Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Und die Stärke da fehlen, wo Tugend fehlt? Sollten sie dann nichtAm ohnmächtigsten seyn, wenn sie am frechsten ist, wenn auch Unüberwindlich sie scheint? Mit Vertraun auf die Hülfe der Allmacht [Spaltenumbruch] e) Will ich itzt seine Stärke prüfen, so wie ich vor kurzem 110Seine Vernunft geprüft, und krank und falsch sie befunden. Jst es nicht billig, daß der, so kürzlich im Streite der Wahrheit Ueberwunden hat, itzt im Streite der Waffen auch siege, Sieger im letzten Kampfe, so wie in dem ersten? Der Streit zwar Jst verwegen und thöricht, wenn mit der Gewalt die Vernunft ficht; 115Jst es darum nicht vernünftig, daß nun der Vernunft auch der Sieg bleibt? Dieses erwog er bey sich; aus seinen gewaffneten Freunden Trat er darauf herzhaft hervor, und gieng mit verdoppelten Schritten Seinem verwegenen Feind entgegen, der mehr noch entflammet ward, Da er dies sah; voll Zuversicht fordert ihn Abdiel also: 120Findet man dich, Vermessener, hier? Du hattst dir geschmeichelt, Ohne Widerstand jene Höh, nach welcher du strebest, Schon zu erreichen; den Thron des Allmächtgen, und seine Seite Unbewacht und verlassen zu finden, vorm mächtigen Schrecken Deines streitbaren Arms, und deiner gewaltigen Zunge. 125Thörichter! dachtest du |nicht, daß es vergeblich sey, Waffen Wider ihn, den Allmächtgen, zu führen, der zahllose Heere Aus e) Man wird hier die Gottesfurcht
des guten Engels bemerken; denn in der That würde er ohne die Hülfe und [Spaltenumbruch] den Beystand der Allmacht gegen einen so viel mächtigern Engel viel zu schwach gewesen seyn. N. Das verlohrne Paradies. Und die Staͤrke da fehlen, wo Tugend fehlt? Sollten ſie dann nichtAm ohnmaͤchtigſten ſeyn, wenn ſie am frechſten iſt, wenn auch Unuͤberwindlich ſie ſcheint? Mit Vertraun auf die Huͤlfe der Allmacht [Spaltenumbruch] e) Will ich itzt ſeine Staͤrke pruͤfen, ſo wie ich vor kurzem 110Seine Vernunft gepruͤft, und krank und falſch ſie befunden. Jſt es nicht billig, daß der, ſo kuͤrzlich im Streite der Wahrheit Ueberwunden hat, itzt im Streite der Waffen auch ſiege, Sieger im letzten Kampfe, ſo wie in dem erſten? Der Streit zwar Jſt verwegen und thoͤricht, wenn mit der Gewalt die Vernunft ficht; 115Jſt es darum nicht vernuͤnftig, daß nun der Vernunft auch der Sieg bleibt? Dieſes erwog er bey ſich; aus ſeinen gewaffneten Freunden Trat er darauf herzhaft hervor, und gieng mit verdoppelten Schritten Seinem verwegenen Feind entgegen, der mehr noch entflammet ward, Da er dies ſah; voll Zuverſicht fordert ihn Abdiel alſo: 120Findet man dich, Vermeſſener, hier? Du hattſt dir geſchmeichelt, Ohne Widerſtand jene Hoͤh, nach welcher du ſtrebeſt, Schon zu erreichen; den Thron des Allmaͤchtgen, und ſeine Seite Unbewacht und verlaſſen zu finden, vorm maͤchtigen Schrecken Deines ſtreitbaren Arms, und deiner gewaltigen Zunge. 125Thoͤrichter! dachteſt du |nicht, daß es vergeblich ſey, Waffen Wider ihn, den Allmaͤchtgen, zu fuͤhren, der zahlloſe Heere Aus e) Man wird hier die Gottesfurcht
des guten Engels bemerken; denn in der That wuͤrde er ohne die Huͤlfe und [Spaltenumbruch] den Beyſtand der Allmacht gegen einen ſo viel maͤchtigern Engel viel zu ſchwach geweſen ſeyn. N. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="4"> <pb facs="#f0256" n="232"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <l>Und die Staͤrke da fehlen, wo Tugend fehlt? Sollten ſie dann nicht</l><lb/> <l>Am ohnmaͤchtigſten ſeyn, wenn ſie am frechſten iſt, wenn auch</l><lb/> <l>Unuͤberwindlich ſie ſcheint? Mit Vertraun auf die Huͤlfe der Allmacht <cb/> <note place="foot" n="e)">Man wird hier die Gottesfurcht<lb/> des guten Engels bemerken; denn in<lb/> der That wuͤrde er ohne die Huͤlfe und<lb/><cb/> den Beyſtand der Allmacht gegen einen<lb/> ſo viel maͤchtigern Engel viel zu<lb/> ſchwach geweſen ſeyn. <hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">N.</hi></hi></note></l><lb/> <l>Will ich itzt ſeine Staͤrke pruͤfen, ſo wie ich vor kurzem</l><lb/> <l><note place="left">110</note>Seine Vernunft gepruͤft, und krank und falſch ſie befunden.</l><lb/> <l>Jſt es nicht billig, daß der, ſo kuͤrzlich im Streite der Wahrheit</l><lb/> <l>Ueberwunden hat, itzt im Streite der Waffen auch ſiege,</l><lb/> <l>Sieger im letzten Kampfe, ſo wie in dem erſten? Der Streit zwar</l><lb/> <l>Jſt verwegen und thoͤricht, wenn mit der Gewalt die Vernunft ficht;</l><lb/> <l><note place="left">115</note>Jſt es darum nicht vernuͤnftig, daß nun der Vernunft auch der Sieg bleibt?</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Dieſes erwog er bey ſich; aus ſeinen gewaffneten Freunden</l><lb/> <l>Trat er darauf herzhaft hervor, und gieng mit verdoppelten Schritten</l><lb/> <l>Seinem verwegenen Feind entgegen, der mehr noch entflammet ward,</l><lb/> <l>Da er dies ſah; voll Zuverſicht fordert ihn <hi rendition="#fr">Abdiel</hi> alſo:</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l><note place="left">120</note>Findet man dich, Vermeſſener, hier? Du hattſt dir geſchmeichelt,</l><lb/> <l>Ohne Widerſtand jene Hoͤh, nach welcher du ſtrebeſt,</l><lb/> <l>Schon zu erreichen; den Thron des Allmaͤchtgen, und ſeine Seite</l><lb/> <l>Unbewacht und verlaſſen zu finden, vorm maͤchtigen Schrecken</l><lb/> <l>Deines ſtreitbaren Arms, und deiner gewaltigen Zunge.</l><lb/> <l><note place="left">125</note>Thoͤrichter! dachteſt du |nicht, daß es vergeblich ſey, Waffen</l><lb/> <l>Wider ihn, den Allmaͤchtgen, zu fuͤhren, der zahlloſe Heere</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Aus</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [232/0256]
Das verlohrne Paradies.
Und die Staͤrke da fehlen, wo Tugend fehlt? Sollten ſie dann nicht
Am ohnmaͤchtigſten ſeyn, wenn ſie am frechſten iſt, wenn auch
Unuͤberwindlich ſie ſcheint? Mit Vertraun auf die Huͤlfe der Allmacht
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Will ich itzt ſeine Staͤrke pruͤfen, ſo wie ich vor kurzem
Seine Vernunft gepruͤft, und krank und falſch ſie befunden.
Jſt es nicht billig, daß der, ſo kuͤrzlich im Streite der Wahrheit
Ueberwunden hat, itzt im Streite der Waffen auch ſiege,
Sieger im letzten Kampfe, ſo wie in dem erſten? Der Streit zwar
Jſt verwegen und thoͤricht, wenn mit der Gewalt die Vernunft ficht;
Jſt es darum nicht vernuͤnftig, daß nun der Vernunft auch der Sieg bleibt?
Dieſes erwog er bey ſich; aus ſeinen gewaffneten Freunden
Trat er darauf herzhaft hervor, und gieng mit verdoppelten Schritten
Seinem verwegenen Feind entgegen, der mehr noch entflammet ward,
Da er dies ſah; voll Zuverſicht fordert ihn Abdiel alſo:
Findet man dich, Vermeſſener, hier? Du hattſt dir geſchmeichelt,
Ohne Widerſtand jene Hoͤh, nach welcher du ſtrebeſt,
Schon zu erreichen; den Thron des Allmaͤchtgen, und ſeine Seite
Unbewacht und verlaſſen zu finden, vorm maͤchtigen Schrecken
Deines ſtreitbaren Arms, und deiner gewaltigen Zunge.
Thoͤrichter! dachteſt du |nicht, daß es vergeblich ſey, Waffen
Wider ihn, den Allmaͤchtgen, zu fuͤhren, der zahlloſe Heere
Aus
e) Man wird hier die Gottesfurcht
des guten Engels bemerken; denn in
der That wuͤrde er ohne die Huͤlfe und
den Beyſtand der Allmacht gegen einen
ſo viel maͤchtigern Engel viel zu
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