Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Jhm gegeben, so sicher er steht, mit beständigem Anfall105Zu erschüttern. Jst dieses nicht Sieg, so ist es doch Rache. Drohend endiget er, und seine Blicke verkünd'gen Rache voller Verzweiflung, und eine Schlacht voll Gefahren Allen geringern, als Götter. Mit einem mehr sittsamen Anstand, Und mit sanftern Geberden, erhub an der andern Seite 110Belial sich. Eine schönre Person verlohr nicht der Himmel; So gestaltet schien er zu erhabnen würdigen Thaten. Aber alles war leer und betriegrisch: So sehr auch die Zunge Manna träufelte; ob er auch gleich die verdächtigsten Gründe Jn die besten verwandeln konnte, die reifsten Entschlüsse 115Zu verwirren, und aufzuhalten; denn seine Gedanken Waren niedrig, zum Laster geschwind, doch zu edleren Thaten Furchtsam, und faul. Er wuste jedoch den Ohren zu schmeicheln, Und mit überredenden Worten begann er also: Jch auch würde zum offenen Kriege, versammelte Götter, 120Rathen, indem ich an Haß gewiß nicht der letzte bin, wenn nicht Eben der Hauptgrund, welcher uns soll zum Kriege bereden, Mich zum Gegentheile beredte, voll übeler Ahndung Ueber den ganzen Ausgang; weil der, so in Thaten des Krieges Es am höchsten gebracht, in dieses, was er uns anräth, 125Und worinn er all' übertrifft, ein Mistrauen setzet; Seinen muthgen Entschluß allein auf Verzweifelung gründet, Und auf eine letzte Zernichtung, den einzigen Endzweck Seiner
Das verlohrne Paradies. Jhm gegeben, ſo ſicher er ſteht, mit beſtaͤndigem Anfall105Zu erſchuͤttern. Jſt dieſes nicht Sieg, ſo iſt es doch Rache. Drohend endiget er, und ſeine Blicke verkuͤnd’gen Rache voller Verzweiflung, und eine Schlacht voll Gefahren Allen geringern, als Goͤtter. Mit einem mehr ſittſamen Anſtand, Und mit ſanftern Geberden, erhub an der andern Seite 110Belial ſich. Eine ſchoͤnre Perſon verlohr nicht der Himmel; So geſtaltet ſchien er zu erhabnen wuͤrdigen Thaten. Aber alles war leer und betriegriſch: So ſehr auch die Zunge Manna traͤufelte; ob er auch gleich die verdaͤchtigſten Gruͤnde Jn die beſten verwandeln konnte, die reifſten Entſchluͤſſe 115Zu verwirren, und aufzuhalten; denn ſeine Gedanken Waren niedrig, zum Laſter geſchwind, doch zu edleren Thaten Furchtſam, und faul. Er wuſte jedoch den Ohren zu ſchmeicheln, Und mit uͤberredenden Worten begann er alſo: Jch auch wuͤrde zum offenen Kriege, verſammelte Goͤtter, 120Rathen, indem ich an Haß gewiß nicht der letzte bin, wenn nicht Eben der Hauptgrund, welcher uns ſoll zum Kriege bereden, Mich zum Gegentheile beredte, voll uͤbeler Ahndung Ueber den ganzen Ausgang; weil der, ſo in Thaten des Krieges Es am hoͤchſten gebracht, in dieſes, was er uns anraͤth, 125Und worinn er all’ uͤbertrifft, ein Mistrauen ſetzet; Seinen muthgen Entſchluß allein auf Verzweifelung gruͤndet, Und auf eine letzte Zernichtung, den einzigen Endzweck Seiner
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Das verlohrne Paradies.
Jhm gegeben, ſo ſicher er ſteht, mit beſtaͤndigem Anfall
Zu erſchuͤttern. Jſt dieſes nicht Sieg, ſo iſt es doch Rache.
Drohend endiget er, und ſeine Blicke verkuͤnd’gen
Rache voller Verzweiflung, und eine Schlacht voll Gefahren
Allen geringern, als Goͤtter. Mit einem mehr ſittſamen Anſtand,
Und mit ſanftern Geberden, erhub an der andern Seite
Belial ſich. Eine ſchoͤnre Perſon verlohr nicht der Himmel;
So geſtaltet ſchien er zu erhabnen wuͤrdigen Thaten.
Aber alles war leer und betriegriſch: So ſehr auch die Zunge
Manna traͤufelte; ob er auch gleich die verdaͤchtigſten Gruͤnde
Jn die beſten verwandeln konnte, die reifſten Entſchluͤſſe
Zu verwirren, und aufzuhalten; denn ſeine Gedanken
Waren niedrig, zum Laſter geſchwind, doch zu edleren Thaten
Furchtſam, und faul. Er wuſte jedoch den Ohren zu ſchmeicheln,
Und mit uͤberredenden Worten begann er alſo:
Jch auch wuͤrde zum offenen Kriege, verſammelte Goͤtter,
Rathen, indem ich an Haß gewiß nicht der letzte bin, wenn nicht
Eben der Hauptgrund, welcher uns ſoll zum Kriege bereden,
Mich zum Gegentheile beredte, voll uͤbeler Ahndung
Ueber den ganzen Ausgang; weil der, ſo in Thaten des Krieges
Es am hoͤchſten gebracht, in dieſes, was er uns anraͤth,
Und worinn er all’ uͤbertrifft, ein Mistrauen ſetzet;
Seinen muthgen Entſchluß allein auf Verzweifelung gruͤndet,
Und auf eine letzte Zernichtung, den einzigen Endzweck
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