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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

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Vierter Gesang.
Ueber die Fluren einher. Die schönen Gefilde von Enna [Spaltenumbruch] o)
Wo Proserpina Blumen gepflückt, und selbst als die schönste
270Blume vom dunklen Dis gepflückt ward, welches der Ceres
Durch die Welt sie zu suchen so vielen Kummer gekostet,
Noch der liebliche Hayn vom Daphne an dem Orontes,
Noch auch jene begeisternde Quelle Castaliens, konnte
Mit dem Paradiese von Eden streiten; so wenig
275Als die Nyseische Jnsel vom Flusse Triton umgürtet,
Wo der alte Cham, den die Heiden Ammon vor Alters
Oder den Lybischen Jupiter nannten, die Amalthea,
Mit ihr, ihren blühenden Sohn, den jungen Lyaeus
Seiner Stiefmutter Rhea verheelt; noch wo der Monarchen
280Abyssiniens Söhne verborgen die Jugend durchleben,
Amara, das Gebirge, von vielen für das wahrhafte

Para-
o) Nicht das schöne Feld von En-
na
in Sicilien, welches Ovid und
Claudian so sehr wegen seiner Schön-
heit gerühmt haben, wo Proserpi-
na
durch den dunkeln Gott der Hölle,
Dis
oder Pluto geraubt wurde, wel-
ches ihre Mutter Ceces veranlaßte,
sie durch die ganze Welt zu suchen;
noch der angenehme Hayn Daphne
bey Antiochia, der Hauptstadt von
Syrien, an den Ufern des Flusses
Orontes, nebst der dortigen Casta-
lischen Quelle,
die gleichen Namen mit
der in Griechenland führte, und we-
gen ihrer prophetischmachenden Kräfte
erhoben wurde; noch die Jnsel Nysa,
umgeben von dem Fluß Triton in
Afrika, wo Cham, oder Ham ein
Sohn Noah, (der zuerst Egypten und
Lybien bevölkert, und unter den Hey-
[Spaltenumbruch] den Ammon, oder der lybische Ju-
piter
hieß,) die Amalthea, und ih-
ren schönen Sohn Bachus (welcher
deshalb Dionysus genennt wurde)
verbarg, vor seiner Stiefmutter Rhea
Augen, der Stiefmutter des Bachus,
und der Gemahlinn des Lybischen Ju-
piters; noch das Gebirge Amara,
wo die Könige von Abassinien, oder
Abyssinien (einem Königreich des obern
Aethiopiens) ihre Söhne verwahren
ließen, in einer außerordentlich schö-
nen Gegend von vortrefflicher Aus-
sicht, mit Alabasterfelsen umgeben;
nichts von allem dem konnte mit dem
Paradiese von Eden um den Vorzug
streiten, es überstieg also alles, was
die Geschichtschreiber oder die Poeten
von den anmuthigsten Oertern ge-
schrieben oder erdichtet. N.
T 2

Vierter Geſang.
Ueber die Fluren einher. Die ſchoͤnen Gefilde von Enna [Spaltenumbruch] o)
Wo Proſerpina Blumen gepfluͤckt, und ſelbſt als die ſchoͤnſte
270Blume vom dunklen Dis gepfluͤckt ward, welches der Ceres
Durch die Welt ſie zu ſuchen ſo vielen Kummer gekoſtet,
Noch der liebliche Hayn vom Daphne an dem Orontes,
Noch auch jene begeiſternde Quelle Caſtaliens, konnte
Mit dem Paradieſe von Eden ſtreiten; ſo wenig
275Als die Nyſeiſche Jnſel vom Fluſſe Triton umguͤrtet,
Wo der alte Cham, den die Heiden Ammon vor Alters
Oder den Lybiſchen Jupiter nannten, die Amalthea,
Mit ihr, ihren bluͤhenden Sohn, den jungen Lyaeus
Seiner Stiefmutter Rhea verheelt; noch wo der Monarchen
280Abyſſiniens Soͤhne verborgen die Jugend durchleben,
Amara, das Gebirge, von vielen fuͤr das wahrhafte

Para-
o) Nicht das ſchoͤne Feld von En-
na
in Sicilien, welches Ovid und
Claudian ſo ſehr wegen ſeiner Schoͤn-
heit geruͤhmt haben, wo Proſerpi-
na
durch den dunkeln Gott der Hölle,
Dis
oder Pluto geraubt wurde, wel-
ches ihre Mutter Ceces veranlaßte,
ſie durch die ganze Welt zu ſuchen;
noch der angenehme Hayn Daphne
bey Antiochia, der Hauptſtadt von
Syrien, an den Ufern des Fluſſes
Orontes, nebſt der dortigen Caſta-
liſchen Quelle,
die gleichen Namen mit
der in Griechenland fuͤhrte, und we-
gen ihrer prophetiſchmachenden Kraͤfte
erhoben wurde; noch die Jnſel Nyſa,
umgeben von dem Fluß Triton in
Afrika, wo Cham, oder Ham ein
Sohn Noah, (der zuerſt Egypten und
Lybien bevoͤlkert, und unter den Hey-
[Spaltenumbruch] den Ammon, oder der lybiſche Ju-
piter
hieß,) die Amalthea, und ih-
ren ſchoͤnen Sohn Bachus (welcher
deshalb Dionyſus genennt wurde)
verbarg, vor ſeiner Stiefmutter Rhea
Augen, der Stiefmutter des Bachus,
und der Gemahlinn des Lybiſchen Ju-
piters; noch das Gebirge Amara,
wo die Koͤnige von Abaſſinien, oder
Abyſſinien (einem Koͤnigreich des obern
Aethiopiens) ihre Soͤhne verwahren
ließen, in einer außerordentlich ſchoͤ-
nen Gegend von vortrefflicher Aus-
ſicht, mit Alabaſterfelſen umgeben;
nichts von allem dem konnte mit dem
Paradieſe von Eden um den Vorzug
ſtreiten, es uͤberſtieg alſo alles, was
die Geſchichtſchreiber oder die Poeten
von den anmuthigſten Oertern ge-
ſchrieben oder erdichtet. N.
T 2
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[147/0167] Vierter Geſang. Ueber die Fluren einher. Die ſchoͤnen Gefilde von Enna o) Wo Proſerpina Blumen gepfluͤckt, und ſelbſt als die ſchoͤnſte Blume vom dunklen Dis gepfluͤckt ward, welches der Ceres Durch die Welt ſie zu ſuchen ſo vielen Kummer gekoſtet, Noch der liebliche Hayn vom Daphne an dem Orontes, Noch auch jene begeiſternde Quelle Caſtaliens, konnte Mit dem Paradieſe von Eden ſtreiten; ſo wenig Als die Nyſeiſche Jnſel vom Fluſſe Triton umguͤrtet, Wo der alte Cham, den die Heiden Ammon vor Alters Oder den Lybiſchen Jupiter nannten, die Amalthea, Mit ihr, ihren bluͤhenden Sohn, den jungen Lyaeus Seiner Stiefmutter Rhea verheelt; noch wo der Monarchen Abyſſiniens Soͤhne verborgen die Jugend durchleben, Amara, das Gebirge, von vielen fuͤr das wahrhafte Para- o) Nicht das ſchoͤne Feld von En- na in Sicilien, welches Ovid und Claudian ſo ſehr wegen ſeiner Schoͤn- heit geruͤhmt haben, wo Proſerpi- na durch den dunkeln Gott der Hölle, Dis oder Pluto geraubt wurde, wel- ches ihre Mutter Ceces veranlaßte, ſie durch die ganze Welt zu ſuchen; noch der angenehme Hayn Daphne bey Antiochia, der Hauptſtadt von Syrien, an den Ufern des Fluſſes Orontes, nebſt der dortigen Caſta- liſchen Quelle, die gleichen Namen mit der in Griechenland fuͤhrte, und we- gen ihrer prophetiſchmachenden Kraͤfte erhoben wurde; noch die Jnſel Nyſa, umgeben von dem Fluß Triton in Afrika, wo Cham, oder Ham ein Sohn Noah, (der zuerſt Egypten und Lybien bevoͤlkert, und unter den Hey- den Ammon, oder der lybiſche Ju- piter hieß,) die Amalthea, und ih- ren ſchoͤnen Sohn Bachus (welcher deshalb Dionyſus genennt wurde) verbarg, vor ſeiner Stiefmutter Rhea Augen, der Stiefmutter des Bachus, und der Gemahlinn des Lybiſchen Ju- piters; noch das Gebirge Amara, wo die Koͤnige von Abaſſinien, oder Abyſſinien (einem Koͤnigreich des obern Aethiopiens) ihre Soͤhne verwahren ließen, in einer außerordentlich ſchoͤ- nen Gegend von vortrefflicher Aus- ſicht, mit Alabaſterfelſen umgeben; nichts von allem dem konnte mit dem Paradieſe von Eden um den Vorzug ſtreiten, es uͤberſtieg alſo alles, was die Geſchichtſchreiber oder die Poeten von den anmuthigſten Oertern ge- ſchrieben oder erdichtet. N. T 2

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/167>, abgerufen am 23.11.2024.