Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Da indeß aus dem klingenden Erzte kriegrische TöneSchallten; worunter das sämmtliche Heer ein Feldgeschrey machte, Daß der Hölle Gewölber erbebten, und draußen die Reiche Von der alten Nacht, und dem Chaos, darob sich entsetzten. 535Plötzlich stiegen in düsterm Licht zehntausend Paniere Jn die Luft auf, und stralten mit hellen Farben des Aufgangs; Und zugleich stieg ein schrecklicher Wald auf von glänzenden Spießen; Helme, dicht an einander gedrängt, und geschlossene Schilde, Sah man in dichter Schlachtordnung stehn, unermeßlich an Tiefe. 540Und nun zogen sie fort in einem vollkommenen Phalanx, Nach der Dorischen Tonart [Spaltenumbruch] x) von Flöten, und anmuthgen Pfeifen; So wie sie ehmals des Alterthums Helden zum höhesten Grade Edler Grosmuth erhaben, wenn sie zur Schlacht sich gewaffnet, Und statt rasender Kühnheit mit festem Muth sie begeistert; 545Welche die Furcht des Todes zu keinem Fliehen bewogen, Noch zum schändlichen Abzug; jedoch mit der Kraft auch begabet, Die empörten Gedanken mit festlichem Klange zu stillen, Und von sterblichen Seelen sowohl, als unsterblichen, Kummer, Zweifelmuth, Furcht, und Angst, und Schmerzen, und Pein zu verjagen. 550Also athmeten sie vereinte Macht, mit gesetzten Festen Gedanken, und rückten stillschweigend heran, nach dem Schalle Sanft ertönender Flöten, wodurch die peinvollen Schritte Auf x) Wir haben von der Musik der
Alten nur sehr ungewisse und ver- wirrte Begriffe. Es scheint, daß sie drey Haupttonarten gehabt; die Ly- dische, Phrygische, und Dorische. [Spaltenumbruch] Die Lydische war die traurigste, die Phrygische, die munterste, und die Dorische die ernsthafteste, |und ma- jestätischte. Das verlohrne Paradies. Da indeß aus dem klingenden Erzte kriegriſche ToͤneSchallten; worunter das ſaͤmmtliche Heer ein Feldgeſchrey machte, Daß der Hoͤlle Gewoͤlber erbebten, und draußen die Reiche Von der alten Nacht, und dem Chaos, darob ſich entſetzten. 535Ploͤtzlich ſtiegen in duͤſterm Licht zehntauſend Paniere Jn die Luft auf, und ſtralten mit hellen Farben des Aufgangs; Und zugleich ſtieg ein ſchrecklicher Wald auf von glaͤnzenden Spießen; Helme, dicht an einander gedraͤngt, und geſchloſſene Schilde, Sah man in dichter Schlachtordnung ſtehn, unermeßlich an Tiefe. 540Und nun zogen ſie fort in einem vollkommenen Phalanx, Nach der Doriſchen Tonart [Spaltenumbruch] x) von Floͤten, und anmuthgen Pfeifen; So wie ſie ehmals des Alterthums Helden zum hoͤheſten Grade Edler Grosmuth erhaben, wenn ſie zur Schlacht ſich gewaffnet, Und ſtatt raſender Kuͤhnheit mit feſtem Muth ſie begeiſtert; 545Welche die Furcht des Todes zu keinem Fliehen bewogen, Noch zum ſchaͤndlichen Abzug; jedoch mit der Kraft auch begabet, Die empoͤrten Gedanken mit feſtlichem Klange zu ſtillen, Und von ſterblichen Seelen ſowohl, als unſterblichen, Kummer, Zweifelmuth, Furcht, und Angſt, und Schmerzen, und Pein zu verjagen. 550Alſo athmeten ſie vereinte Macht, mit geſetzten Feſten Gedanken, und ruͤckten ſtillſchweigend heran, nach dem Schalle Sanft ertoͤnender Floͤten, wodurch die peinvollen Schritte Auf x) Wir haben von der Muſik der
Alten nur ſehr ungewiſſe und ver- wirrte Begriffe. Es ſcheint, daß ſie drey Haupttonarten gehabt; die Ly- diſche, Phrygiſche, und Doriſche. [Spaltenumbruch] Die Lydiſche war die traurigſte, die Phrygiſche, die munterſte, und die Doriſche die ernſthafteſte, |und ma- jeſtaͤtiſchte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="16"> <pb facs="#f0044" n="30"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <l>Da indeß aus dem klingenden Erzte kriegriſche Toͤne</l><lb/> <l>Schallten; worunter das ſaͤmmtliche Heer ein Feldgeſchrey machte,</l><lb/> <l>Daß der Hoͤlle Gewoͤlber erbebten, und draußen die Reiche</l><lb/> <l>Von der <hi rendition="#fr">alten Nacht,</hi> und dem <hi rendition="#fr">Chaos,</hi> darob ſich entſetzten.</l><lb/> <l><note place="left">535</note>Ploͤtzlich ſtiegen in duͤſterm Licht zehntauſend Paniere</l><lb/> <l>Jn die Luft auf, und ſtralten mit hellen Farben des Aufgangs;</l><lb/> <l>Und zugleich ſtieg ein ſchrecklicher Wald auf von glaͤnzenden Spießen;</l><lb/> <l>Helme, dicht an einander gedraͤngt, und geſchloſſene Schilde,</l><lb/> <l>Sah man in dichter Schlachtordnung ſtehn, unermeßlich an Tiefe.</l><lb/> <l><note place="left">540</note>Und nun zogen ſie fort in einem vollkommenen Phalanx,</l><lb/> <l>Nach der <hi rendition="#fr">Doriſchen</hi> Tonart <cb/> <note place="foot" n="x)">Wir haben von der Muſik der<lb/> Alten nur ſehr ungewiſſe und ver-<lb/> wirrte Begriffe. Es ſcheint, daß ſie<lb/> drey Haupttonarten gehabt; die <hi rendition="#fr">Ly-<lb/> diſche, Phrygiſche,</hi> und <hi rendition="#fr">Doriſche.</hi><lb/><cb/> Die <hi rendition="#fr">Lydiſche</hi> war die traurigſte, die<lb/><hi rendition="#fr">Phrygiſche,</hi> die munterſte, und die<lb/><hi rendition="#fr">Doriſche</hi> die ernſthafteſte, |und ma-<lb/> jeſtaͤtiſchte.</note> von Floͤten, und anmuthgen Pfeifen;</l><lb/> <l>So wie ſie ehmals des Alterthums Helden zum hoͤheſten Grade</l><lb/> <l>Edler Grosmuth erhaben, wenn ſie zur Schlacht ſich gewaffnet,</l><lb/> <l>Und ſtatt raſender Kuͤhnheit mit feſtem Muth ſie begeiſtert;</l><lb/> <l><note place="left">545</note>Welche die Furcht des Todes zu keinem Fliehen bewogen,</l><lb/> <l>Noch zum ſchaͤndlichen Abzug; jedoch mit der Kraft auch begabet,</l><lb/> <l>Die empoͤrten Gedanken mit feſtlichem Klange zu ſtillen,</l><lb/> <l>Und von ſterblichen Seelen ſowohl, als unſterblichen, Kummer,</l><lb/> <l>Zweifelmuth, Furcht, und Angſt, und Schmerzen, und Pein zu verjagen.</l><lb/> <l><note place="left">550</note>Alſo athmeten ſie vereinte Macht, mit geſetzten</l><lb/> <l>Feſten Gedanken, und ruͤckten ſtillſchweigend heran, nach dem Schalle</l><lb/> <l>Sanft ertoͤnender Floͤten, wodurch die peinvollen Schritte</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Auf</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [30/0044]
Das verlohrne Paradies.
Da indeß aus dem klingenden Erzte kriegriſche Toͤne
Schallten; worunter das ſaͤmmtliche Heer ein Feldgeſchrey machte,
Daß der Hoͤlle Gewoͤlber erbebten, und draußen die Reiche
Von der alten Nacht, und dem Chaos, darob ſich entſetzten.
Ploͤtzlich ſtiegen in duͤſterm Licht zehntauſend Paniere
Jn die Luft auf, und ſtralten mit hellen Farben des Aufgangs;
Und zugleich ſtieg ein ſchrecklicher Wald auf von glaͤnzenden Spießen;
Helme, dicht an einander gedraͤngt, und geſchloſſene Schilde,
Sah man in dichter Schlachtordnung ſtehn, unermeßlich an Tiefe.
Und nun zogen ſie fort in einem vollkommenen Phalanx,
Nach der Doriſchen Tonart
x) von Floͤten, und anmuthgen Pfeifen;
So wie ſie ehmals des Alterthums Helden zum hoͤheſten Grade
Edler Grosmuth erhaben, wenn ſie zur Schlacht ſich gewaffnet,
Und ſtatt raſender Kuͤhnheit mit feſtem Muth ſie begeiſtert;
Welche die Furcht des Todes zu keinem Fliehen bewogen,
Noch zum ſchaͤndlichen Abzug; jedoch mit der Kraft auch begabet,
Die empoͤrten Gedanken mit feſtlichem Klange zu ſtillen,
Und von ſterblichen Seelen ſowohl, als unſterblichen, Kummer,
Zweifelmuth, Furcht, und Angſt, und Schmerzen, und Pein zu verjagen.
Alſo athmeten ſie vereinte Macht, mit geſetzten
Feſten Gedanken, und ruͤckten ſtillſchweigend heran, nach dem Schalle
Sanft ertoͤnender Floͤten, wodurch die peinvollen Schritte
Auf
x) Wir haben von der Muſik der
Alten nur ſehr ungewiſſe und ver-
wirrte Begriffe. Es ſcheint, daß ſie
drey Haupttonarten gehabt; die Ly-
diſche, Phrygiſche, und Doriſche.
Die Lydiſche war die traurigſte, die
Phrygiſche, die munterſte, und die
Doriſche die ernſthafteſte, |und ma-
jeſtaͤtiſchte.
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