Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.
Ausgestoßen von Gott und seinem seeligen Anschaun
Jn die äußerste Finsterniß falln, in den Schlund des Verderbens,
600Seinen ihm angewiesnen Ort, ohn' Erlösung, ohn' Ende.

Also sprach der Allmächtge, und mit dem, was er gesprochen,
Schienen alle zufrieden; sie schienen's, doch warn's nicht alle.
Dieser Tag ward von ihnen, gleich andern festlichen Tagen
Mit Gesängen und Tänzen rund um den heiligen Hügel
605Zugebracht; mystische Tänze, den Tänzen der Sphären am gleichsten,
So die Planeten und Fixsterne machen mit ihren Kreisen,
Jrrgäng', in einander verflochten, eccentrisch verschlungen,
Aber doch regelmäßig, wenn sie es am wenigsten scheinen.
Jn die Bewegungen schallten so süße harmonische Töne,
610Daß selbst Gottes Ohr mit Vergnügen sie hörte. Der Abend
Nahte sich itzt, (denn unsern Abend und unsern Morgen
Haben wir auch im Himmel zur angenehmen Verändrung;)
Und sie wandten sich nun von ihren harmonischen Tänzen,
Voll Verlangen zum süßen Gastmaal. Sie stunden in Kreisen
615Um die prächtigen Tafeln umher; mit englischen Speisen
Wurden sie schnell bethürmt; es sprudelt rubinrother Nektar
Jn massivem Gold, und in Perlen, und Diamanten;
Köstlicher süßer Weinstöcke Frucht, das Gewächse des Himmels,
Hingeworfen auf Blumen, mit frischen Kränzen gekrönet,
620Aßen und tranken sie nun, und speisten in froher Gemeinschaft
Freud' und Unsterblichkeit; jauchzend dem großen allgütigen König,
Welcher mit reichen wohlthätigen Händen sie alle versorgte,
Und

Das verlohrne Paradies.
Ausgeſtoßen von Gott und ſeinem ſeeligen Anſchaun
Jn die aͤußerſte Finſterniß falln, in den Schlund des Verderbens,
600Seinen ihm angewieſnen Ort, ohn’ Erloͤſung, ohn’ Ende.

Alſo ſprach der Allmaͤchtge, und mit dem, was er geſprochen,
Schienen alle zufrieden; ſie ſchienen’s, doch warn’s nicht alle.
Dieſer Tag ward von ihnen, gleich andern feſtlichen Tagen
Mit Geſaͤngen und Taͤnzen rund um den heiligen Huͤgel
605Zugebracht; myſtiſche Taͤnze, den Taͤnzen der Sphaͤren am gleichſten,
So die Planeten und Fixſterne machen mit ihren Kreiſen,
Jrrgaͤng’, in einander verflochten, eccentriſch verſchlungen,
Aber doch regelmaͤßig, wenn ſie es am wenigſten ſcheinen.
Jn die Bewegungen ſchallten ſo ſuͤße harmoniſche Toͤne,
610Daß ſelbſt Gottes Ohr mit Vergnuͤgen ſie hoͤrte. Der Abend
Nahte ſich itzt, (denn unſern Abend und unſern Morgen
Haben wir auch im Himmel zur angenehmen Veraͤndrung;)
Und ſie wandten ſich nun von ihren harmoniſchen Taͤnzen,
Voll Verlangen zum ſuͤßen Gaſtmaal. Sie ſtunden in Kreiſen
615Um die praͤchtigen Tafeln umher; mit engliſchen Speiſen
Wurden ſie ſchnell bethuͤrmt; es ſprudelt rubinrother Nektar
Jn maſſivem Gold, und in Perlen, und Diamanten;
Koͤſtlicher ſuͤßer Weinſtoͤcke Frucht, das Gewaͤchſe des Himmels,
Hingeworfen auf Blumen, mit friſchen Kraͤnzen gekroͤnet,
620Aßen und tranken ſie nun, und ſpeiſten in froher Gemeinſchaft
Freud’ und Unſterblichkeit; jauchzend dem großen allguͤtigen Koͤnig,
Welcher mit reichen wohlthaͤtigen Haͤnden ſie alle verſorgte,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="38">
            <pb facs="#f0234" n="212"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/>
            <l>Ausge&#x017F;toßen von Gott und &#x017F;einem &#x017F;eeligen An&#x017F;chaun</l><lb/>
            <l>Jn die a&#x0364;ußer&#x017F;te Fin&#x017F;terniß falln, in den Schlund des Verderbens,</l><lb/>
            <l><note place="left">600</note>Seinen ihm angewie&#x017F;nen Ort, ohn&#x2019; Erlo&#x0364;&#x017F;ung, ohn&#x2019; Ende.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="39">
            <l>Al&#x017F;o &#x017F;prach der Allma&#x0364;chtge, und mit dem, was er ge&#x017F;prochen,</l><lb/>
            <l>Schienen alle zufrieden; &#x017F;ie &#x017F;chienen&#x2019;s, doch warn&#x2019;s nicht alle.</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;er Tag ward von ihnen, gleich andern fe&#x017F;tlichen Tagen</l><lb/>
            <l>Mit Ge&#x017F;a&#x0364;ngen und Ta&#x0364;nzen rund um den heiligen Hu&#x0364;gel</l><lb/>
            <l><note place="left">605</note>Zugebracht; my&#x017F;ti&#x017F;che Ta&#x0364;nze, den Ta&#x0364;nzen der Spha&#x0364;ren am gleich&#x017F;ten,</l><lb/>
            <l>So die Planeten und Fix&#x017F;terne machen mit ihren Krei&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Jrrga&#x0364;ng&#x2019;, in einander verflochten, eccentri&#x017F;ch ver&#x017F;chlungen,</l><lb/>
            <l>Aber doch regelma&#x0364;ßig, wenn &#x017F;ie es am wenig&#x017F;ten &#x017F;cheinen.</l><lb/>
            <l>Jn die Bewegungen &#x017F;challten &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;ße harmoni&#x017F;che To&#x0364;ne,</l><lb/>
            <l><note place="left">610</note>Daß &#x017F;elb&#x017F;t Gottes Ohr mit Vergnu&#x0364;gen &#x017F;ie ho&#x0364;rte. Der Abend</l><lb/>
            <l>Nahte &#x017F;ich itzt, (denn un&#x017F;ern Abend und un&#x017F;ern Morgen</l><lb/>
            <l>Haben wir auch im Himmel zur angenehmen Vera&#x0364;ndrung;)</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie wandten &#x017F;ich nun von ihren harmoni&#x017F;chen Ta&#x0364;nzen,</l><lb/>
            <l>Voll Verlangen zum &#x017F;u&#x0364;ßen Ga&#x017F;tmaal. Sie &#x017F;tunden in Krei&#x017F;en</l><lb/>
            <l><note place="left">615</note>Um die pra&#x0364;chtigen Tafeln umher; mit engli&#x017F;chen Spei&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Wurden &#x017F;ie &#x017F;chnell bethu&#x0364;rmt; es &#x017F;prudelt rubinrother Nektar</l><lb/>
            <l>Jn ma&#x017F;&#x017F;ivem Gold, und in Perlen, und Diamanten;</l><lb/>
            <l>Ko&#x0364;&#x017F;tlicher &#x017F;u&#x0364;ßer Wein&#x017F;to&#x0364;cke Frucht, das Gewa&#x0364;ch&#x017F;e des Himmels,</l><lb/>
            <l>Hingeworfen auf Blumen, mit fri&#x017F;chen Kra&#x0364;nzen gekro&#x0364;net,</l><lb/>
            <l><note place="left">620</note>Aßen und tranken &#x017F;ie nun, und &#x017F;pei&#x017F;ten in froher Gemein&#x017F;chaft</l><lb/>
            <l>Freud&#x2019; und Un&#x017F;terblichkeit; jauchzend dem großen allgu&#x0364;tigen Ko&#x0364;nig,</l><lb/>
            <l>Welcher mit reichen wohltha&#x0364;tigen Ha&#x0364;nden &#x017F;ie alle ver&#x017F;orgte,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0234] Das verlohrne Paradies. Ausgeſtoßen von Gott und ſeinem ſeeligen Anſchaun Jn die aͤußerſte Finſterniß falln, in den Schlund des Verderbens, Seinen ihm angewieſnen Ort, ohn’ Erloͤſung, ohn’ Ende. Alſo ſprach der Allmaͤchtge, und mit dem, was er geſprochen, Schienen alle zufrieden; ſie ſchienen’s, doch warn’s nicht alle. Dieſer Tag ward von ihnen, gleich andern feſtlichen Tagen Mit Geſaͤngen und Taͤnzen rund um den heiligen Huͤgel Zugebracht; myſtiſche Taͤnze, den Taͤnzen der Sphaͤren am gleichſten, So die Planeten und Fixſterne machen mit ihren Kreiſen, Jrrgaͤng’, in einander verflochten, eccentriſch verſchlungen, Aber doch regelmaͤßig, wenn ſie es am wenigſten ſcheinen. Jn die Bewegungen ſchallten ſo ſuͤße harmoniſche Toͤne, Daß ſelbſt Gottes Ohr mit Vergnuͤgen ſie hoͤrte. Der Abend Nahte ſich itzt, (denn unſern Abend und unſern Morgen Haben wir auch im Himmel zur angenehmen Veraͤndrung;) Und ſie wandten ſich nun von ihren harmoniſchen Taͤnzen, Voll Verlangen zum ſuͤßen Gaſtmaal. Sie ſtunden in Kreiſen Um die praͤchtigen Tafeln umher; mit engliſchen Speiſen Wurden ſie ſchnell bethuͤrmt; es ſprudelt rubinrother Nektar Jn maſſivem Gold, und in Perlen, und Diamanten; Koͤſtlicher ſuͤßer Weinſtoͤcke Frucht, das Gewaͤchſe des Himmels, Hingeworfen auf Blumen, mit friſchen Kraͤnzen gekroͤnet, Aßen und tranken ſie nun, und ſpeiſten in froher Gemeinſchaft Freud’ und Unſterblichkeit; jauchzend dem großen allguͤtigen Koͤnig, Welcher mit reichen wohlthaͤtigen Haͤnden ſie alle verſorgte, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/234
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/234>, abgerufen am 27.11.2024.