Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.
405Aller der Herrschaft, alles des Glanzes und Nachruhmes würdig,
Welchen wir zu erlangen bemüht sind; ihr habt euch nun muthig
Einen Tag (und wenn Einen, warum nicht ewige Tage?)
Durch ein zweifelhaft Treffen, der Macht entgegen gestellet,
Die der König des Himmels von seinem erschütterten Thron her
410Wider uns sandte; mächtig genug, (so glaubt er unstreitig,)
Uns zum Gehorsam zu bringen. -- Doch seine Hoffnung betriegt ihn;
Und, so scheint es, er sey nicht unfehlbar die Zukunft zu wissen,
Ob man ihn gleich bisher für allwissend gehalten. Wahr ist es,
Schlechter bewaffnet, als sie, hat unser mächtiges Kriegsheer
415Einigen Schaden erlitten; wir haben Schmerzen empfunden,
Niemals empfunden vorher; doch lernten wir bald auch die Schmerzen
Zu verachten, indem wir erfahren, daß unser Wesen
Dieses empyreische Wesen vor tödtlichen Wunden
Sicher ist, oder wenn es auch ja von Wunden durchbohrt wird,
420Bald nach eignen natürlichen Kräften von selber sich heilet.
So gering ist dies Uebel; vielleicht sind die Mittel dawider
Eben so leicht zu erfinden; vielleicht daß stärkere Waffen
Bessere Rüstungen uns in einem künftigen Treffen
Größern Vortheil bringen, und unsern Feinden mehr Nachtheil,
425Wenn das wenigstens gleich gemacht wird, was sie von Natur nicht
Vor uns voraus besitzen. Doch sind sie aus anderer Ursach,
Die uns verborgen noch ist, uns an Macht überlegen, so wird uns,
Da wir unsern Verstand und unsere Kräfte der Seele
Unvermindert noch haben in dieser hohen Versammlung
430Unser nachforschender Geist, und unser Fleiß, es erfinden.

Er

Das verlohrne Paradies.
405Aller der Herrſchaft, alles des Glanzes und Nachruhmes wuͤrdig,
Welchen wir zu erlangen bemuͤht ſind; ihr habt euch nun muthig
Einen Tag (und wenn Einen, warum nicht ewige Tage?)
Durch ein zweifelhaft Treffen, der Macht entgegen geſtellet,
Die der Koͤnig des Himmels von ſeinem erſchuͤtterten Thron her
410Wider uns ſandte; maͤchtig genug, (ſo glaubt er unſtreitig,)
Uns zum Gehorſam zu bringen. — Doch ſeine Hoffnung betriegt ihn;
Und, ſo ſcheint es, er ſey nicht unfehlbar die Zukunft zu wiſſen,
Ob man ihn gleich bisher fuͤr allwiſſend gehalten. Wahr iſt es,
Schlechter bewaffnet, als ſie, hat unſer maͤchtiges Kriegsheer
415Einigen Schaden erlitten; wir haben Schmerzen empfunden,
Niemals empfunden vorher; doch lernten wir bald auch die Schmerzen
Zu verachten, indem wir erfahren, daß unſer Weſen
Dieſes empyreiſche Weſen vor toͤdtlichen Wunden
Sicher iſt, oder wenn es auch ja von Wunden durchbohrt wird,
420Bald nach eignen natuͤrlichen Kraͤften von ſelber ſich heilet.
So gering iſt dies Uebel; vielleicht ſind die Mittel dawider
Eben ſo leicht zu erfinden; vielleicht daß ſtaͤrkere Waffen
Beſſere Ruͤſtungen uns in einem kuͤnftigen Treffen
Groͤßern Vortheil bringen, und unſern Feinden mehr Nachtheil,
425Wenn das wenigſtens gleich gemacht wird, was ſie von Natur nicht
Vor uns voraus beſitzen. Doch ſind ſie aus anderer Urſach,
Die uns verborgen noch iſt, uns an Macht uͤberlegen, ſo wird uns,
Da wir unſern Verſtand und unſere Kraͤfte der Seele
Unvermindert noch haben in dieſer hohen Verſammlung
430Unſer nachforſchender Geiſt, und unſer Fleiß, es erfinden.

Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="15">
            <pb facs="#f0270" n="246"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/>
            <l><note place="left">405</note>Aller der Herr&#x017F;chaft, alles des Glanzes und Nachruhmes wu&#x0364;rdig,</l><lb/>
            <l>Welchen wir zu erlangen bemu&#x0364;ht &#x017F;ind; ihr habt euch nun muthig</l><lb/>
            <l>Einen Tag (und wenn Einen, warum nicht ewige Tage?)</l><lb/>
            <l>Durch ein zweifelhaft Treffen, der Macht entgegen ge&#x017F;tellet,</l><lb/>
            <l>Die der Ko&#x0364;nig des Himmels von &#x017F;einem er&#x017F;chu&#x0364;tterten Thron her</l><lb/>
            <l><note place="left">410</note>Wider uns &#x017F;andte; ma&#x0364;chtig genug, (&#x017F;o glaubt er un&#x017F;treitig,)</l><lb/>
            <l>Uns zum Gehor&#x017F;am zu bringen. &#x2014; Doch &#x017F;eine Hoffnung betriegt ihn;</l><lb/>
            <l>Und, &#x017F;o &#x017F;cheint es, er &#x017F;ey nicht unfehlbar die Zukunft zu wi&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Ob man ihn gleich bisher fu&#x0364;r allwi&#x017F;&#x017F;end gehalten. Wahr i&#x017F;t es,</l><lb/>
            <l>Schlechter bewaffnet, als &#x017F;ie, hat un&#x017F;er ma&#x0364;chtiges Kriegsheer</l><lb/>
            <l><note place="left">415</note>Einigen Schaden erlitten; wir haben Schmerzen empfunden,</l><lb/>
            <l>Niemals empfunden vorher; doch lernten wir bald auch die Schmerzen</l><lb/>
            <l>Zu verachten, indem wir erfahren, daß un&#x017F;er We&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;es empyrei&#x017F;che We&#x017F;en vor to&#x0364;dtlichen Wunden</l><lb/>
            <l>Sicher i&#x017F;t, oder wenn es auch ja von Wunden durchbohrt wird,</l><lb/>
            <l><note place="left">420</note>Bald nach eignen natu&#x0364;rlichen Kra&#x0364;ften von &#x017F;elber &#x017F;ich heilet.</l><lb/>
            <l>So gering i&#x017F;t dies Uebel; vielleicht &#x017F;ind die Mittel dawider</l><lb/>
            <l>Eben &#x017F;o leicht zu erfinden; vielleicht daß &#x017F;ta&#x0364;rkere Waffen</l><lb/>
            <l>Be&#x017F;&#x017F;ere Ru&#x0364;&#x017F;tungen uns in einem ku&#x0364;nftigen Treffen</l><lb/>
            <l>Gro&#x0364;ßern Vortheil bringen, und un&#x017F;ern Feinden mehr Nachtheil,</l><lb/>
            <l><note place="left">425</note>Wenn das wenig&#x017F;tens gleich gemacht wird, was &#x017F;ie von Natur nicht</l><lb/>
            <l>Vor uns voraus be&#x017F;itzen. Doch &#x017F;ind &#x017F;ie aus anderer Ur&#x017F;ach,</l><lb/>
            <l>Die uns verborgen noch i&#x017F;t, uns an Macht u&#x0364;berlegen, &#x017F;o wird uns,</l><lb/>
            <l>Da wir un&#x017F;ern Ver&#x017F;tand und un&#x017F;ere Kra&#x0364;fte der Seele</l><lb/>
            <l>Unvermindert noch haben in die&#x017F;er hohen Ver&#x017F;ammlung</l><lb/>
            <l><note place="left">430</note>Un&#x017F;er nachfor&#x017F;chender Gei&#x017F;t, und un&#x017F;er Fleiß, es erfinden.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0270] Das verlohrne Paradies. Aller der Herrſchaft, alles des Glanzes und Nachruhmes wuͤrdig, Welchen wir zu erlangen bemuͤht ſind; ihr habt euch nun muthig Einen Tag (und wenn Einen, warum nicht ewige Tage?) Durch ein zweifelhaft Treffen, der Macht entgegen geſtellet, Die der Koͤnig des Himmels von ſeinem erſchuͤtterten Thron her Wider uns ſandte; maͤchtig genug, (ſo glaubt er unſtreitig,) Uns zum Gehorſam zu bringen. — Doch ſeine Hoffnung betriegt ihn; Und, ſo ſcheint es, er ſey nicht unfehlbar die Zukunft zu wiſſen, Ob man ihn gleich bisher fuͤr allwiſſend gehalten. Wahr iſt es, Schlechter bewaffnet, als ſie, hat unſer maͤchtiges Kriegsheer Einigen Schaden erlitten; wir haben Schmerzen empfunden, Niemals empfunden vorher; doch lernten wir bald auch die Schmerzen Zu verachten, indem wir erfahren, daß unſer Weſen Dieſes empyreiſche Weſen vor toͤdtlichen Wunden Sicher iſt, oder wenn es auch ja von Wunden durchbohrt wird, Bald nach eignen natuͤrlichen Kraͤften von ſelber ſich heilet. So gering iſt dies Uebel; vielleicht ſind die Mittel dawider Eben ſo leicht zu erfinden; vielleicht daß ſtaͤrkere Waffen Beſſere Ruͤſtungen uns in einem kuͤnftigen Treffen Groͤßern Vortheil bringen, und unſern Feinden mehr Nachtheil, Wenn das wenigſtens gleich gemacht wird, was ſie von Natur nicht Vor uns voraus beſitzen. Doch ſind ſie aus anderer Urſach, Die uns verborgen noch iſt, uns an Macht uͤberlegen, ſo wird uns, Da wir unſern Verſtand und unſere Kraͤfte der Seele Unvermindert noch haben in dieſer hohen Verſammlung Unſer nachforſchender Geiſt, und unſer Fleiß, es erfinden. Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/270
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/270>, abgerufen am 23.11.2024.