Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Erster Gesang.
Auf dem brennenden Boden bezaubert wurden; und itzo,
Völlig herangenaht, standen sie da, in gräulicher Fronte
555Von entsetzlicher Länge, mit hellen schimmernden Waffen,
Nach des Alterthums Art, mit Schilden und Spießen versehen,
Und erwarteten so des mächtigen Hauptes Befehle.
Dieser schoß den erfahrnen Blick durch der Schlachtordnung Reihen,
Uebersah die gehörige Stellung des sämmtlichen Heeres;
560Sah ihr Gesicht, und ihre Gestalt, gleich Gestalten der Götter,
Und zuletzt überzählt er sie alle. Da schwoll ihm voll Hochmuth
Sein verhärtetes Herz; auf seine Macht sich verlassend,
Jauchzt er in seinem Muth. Denn seit der Erschaffung der Menschen
War nie solch ein zahlreiches Heer vereiniget worden,
565Welches mit dieser Kriegsmacht verglichen, größer geschienen,
Als das kleine Fußvolk mit dem die Kraniche kriegten [Spaltenumbruch] y);

Würd'
y) Alle Helden, und Kriegsheere
die jemals versammelt worden, waren
nichts anders, als Zwerge, in Ver-
gleichung mit diesen Engeln, würde
auch das ganze Riesengeschlecht von
Phlegra, einer macedonischen Stadt,
wo die Riesen mit den Göttern foch-
ten, zu ihnen gestellt, mit dem Helden,
geschlecht, so ehmals vor Thebe ge-
fochten, einer Stadt in Böotien, die
wegen des Krieges zwischen den Söh-
nen des Oedipus berühmt ist, welchen
Statius in seiner Thebais besungen;
und vor Jlium, oder Troja, welches
durch Homers Jliade noch berühmter
geworden, wo auf jeder Seite die Hel-
den von Göttern unterstützt wurden;
und was in Fabeln, oder Romanen
[Spaltenumbruch] berühmt ist, von Uthers Sohne,
dem König Arthur, welcher oft von
Brittischen und Armorischen Rittern
begleitet ward, denn er stand oft in
Bündniß mit dem König von Armo-
rica,
welches, nachdem sich die Brit-
ten daselbst gesetzt, Bretagne hieß;
und allen die nachmals in Aspramont,
und Montalban Waffen geführt,
Romanennamen von Oertern, die im
Orlando furioso vorkommen, oder zu
Damasko, Marokko, und Trapezunt,
alles Namen, die in Romanen berühmt
sind; Oder die noch Biserta, ehmals
Utica, von den Afrikanischen Ufern
sandte, welches die Saracenen sind,
die von Biserta in Afrika nach Spa-
nien übergiengen; als Carl der Große
bey

Erſter Geſang.
Auf dem brennenden Boden bezaubert wurden; und itzo,
Voͤllig herangenaht, ſtanden ſie da, in graͤulicher Fronte
555Von entſetzlicher Laͤnge, mit hellen ſchimmernden Waffen,
Nach des Alterthums Art, mit Schilden und Spießen verſehen,
Und erwarteten ſo des maͤchtigen Hauptes Befehle.
Dieſer ſchoß den erfahrnen Blick durch der Schlachtordnung Reihen,
Ueberſah die gehoͤrige Stellung des ſaͤmmtlichen Heeres;
560Sah ihr Geſicht, und ihre Geſtalt, gleich Geſtalten der Goͤtter,
Und zuletzt uͤberzaͤhlt er ſie alle. Da ſchwoll ihm voll Hochmuth
Sein verhaͤrtetes Herz; auf ſeine Macht ſich verlaſſend,
Jauchzt er in ſeinem Muth. Denn ſeit der Erſchaffung der Menſchen
War nie ſolch ein zahlreiches Heer vereiniget worden,
565Welches mit dieſer Kriegsmacht verglichen, groͤßer geſchienen,
Als das kleine Fußvolk mit dem die Kraniche kriegten [Spaltenumbruch] y);

Wuͤrd’
y) Alle Helden, und Kriegsheere
die jemals verſammelt worden, waren
nichts anders, als Zwerge, in Ver-
gleichung mit dieſen Engeln, wuͤrde
auch das ganze Rieſengeſchlecht von
Phlegra, einer macedoniſchen Stadt,
wo die Rieſen mit den Goͤttern foch-
ten, zu ihnen geſtellt, mit dem Helden,
geſchlecht, ſo ehmals vor Thebe ge-
fochten, einer Stadt in Böotien, die
wegen des Krieges zwiſchen den Soͤh-
nen des Oedipus beruͤhmt iſt, welchen
Statius in ſeiner Thebais beſungen;
und vor Jlium, oder Troja, welches
durch Homers Jliade noch beruͤhmter
geworden, wo auf jeder Seite die Hel-
den von Goͤttern unterſtuͤtzt wurden;
und was in Fabeln, oder Romanen
[Spaltenumbruch] beruͤhmt iſt, von Uthers Sohne,
dem Koͤnig Arthur, welcher oft von
Brittiſchen und Armoriſchen Rittern
begleitet ward, denn er ſtand oft in
Buͤndniß mit dem Koͤnig von Armo-
rica,
welches, nachdem ſich die Brit-
ten daſelbſt geſetzt, Bretagne hieß;
und allen die nachmals in Aspramont,
und Montalban Waffen gefuͤhrt,
Romanennamen von Oertern, die im
Orlando furioſo vorkommen, oder zu
Damasko, Marokko, und Trapezunt,
alles Namen, die in Romanen beruͤhmt
ſind; Oder die noch Biſerta, ehmals
Utica, von den Afrikaniſchen Ufern
ſandte, welches die Saracenen ſind,
die von Biſerta in Afrika nach Spa-
nien uͤbergiengen; als Carl der Große
bey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="16">
            <pb facs="#f0045" n="31"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;ter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
            <l>Auf dem brennenden Boden bezaubert wurden; und itzo,</l><lb/>
            <l>Vo&#x0364;llig herangenaht, &#x017F;tanden &#x017F;ie da, in gra&#x0364;ulicher Fronte</l><lb/>
            <l><note place="left">555</note>Von ent&#x017F;etzlicher La&#x0364;nge, mit hellen &#x017F;chimmernden Waffen,</l><lb/>
            <l>Nach des Alterthums Art, mit Schilden und Spießen ver&#x017F;ehen,</l><lb/>
            <l>Und erwarteten &#x017F;o des ma&#x0364;chtigen Hauptes Befehle.</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;er &#x017F;choß den erfahrnen Blick durch der Schlachtordnung Reihen,</l><lb/>
            <l>Ueber&#x017F;ah die geho&#x0364;rige Stellung des &#x017F;a&#x0364;mmtlichen Heeres;</l><lb/>
            <l><note place="left">560</note>Sah ihr Ge&#x017F;icht, und ihre Ge&#x017F;talt, gleich Ge&#x017F;talten der Go&#x0364;tter,</l><lb/>
            <l>Und zuletzt u&#x0364;berza&#x0364;hlt er &#x017F;ie alle. Da &#x017F;chwoll ihm voll Hochmuth</l><lb/>
            <l>Sein verha&#x0364;rtetes Herz; auf &#x017F;eine Macht &#x017F;ich verla&#x017F;&#x017F;end,</l><lb/>
            <l>Jauchzt er in &#x017F;einem Muth. Denn &#x017F;eit der Er&#x017F;chaffung der Men&#x017F;chen</l><lb/>
            <l>War nie &#x017F;olch ein zahlreiches Heer vereiniget worden,</l><lb/>
            <l><note place="left">565</note>Welches mit die&#x017F;er Kriegsmacht verglichen, gro&#x0364;ßer ge&#x017F;chienen,</l><lb/>
            <l>Als das kleine Fußvolk mit dem die Kraniche kriegten <cb/>
<note xml:id="y01" next="#y02" place="foot" n="y)">Alle Helden, und Kriegsheere<lb/>
die jemals ver&#x017F;ammelt worden, waren<lb/>
nichts anders, als Zwerge, in Ver-<lb/>
gleichung mit die&#x017F;en Engeln, wu&#x0364;rde<lb/>
auch das ganze Rie&#x017F;enge&#x017F;chlecht von<lb/><hi rendition="#fr">Phlegra,</hi> einer macedoni&#x017F;chen Stadt,<lb/>
wo die Rie&#x017F;en mit den Go&#x0364;ttern foch-<lb/>
ten, zu ihnen ge&#x017F;tellt, mit dem Helden,<lb/>
ge&#x017F;chlecht, &#x017F;o ehmals vor <hi rendition="#fr">Thebe</hi> ge-<lb/>
fochten, einer Stadt in <hi rendition="#fr">Böotien,</hi> die<lb/>
wegen des Krieges zwi&#x017F;chen den So&#x0364;h-<lb/>
nen des Oedipus beru&#x0364;hmt i&#x017F;t, welchen<lb/>
Statius in &#x017F;einer Thebais be&#x017F;ungen;<lb/>
und vor <hi rendition="#fr">Jlium,</hi> oder Troja, welches<lb/>
durch Homers Jliade noch beru&#x0364;hmter<lb/>
geworden, wo auf jeder Seite die Hel-<lb/>
den von Go&#x0364;ttern unter&#x017F;tu&#x0364;tzt wurden;<lb/>
und was in Fabeln, oder Romanen<lb/><cb/>
beru&#x0364;hmt i&#x017F;t, von <hi rendition="#fr">Uthers</hi> Sohne,<lb/>
dem Ko&#x0364;nig <hi rendition="#fr">Arthur,</hi> welcher oft von<lb/>
Britti&#x017F;chen und Armori&#x017F;chen Rittern<lb/>
begleitet ward, denn er &#x017F;tand oft in<lb/>
Bu&#x0364;ndniß mit dem Ko&#x0364;nig von <hi rendition="#fr">Armo-<lb/>
rica,</hi> welches, nachdem &#x017F;ich die Brit-<lb/>
ten da&#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;etzt, <hi rendition="#fr">Bretagne</hi> hieß;<lb/>
und allen die nachmals in Aspramont,<lb/>
und <hi rendition="#fr">Montalban</hi> Waffen gefu&#x0364;hrt,<lb/>
Romanennamen von Oertern, die im<lb/><hi rendition="#aq">Orlando furio&#x017F;o</hi> vorkommen, oder zu<lb/>
Damasko, Marokko, und Trapezunt,<lb/>
alles Namen, die in Romanen beru&#x0364;hmt<lb/>
&#x017F;ind; Oder die noch <hi rendition="#fr">Bi&#x017F;erta,</hi> ehmals<lb/><hi rendition="#aq">Utica,</hi> von den Afrikani&#x017F;chen Ufern<lb/>
&#x017F;andte, welches die Saracenen &#x017F;ind,<lb/>
die von Bi&#x017F;erta in Afrika nach Spa-<lb/>
nien u&#x0364;bergiengen; als <hi rendition="#fr">Carl der Große</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bey</fw></note>;</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Wu&#x0364;rd&#x2019;</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0045] Erſter Geſang. Auf dem brennenden Boden bezaubert wurden; und itzo, Voͤllig herangenaht, ſtanden ſie da, in graͤulicher Fronte Von entſetzlicher Laͤnge, mit hellen ſchimmernden Waffen, Nach des Alterthums Art, mit Schilden und Spießen verſehen, Und erwarteten ſo des maͤchtigen Hauptes Befehle. Dieſer ſchoß den erfahrnen Blick durch der Schlachtordnung Reihen, Ueberſah die gehoͤrige Stellung des ſaͤmmtlichen Heeres; Sah ihr Geſicht, und ihre Geſtalt, gleich Geſtalten der Goͤtter, Und zuletzt uͤberzaͤhlt er ſie alle. Da ſchwoll ihm voll Hochmuth Sein verhaͤrtetes Herz; auf ſeine Macht ſich verlaſſend, Jauchzt er in ſeinem Muth. Denn ſeit der Erſchaffung der Menſchen War nie ſolch ein zahlreiches Heer vereiniget worden, Welches mit dieſer Kriegsmacht verglichen, groͤßer geſchienen, Als das kleine Fußvolk mit dem die Kraniche kriegten y); Wuͤrd’ y) Alle Helden, und Kriegsheere die jemals verſammelt worden, waren nichts anders, als Zwerge, in Ver- gleichung mit dieſen Engeln, wuͤrde auch das ganze Rieſengeſchlecht von Phlegra, einer macedoniſchen Stadt, wo die Rieſen mit den Goͤttern foch- ten, zu ihnen geſtellt, mit dem Helden, geſchlecht, ſo ehmals vor Thebe ge- fochten, einer Stadt in Böotien, die wegen des Krieges zwiſchen den Soͤh- nen des Oedipus beruͤhmt iſt, welchen Statius in ſeiner Thebais beſungen; und vor Jlium, oder Troja, welches durch Homers Jliade noch beruͤhmter geworden, wo auf jeder Seite die Hel- den von Goͤttern unterſtuͤtzt wurden; und was in Fabeln, oder Romanen beruͤhmt iſt, von Uthers Sohne, dem Koͤnig Arthur, welcher oft von Brittiſchen und Armoriſchen Rittern begleitet ward, denn er ſtand oft in Buͤndniß mit dem Koͤnig von Armo- rica, welches, nachdem ſich die Brit- ten daſelbſt geſetzt, Bretagne hieß; und allen die nachmals in Aspramont, und Montalban Waffen gefuͤhrt, Romanennamen von Oertern, die im Orlando furioſo vorkommen, oder zu Damasko, Marokko, und Trapezunt, alles Namen, die in Romanen beruͤhmt ſind; Oder die noch Biſerta, ehmals Utica, von den Afrikaniſchen Ufern ſandte, welches die Saracenen ſind, die von Biſerta in Afrika nach Spa- nien uͤbergiengen; als Carl der Große bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/45
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/45>, abgerufen am 24.11.2024.