Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Würd' auch das ganze Riesengeschlecht von Phlegra zu ihnen,Mit dem Heldengeschlechte gestellt, die ehmals vor Thebe, Und vor Jlium fochten, auf jeder Seite vermischet 570Mit den helfenden Göttern; und alles, was sonst noch in Fabeln Oder Romanen berühmt ist, von Uthers Sohne, begleitet Von Armorschen und Brittischen Rittern, und allen, die nachmals, Ungläubig, oder getauft, in Aspramont Waffen geführet, Und in Montalban, zu Damaskus, oder Marocco, 575Und zu Trapezunt, und die noch Biserta gesendet, Von den Afrikanischen Ufern, als Carl der Große Bey Fontarabbia fiel, mit allen Fürsten und Rittern; So überstieg dies Heer jedwede sterbliche Kriegsmacht, Und doch sah es auf seinen furchtbaren Führer. Er stand itzt 580Einem Thurm gleich, und ragete stolz an Gestalt und Betragen z) [Spaltenumbruch] Ueber bey Fontarabbia fiel mit allen Fürsten und Rittern. Milton nimmt näm- lich, nach dem Mariana, und an- dern spanischen Schriftstellern an, daß dieser Kayser auf solche Art gefallen. Mezeray aber, und andre f anzösi- sche Schriftsteller, haben gezeigt, daß er zuletzt über seine Feinde gesiegt, und in Frieden gestorben. Man kann die- se ganze Stelle, mit dem D. Bentley nicht als untergeschoben verwerfen; doch wäre zu wünschen, daß unser Dichter seinem Geschmack an Roma- nen nicht so nachgehangen, auf die er in seiner Jugend, wie er selbst gesteht, sehr hitzig gewesen, und nicht mit ei- ner Belesenheit in Büchern hätte Staat machen wollen, die vielleicht besser [Spaltenumbruch] gar nicht hätten gelesen werden sol- len. N. z) Welch eine edle Beschreibung
von Satans Person! Und wie unter- schieden ist sie von der gewöhnlichen lächerlichen Vorstellung derselben mit Hörnern, Schwanz, und Klauen. Und doch hat ihn selbst Taßo so beschrieben. Die größten Mahler hatten nicht so erhabene Jdeen, als Milton, wie je- der gestehen muß, der die Gemählde und Kupferstiche Michaels und des Teufels, vom Raphael oder Gvido, oder das Weltgericht vom Michael Angelo gesehn. N. Die Jtaliäner scheinen an diese erniedrigenden Vorstellungen Satans, mit Hörnern, Schwanz, und Klauen so Das verlohrne Paradies. Wuͤrd’ auch das ganze Rieſengeſchlecht von Phlegra zu ihnen,Mit dem Heldengeſchlechte geſtellt, die ehmals vor Thebe, Und vor Jlium fochten, auf jeder Seite vermiſchet 570Mit den helfenden Goͤttern; und alles, was ſonſt noch in Fabeln Oder Romanen beruͤhmt iſt, von Uthers Sohne, begleitet Von Armorſchen und Brittiſchen Rittern, und allen, die nachmals, Unglaͤubig, oder getauft, in Aspramont Waffen gefuͤhret, Und in Montalban, zu Damaskus, oder Marocco, 575Und zu Trapezunt, und die noch Biſerta geſendet, Von den Afrikaniſchen Ufern, als Carl der Große Bey Fontarabbia fiel, mit allen Fuͤrſten und Rittern; So uͤberſtieg dies Heer jedwede ſterbliche Kriegsmacht, Und doch ſah es auf ſeinen furchtbaren Fuͤhrer. Er ſtand itzt 580Einem Thurm gleich, und ragete ſtolz an Geſtalt und Betragen z) [Spaltenumbruch] Ueber bey Fontarabbia fiel mit allen Fuͤrſten und Rittern. Milton nimmt naͤm- lich, nach dem Mariana, und an- dern ſpaniſchen Schriftſtellern an, daß dieſer Kayſer auf ſolche Art gefallen. Mezeray aber, und andre f anzoͤſi- ſche Schriftſteller, haben gezeigt, daß er zuletzt uͤber ſeine Feinde geſiegt, und in Frieden geſtorben. Man kann die- ſe ganze Stelle, mit dem D. Bentley nicht als untergeſchoben verwerfen; doch waͤre zu wuͤnſchen, daß unſer Dichter ſeinem Geſchmack an Roma- nen nicht ſo nachgehangen, auf die er in ſeiner Jugend, wie er ſelbſt geſteht, ſehr hitzig geweſen, und nicht mit ei- ner Beleſenheit in Buͤchern haͤtte Staat machen wollen, die vielleicht beſſer [Spaltenumbruch] gar nicht haͤtten geleſen werden ſol- len. N. z) Welch eine edle Beſchreibung
von Satans Perſon! Und wie unter- ſchieden iſt ſie von der gewoͤhnlichen laͤcherlichen Vorſtellung derſelben mit Hoͤrnern, Schwanz, und Klauen. Und doch hat ihn ſelbſt Taßo ſo beſchrieben. Die groͤßten Mahler hatten nicht ſo erhabene Jdeen, als Milton, wie je- der geſtehen muß, der die Gemaͤhlde und Kupferſtiche Michaels und des Teufels, vom Raphael oder Gvido, oder das Weltgericht vom Michael Angelo geſehn. N. Die Jtaliaͤner ſcheinen an dieſe erniedrigenden Vorſtellungen Satans, mit Hoͤrnern, Schwanz, und Klauen ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="16"> <pb facs="#f0046" n="32"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <l>Wuͤrd’ auch das ganze Rieſengeſchlecht von <hi rendition="#fr">Phlegra</hi> zu ihnen,</l><lb/> <l>Mit dem Heldengeſchlechte geſtellt, die ehmals vor <hi rendition="#fr">Thebe,</hi></l><lb/> <l>Und vor <hi rendition="#fr">Jlium</hi> fochten, auf jeder Seite vermiſchet</l><lb/> <l><note place="left">570</note>Mit den helfenden Goͤttern; und alles, was ſonſt noch in Fabeln</l><lb/> <l>Oder Romanen beruͤhmt iſt, von <hi rendition="#fr">Uthers</hi> Sohne, begleitet</l><lb/> <l>Von <hi rendition="#fr">Armorſchen</hi> und <hi rendition="#fr">Brittiſchen</hi> Rittern, und allen, die nachmals,</l><lb/> <l>Unglaͤubig, oder getauft, in <hi rendition="#fr">Aspramont</hi> Waffen gefuͤhret,</l><lb/> <l>Und in <hi rendition="#fr">Montalban,</hi> zu <hi rendition="#fr">Damaskus,</hi> oder <hi rendition="#fr">Marocco,</hi></l><lb/> <l><note place="left">575</note>Und zu <hi rendition="#fr">Trapezunt,</hi> und die noch <hi rendition="#fr">Biſerta</hi> geſendet,</l><lb/> <l>Von den <hi rendition="#fr">Afrikaniſchen</hi> Ufern, als <hi rendition="#fr">Carl der Große</hi></l><lb/> <l>Bey <hi rendition="#fr">Fontarabbia</hi> fiel, mit allen Fuͤrſten und Rittern;</l><lb/> <l>So uͤberſtieg dies Heer jedwede ſterbliche Kriegsmacht,</l><lb/> <l>Und doch ſah es auf ſeinen furchtbaren Fuͤhrer. Er ſtand itzt</l><lb/> <l><note place="left">580</note>Einem Thurm gleich, und ragete ſtolz an Geſtalt und Betragen <note xml:id="z01" next="#z02" place="foot" n="z)">Welch eine edle Beſchreibung<lb/> von Satans Perſon! Und wie unter-<lb/> ſchieden iſt ſie von der gewoͤhnlichen<lb/> laͤcherlichen Vorſtellung derſelben mit<lb/> Hoͤrnern, Schwanz, und Klauen. Und<lb/> doch hat ihn ſelbſt Taßo ſo beſchrieben.<lb/> Die groͤßten Mahler hatten nicht ſo<lb/> erhabene Jdeen, als Milton, wie je-<lb/> der geſtehen muß, der die Gemaͤhlde<lb/> und Kupferſtiche Michaels und des<lb/> Teufels, vom <hi rendition="#fr">Raphael</hi> oder <hi rendition="#fr">Gvido,</hi><lb/> oder das Weltgericht vom <hi rendition="#fr">Michael<lb/> Angelo</hi> geſehn. <hi rendition="#fr">N.</hi><lb/> Die Jtaliaͤner ſcheinen an dieſe<lb/> erniedrigenden Vorſtellungen Satans,<lb/> mit Hoͤrnern, Schwanz, und Klauen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſo</fw></note><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ueber</fw><lb/><cb/> <note xml:id="y02" prev="#y01" place="foot" n="y)">bey Fontarabbia fiel mit allen Fuͤrſten<lb/> und Rittern. Milton nimmt naͤm-<lb/> lich, nach dem <hi rendition="#fr">Mariana,</hi> und an-<lb/> dern ſpaniſchen Schriftſtellern an, daß<lb/> dieſer Kayſer auf ſolche Art gefallen.<lb/><hi rendition="#fr">Mezeray</hi> aber, und andre f anzoͤſi-<lb/> ſche Schriftſteller, haben gezeigt, daß<lb/> er zuletzt uͤber ſeine Feinde geſiegt, und<lb/> in Frieden geſtorben. Man kann die-<lb/> ſe ganze Stelle, mit dem D. Bentley<lb/> nicht als untergeſchoben verwerfen;<lb/> doch waͤre zu wuͤnſchen, daß unſer<lb/> Dichter ſeinem Geſchmack an Roma-<lb/> nen nicht ſo nachgehangen, auf die er<lb/> in ſeiner Jugend, wie er ſelbſt geſteht,<lb/> ſehr hitzig geweſen, und nicht mit ei-<lb/> ner Beleſenheit in Buͤchern haͤtte Staat<lb/> machen wollen, die vielleicht beſſer<lb/><cb/> gar nicht haͤtten geleſen werden ſol-<lb/> len. <hi rendition="#fr">N.</hi></note></l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [32/0046]
Das verlohrne Paradies.
Wuͤrd’ auch das ganze Rieſengeſchlecht von Phlegra zu ihnen,
Mit dem Heldengeſchlechte geſtellt, die ehmals vor Thebe,
Und vor Jlium fochten, auf jeder Seite vermiſchet
Mit den helfenden Goͤttern; und alles, was ſonſt noch in Fabeln
Oder Romanen beruͤhmt iſt, von Uthers Sohne, begleitet
Von Armorſchen und Brittiſchen Rittern, und allen, die nachmals,
Unglaͤubig, oder getauft, in Aspramont Waffen gefuͤhret,
Und in Montalban, zu Damaskus, oder Marocco,
Und zu Trapezunt, und die noch Biſerta geſendet,
Von den Afrikaniſchen Ufern, als Carl der Große
Bey Fontarabbia fiel, mit allen Fuͤrſten und Rittern;
So uͤberſtieg dies Heer jedwede ſterbliche Kriegsmacht,
Und doch ſah es auf ſeinen furchtbaren Fuͤhrer. Er ſtand itzt
Einem Thurm gleich, und ragete ſtolz an Geſtalt und Betragen z)
Ueber
y)
z) Welch eine edle Beſchreibung
von Satans Perſon! Und wie unter-
ſchieden iſt ſie von der gewoͤhnlichen
laͤcherlichen Vorſtellung derſelben mit
Hoͤrnern, Schwanz, und Klauen. Und
doch hat ihn ſelbſt Taßo ſo beſchrieben.
Die groͤßten Mahler hatten nicht ſo
erhabene Jdeen, als Milton, wie je-
der geſtehen muß, der die Gemaͤhlde
und Kupferſtiche Michaels und des
Teufels, vom Raphael oder Gvido,
oder das Weltgericht vom Michael
Angelo geſehn. N.
Die Jtaliaͤner ſcheinen an dieſe
erniedrigenden Vorſtellungen Satans,
mit Hoͤrnern, Schwanz, und Klauen
ſo
y) bey Fontarabbia fiel mit allen Fuͤrſten
und Rittern. Milton nimmt naͤm-
lich, nach dem Mariana, und an-
dern ſpaniſchen Schriftſtellern an, daß
dieſer Kayſer auf ſolche Art gefallen.
Mezeray aber, und andre f anzoͤſi-
ſche Schriftſteller, haben gezeigt, daß
er zuletzt uͤber ſeine Feinde geſiegt, und
in Frieden geſtorben. Man kann die-
ſe ganze Stelle, mit dem D. Bentley
nicht als untergeſchoben verwerfen;
doch waͤre zu wuͤnſchen, daß unſer
Dichter ſeinem Geſchmack an Roma-
nen nicht ſo nachgehangen, auf die er
in ſeiner Jugend, wie er ſelbſt geſteht,
ſehr hitzig geweſen, und nicht mit ei-
ner Beleſenheit in Buͤchern haͤtte Staat
machen wollen, die vielleicht beſſer
gar nicht haͤtten geleſen werden ſol-
len. N.
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