verbeſſern; und laßt uns erwaͤgen,
Was, und wo wir ſind, und allen Gedanken zum Kriege
Laßt uns von nun an gaͤnzlich entſagen — Dies iſts, was ich rathe.

So wie er ſchloß, durchlief die Verſammlung ein heiſres Gemurmel,
290Als wenn hohle Felſen k) den Schall der brauſenden Winde,
[Spaltenumbruch]
Welche
Daß alſo in dem Fortgange der Be-
rathſchlagung, der ſtreitige Punkt
gaͤnzlich veraͤndert wird. Ob der Poet
dieſes mit Vorſatz gethan, oder ob es
aus Unachtſamkeit geſchehen, iſt ſchwer
zu beſtimmen. N.
k) Virgil vergleicht den Beyfall,
den die Verſammlung der Goͤtter, der
Rede der Juno gegeben, Aen. X, 96.
mit dem entſtehenden Winde, und un-
ſer Dichter mit dem Murmeln des
fallenden Windes;
cunctique fremebant
Coelicolae aſſenſu vario; ceu fla-
mina prima
Cum deprenſa fremunt ſylvis, et
coeca volutant
Murmura, venturos nautis proden-
tia ventos.

— Die Bewohner des Himmels
Rauſchten ihr insgeſamt Beyfall:
ſo wie die entſtehenden Winde
Anfangs im Walde gefangen mur-
meln; mit heimlichem Sauſen
Durch die Zweige ſich waͤlzen, und
ſchon dem erfahrnen Seemann
Kommende Stuͤrme verrathen.
Hume.
Das Verhalten beyder Poeten iſt der
Sache gemaͤß. Die Abſicht von der
[Spaltenumbruch] Rede der Juno war, die Verſammlung
der Goͤtter aufzubringen, und anzu-
flammen; Virgil vergleicht alſo die
Wirkung davon ſehr geſchickt mit dem
entſtehenden Winde. Mammons Ab-
ſicht aber war, die Verſammlung zu
beruhigen, und zu beſaͤnftigen; und
Milton vergleicht alſo die Wirkung
davon eben ſo geſchickt mit dem nach
einem Sturme fallenden Winde. Clau-
dian hat faſt eben ein ſolches Gleich-
niß in ſeiner Beſchreibung des hoͤlli-
ſchen Reichstags. In Rufinum, I. 70.
ceu murmurat alti
Impacata quies pelagi, cum flami-
ne fracto
Durat adhuc, ſaevitque tumor, du-
biumque per aeſtum
Laſſa recedentis fluitant veſtigia
venti.

Und wie das ſinkende Meltmeer
brauſt, wenn itzo die Wogen
Nach gebrochenem Sturme noch dau-
ren, und hoch gehn, und wuͤthen,
Und vom fallenden Winde weit uͤber
die furchigte Flaͤche
Matte Fußtapfen wallen.
Noch in einigen andern kleinen Um-
ſtaͤnden ſcheint unſer Dichter die Ver-
ſammlung
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[58/0074] Das verlohrne Paradies. Und zum feſten Staate voll Ordnung ermahnet uns alles; Laßt uns denn uͤberlegen, wie wir in guter Verfaſſung Unſer itziges Ungluͤck verbeſſern; und laßt uns erwaͤgen, Was, und wo wir ſind, und allen Gedanken zum Kriege Laßt uns von nun an gaͤnzlich entſagen — Dies iſts, was ich rathe. So wie er ſchloß, durchlief die Verſammlung ein heiſres Gemurmel, Als wenn hohle Felſen k) den Schall der brauſenden Winde, Welche i) k) Virgil vergleicht den Beyfall, den die Verſammlung der Goͤtter, der Rede der Juno gegeben, Aen. X, 96. mit dem entſtehenden Winde, und un- ſer Dichter mit dem Murmeln des fallenden Windes; — cunctique fremebant Coelicolae aſſenſu vario; ceu fla- mina prima Cum deprenſa fremunt ſylvis, et coeca volutant Murmura, venturos nautis proden- tia ventos. — Die Bewohner des Himmels Rauſchten ihr insgeſamt Beyfall: ſo wie die entſtehenden Winde Anfangs im Walde gefangen mur- meln; mit heimlichem Sauſen Durch die Zweige ſich waͤlzen, und ſchon dem erfahrnen Seemann Kommende Stuͤrme verrathen. Hume. Das Verhalten beyder Poeten iſt der Sache gemaͤß. Die Abſicht von der Rede der Juno war, die Verſammlung der Goͤtter aufzubringen, und anzu- flammen; Virgil vergleicht alſo die Wirkung davon ſehr geſchickt mit dem entſtehenden Winde. Mammons Ab- ſicht aber war, die Verſammlung zu beruhigen, und zu beſaͤnftigen; und Milton vergleicht alſo die Wirkung davon eben ſo geſchickt mit dem nach einem Sturme fallenden Winde. Clau- dian hat faſt eben ein ſolches Gleich- niß in ſeiner Beſchreibung des hoͤlli- ſchen Reichstags. In Rufinum, I. 70. — ceu murmurat alti Impacata quies pelagi, cum flami- ne fracto Durat adhuc, ſaevitque tumor, du- biumque per aeſtum Laſſa recedentis fluitant veſtigia venti. Und wie das ſinkende Meltmeer brauſt, wenn itzo die Wogen Nach gebrochenem Sturme noch dau- ren, und hoch gehn, und wuͤthen, Und vom fallenden Winde weit uͤber die furchigte Flaͤche Matte Fußtapfen wallen. Noch in einigen andern kleinen Um- ſtaͤnden ſcheint unſer Dichter die Ver- ſammlung i) Daß alſo in dem Fortgange der Be- rathſchlagung, der ſtreitige Punkt gaͤnzlich veraͤndert wird. Ob der Poet dieſes mit Vorſatz gethan, oder ob es aus Unachtſamkeit geſchehen, iſt ſchwer zu beſtimmen. N.

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/74>, abgerufen am 23.11.2024.