Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Erster Gesang.
Laß die Gelegenheit nicht, die unser Feind uns vergönnet,
175Uns entschlüpfen; er gebe sie uns aus Verachtung entweder,
Oder weil nun sein Grimm sich gesättigt. Erblickest du dorten
Jene traurigen Ebnen, wild, und verlassen und öde;
Der Verzweifelung Sitz, und alles Lichtes beraubet,
Ausser dem blassen Schimmer, den diese gräßlichen Flammen
180Fürchterlich um sich schießen? Da laß uns hindurch arbeiten
Aus dem Wallen der feurigen Fluthen; um dorten zu ruhen,
Wenn noch einige Ruh hier zu finden; und wenn wir dort wieder
Unsre geschlagenen Heere versammlet, so laßt uns vereinet
Rathschlagen, wie wir unserm Feind in Zukunft am besten
185Schaden thun, und von unserm Verlust uns wieder erholen;
Wie wir diesen schrecklichen Jammer am leichtsten ertragen,
Was wir noch von der Hoffnung für Trost zu erlangen uns schmeicheln,
Und wo nicht, was für Muth in uns die Verzweifelung anfacht.

Also redete Satan zu seinem nächsten Gefährten,
190Mit dem Haupt hoch über der Fluth, und mit flammenden Augen.
Schwimmend lagen die übrigen Glieder, weit über den Wellen
Jn die Läng und Breite viel Morgen Landes verbreitet.
Nicht an Größe geringer, als jene Riesengestalten
Von der ungeheuersten Form, von denen die Fabel
195Sagt; die Titanier, Kinder der Erde, die ehmals im Kriege
Wider den Jupiter stunden; Briareus oder auch Typhon,
Der in der schrecklichen Höhle des alten Tarsus [Spaltenumbruch] u) sich aufhielt;
Oder
u) Typhon ist mit dem Typhoeus
einerley. Wir wissen durch den Pin-
[Spaltenumbruch] dar,
und den Pomponius Mela,
daß die Höhle des Typhoeus in Cili-
cien
B 3

Erſter Geſang.
Laß die Gelegenheit nicht, die unſer Feind uns vergoͤnnet,
175Uns entſchluͤpfen; er gebe ſie uns aus Verachtung entweder,
Oder weil nun ſein Grimm ſich geſaͤttigt. Erblickeſt du dorten
Jene traurigen Ebnen, wild, und verlaſſen und oͤde;
Der Verzweifelung Sitz, und alles Lichtes beraubet,
Auſſer dem blaſſen Schimmer, den dieſe graͤßlichen Flammen
180Fuͤrchterlich um ſich ſchießen? Da laß uns hindurch arbeiten
Aus dem Wallen der feurigen Fluthen; um dorten zu ruhen,
Wenn noch einige Ruh hier zu finden; und wenn wir dort wieder
Unſre geſchlagenen Heere verſammlet, ſo laßt uns vereinet
Rathſchlagen, wie wir unſerm Feind in Zukunft am beſten
185Schaden thun, und von unſerm Verluſt uns wieder erholen;
Wie wir dieſen ſchrecklichen Jammer am leichtſten ertragen,
Was wir noch von der Hoffnung fuͤr Troſt zu erlangen uns ſchmeicheln,
Und wo nicht, was fuͤr Muth in uns die Verzweifelung anfacht.

Alſo redete Satan zu ſeinem naͤchſten Gefaͤhrten,
190Mit dem Haupt hoch uͤber der Fluth, und mit flammenden Augen.
Schwimmend lagen die uͤbrigen Glieder, weit uͤber den Wellen
Jn die Laͤng und Breite viel Morgen Landes verbreitet.
Nicht an Groͤße geringer, als jene Rieſengeſtalten
Von der ungeheuerſten Form, von denen die Fabel
195Sagt; die Titanier, Kinder der Erde, die ehmals im Kriege
Wider den Jupiter ſtunden; Briareus oder auch Typhon,
Der in der ſchrecklichen Hoͤhle des alten Tarſus [Spaltenumbruch] u) ſich aufhielt;
Oder
u) Typhon iſt mit dem Typhoeus
einerley. Wir wiſſen durch den Pin-
[Spaltenumbruch] dar,
und den Pomponius Mela,
daß die Hoͤhle des Typhoeus in Cili-
cien
B 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="7">
            <pb facs="#f0027" n="13"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;ter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
            <l>Laß die Gelegenheit nicht, die un&#x017F;er Feind uns vergo&#x0364;nnet,</l><lb/>
            <l><note place="left">175</note>Uns ent&#x017F;chlu&#x0364;pfen; er gebe &#x017F;ie uns aus Verachtung entweder,</l><lb/>
            <l>Oder weil nun &#x017F;ein Grimm &#x017F;ich ge&#x017F;a&#x0364;ttigt. Erblicke&#x017F;t du dorten</l><lb/>
            <l>Jene traurigen Ebnen, wild, und verla&#x017F;&#x017F;en und o&#x0364;de;</l><lb/>
            <l>Der Verzweifelung Sitz, und alles Lichtes beraubet,</l><lb/>
            <l>Au&#x017F;&#x017F;er dem bla&#x017F;&#x017F;en Schimmer, den die&#x017F;e gra&#x0364;ßlichen Flammen</l><lb/>
            <l><note place="left">180</note>Fu&#x0364;rchterlich um &#x017F;ich &#x017F;chießen? Da laß uns hindurch arbeiten</l><lb/>
            <l>Aus dem Wallen der feurigen Fluthen; um dorten zu ruhen,</l><lb/>
            <l>Wenn noch einige Ruh hier zu finden; und wenn wir dort wieder</l><lb/>
            <l>Un&#x017F;re ge&#x017F;chlagenen Heere ver&#x017F;ammlet, &#x017F;o laßt uns vereinet</l><lb/>
            <l>Rath&#x017F;chlagen, wie wir un&#x017F;erm Feind in Zukunft am be&#x017F;ten</l><lb/>
            <l><note place="left">185</note>Schaden thun, und von un&#x017F;erm Verlu&#x017F;t uns wieder erholen;</l><lb/>
            <l>Wie wir die&#x017F;en &#x017F;chrecklichen Jammer am leicht&#x017F;ten ertragen,</l><lb/>
            <l>Was wir noch von der Hoffnung fu&#x0364;r Tro&#x017F;t zu erlangen uns &#x017F;chmeicheln,</l><lb/>
            <l>Und wo nicht, was fu&#x0364;r Muth in uns die Verzweifelung anfacht.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="8">
            <l>Al&#x017F;o redete <hi rendition="#fr">Satan</hi> zu &#x017F;einem na&#x0364;ch&#x017F;ten Gefa&#x0364;hrten,</l><lb/>
            <l><note place="left">190</note>Mit dem Haupt hoch u&#x0364;ber der Fluth, und mit flammenden Augen.</l><lb/>
            <l>Schwimmend lagen die u&#x0364;brigen Glieder, weit u&#x0364;ber den Wellen</l><lb/>
            <l>Jn die La&#x0364;ng und Breite viel Morgen Landes verbreitet.</l><lb/>
            <l>Nicht an Gro&#x0364;ße geringer, als jene Rie&#x017F;enge&#x017F;talten</l><lb/>
            <l>Von der ungeheuer&#x017F;ten Form, von denen die Fabel</l><lb/>
            <l><note place="left">195</note>Sagt; die <hi rendition="#fr">Titanier,</hi> Kinder der Erde, die ehmals im Kriege</l><lb/>
            <l>Wider den <hi rendition="#fr">Jupiter</hi> &#x017F;tunden; <hi rendition="#fr">Briareus</hi> oder auch <hi rendition="#fr">Typhon,</hi></l><lb/>
            <l>Der in der &#x017F;chrecklichen Ho&#x0364;hle des alten <hi rendition="#fr">Tar&#x017F;us</hi> <cb/>
<note xml:id="u01" next="#u02" place="foot" n="u)">Typhon i&#x017F;t mit dem Typhoeus<lb/>
einerley. Wir wi&#x017F;&#x017F;en durch den <hi rendition="#fr">Pin-<lb/><cb/>
dar,</hi> und den <hi rendition="#fr">Pomponius Mela,</hi><lb/>
daß die Ho&#x0364;hle des Typhoeus in Cili-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">cien</fw></note> &#x017F;ich aufhielt;</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">B 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Oder</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0027] Erſter Geſang. Laß die Gelegenheit nicht, die unſer Feind uns vergoͤnnet, Uns entſchluͤpfen; er gebe ſie uns aus Verachtung entweder, Oder weil nun ſein Grimm ſich geſaͤttigt. Erblickeſt du dorten Jene traurigen Ebnen, wild, und verlaſſen und oͤde; Der Verzweifelung Sitz, und alles Lichtes beraubet, Auſſer dem blaſſen Schimmer, den dieſe graͤßlichen Flammen Fuͤrchterlich um ſich ſchießen? Da laß uns hindurch arbeiten Aus dem Wallen der feurigen Fluthen; um dorten zu ruhen, Wenn noch einige Ruh hier zu finden; und wenn wir dort wieder Unſre geſchlagenen Heere verſammlet, ſo laßt uns vereinet Rathſchlagen, wie wir unſerm Feind in Zukunft am beſten Schaden thun, und von unſerm Verluſt uns wieder erholen; Wie wir dieſen ſchrecklichen Jammer am leichtſten ertragen, Was wir noch von der Hoffnung fuͤr Troſt zu erlangen uns ſchmeicheln, Und wo nicht, was fuͤr Muth in uns die Verzweifelung anfacht. Alſo redete Satan zu ſeinem naͤchſten Gefaͤhrten, Mit dem Haupt hoch uͤber der Fluth, und mit flammenden Augen. Schwimmend lagen die uͤbrigen Glieder, weit uͤber den Wellen Jn die Laͤng und Breite viel Morgen Landes verbreitet. Nicht an Groͤße geringer, als jene Rieſengeſtalten Von der ungeheuerſten Form, von denen die Fabel Sagt; die Titanier, Kinder der Erde, die ehmals im Kriege Wider den Jupiter ſtunden; Briareus oder auch Typhon, Der in der ſchrecklichen Hoͤhle des alten Tarſus u) ſich aufhielt; Oder u) Typhon iſt mit dem Typhoeus einerley. Wir wiſſen durch den Pin- dar, und den Pomponius Mela, daß die Hoͤhle des Typhoeus in Cili- cien B 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/27
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/27>, abgerufen am 21.11.2024.