Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Dritter Gesang. Süß, wie von seeligen Stimmen gewöhnlich. Die Himmel erklangen335Von dem Jubelgeschrey, und laute Hosannahs durchhallten Alle seelgen Gefilde. Sie neigten mit tiefer Ehrfurcht Sich vor beyden Thronen, und warfen, feyrlich anbetend, Jhre Kronen zur Erde a), mit Gold durchflochtene Kronen, Und mit unsterblichem Amaranth; der Blume, die ehmals 340Nah beym Baume des Lebens im Paradiese geblühet; Aber sie ward bald wegen der Sünde der Menschen zurücke Jn den Himmel genommen; da wächst sie, wo sie zuerst wuchs, Blüht, und umschattet da hoch den hellen Brunnen des Lebens, Und da, wo der Seeligkeit Strom durch die Mitte des Himmels 345Ueber Elysische Blumen die Amberwellen dahinrollt. Und mit dieser himmlischen Blume, die niemals verwelket, Binden die auserwählten Geister die glänzenden Locken, Und verflechten Stralen darunter. Jtzt lachte der Boden, Als er, so dick bestreut von hingeworfenen Kränzen, 350Einer See gleich von Jaspis b) schien, mit himmlischen Rosen [Spaltenumbruch] Ueber- wird er finden, daß der christliche Poet die heydnischen eben so sehr übertrifft, als unsre Religion alle die andern. Jhre Götter reden und handeln wie Menschen, aber Miltons göttliche Per- sonen sind in der That göttlich, sie reden in der Sprache Gottes, das ist, in der Sprache der heiligen Schrift. Milton ist so genau und vorsichtig in diesem Stücke, daß vielleicht kein ein- ziger Ausdruck ist, der nicht mit der Autorität der heiligen Skribenten ge- rechtfertigt werden könnte. Wir ha- [Spaltenumbruch] ben verschiedne angemerkt, wo er bey dem Buchstaben der Bibel geblieben ist, das übrige insgesamt ist in dem Geiste der heiligen Schrift. N. a) So werden sie vorgestellt Offen- bar. IV. 10. Da fielen die vier und zwanzig Aeltesten vor den, der auf dem Stul saß, und beteten an den, der da lebet von Ewig- keit zu Ewigkeit, und warfen ihre Kronen vor den Stuhl. N. b) Jaspis ist ein kostbarer Stein von verschiednen Farben, doch wird der P 2
Dritter Geſang. Suͤß, wie von ſeeligen Stimmen gewoͤhnlich. Die Himmel erklangen335Von dem Jubelgeſchrey, und laute Hoſannahs durchhallten Alle ſeelgen Gefilde. Sie neigten mit tiefer Ehrfurcht Sich vor beyden Thronen, und warfen, feyrlich anbetend, Jhre Kronen zur Erde a), mit Gold durchflochtene Kronen, Und mit unſterblichem Amaranth; der Blume, die ehmals 340Nah beym Baume des Lebens im Paradieſe gebluͤhet; Aber ſie ward bald wegen der Suͤnde der Menſchen zuruͤcke Jn den Himmel genommen; da waͤchſt ſie, wo ſie zuerſt wuchs, Bluͤht, und umſchattet da hoch den hellen Brunnen des Lebens, Und da, wo der Seeligkeit Strom durch die Mitte des Himmels 345Ueber Elyſiſche Blumen die Amberwellen dahinrollt. Und mit dieſer himmliſchen Blume, die niemals verwelket, Binden die auserwaͤhlten Geiſter die glaͤnzenden Locken, Und verflechten Stralen darunter. Jtzt lachte der Boden, Als er, ſo dick beſtreut von hingeworfenen Kraͤnzen, 350Einer See gleich von Jaſpis b) ſchien, mit himmliſchen Roſen [Spaltenumbruch] Ueber- wird er finden, daß der chriſtliche Poet die heydniſchen eben ſo ſehr uͤbertrifft, als unſre Religion alle die andern. Jhre Goͤtter reden und handeln wie Menſchen, aber Miltons goͤttliche Per- ſonen ſind in der That goͤttlich, ſie reden in der Sprache Gottes, das iſt, in der Sprache der heiligen Schrift. Milton iſt ſo genau und vorſichtig in dieſem Stuͤcke, daß vielleicht kein ein- ziger Ausdruck iſt, der nicht mit der Autoritaͤt der heiligen Skribenten ge- rechtfertigt werden koͤnnte. Wir ha- [Spaltenumbruch] ben verſchiedne angemerkt, wo er bey dem Buchſtaben der Bibel geblieben iſt, das uͤbrige insgeſamt iſt in dem Geiſte der heiligen Schrift. N. a) So werden ſie vorgeſtellt Offen- bar. IV. 10. Da fielen die vier und zwanzig Aelteſten vor den, der auf dem Stul ſaß, und beteten an den, der da lebet von Ewig- keit zu Ewigkeit, und warfen ihre Kronen vor den Stuhl. N. b) Jaſpis iſt ein koſtbarer Stein von verſchiednen Farben, doch wird der P 2
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Dritter Geſang.
Suͤß, wie von ſeeligen Stimmen gewoͤhnlich. Die Himmel erklangen
Von dem Jubelgeſchrey, und laute Hoſannahs durchhallten
Alle ſeelgen Gefilde. Sie neigten mit tiefer Ehrfurcht
Sich vor beyden Thronen, und warfen, feyrlich anbetend,
Jhre Kronen zur Erde a), mit Gold durchflochtene Kronen,
Und mit unſterblichem Amaranth; der Blume, die ehmals
Nah beym Baume des Lebens im Paradieſe gebluͤhet;
Aber ſie ward bald wegen der Suͤnde der Menſchen zuruͤcke
Jn den Himmel genommen; da waͤchſt ſie, wo ſie zuerſt wuchs,
Bluͤht, und umſchattet da hoch den hellen Brunnen des Lebens,
Und da, wo der Seeligkeit Strom durch die Mitte des Himmels
Ueber Elyſiſche Blumen die Amberwellen dahinrollt.
Und mit dieſer himmliſchen Blume, die niemals verwelket,
Binden die auserwaͤhlten Geiſter die glaͤnzenden Locken,
Und verflechten Stralen darunter. Jtzt lachte der Boden,
Als er, ſo dick beſtreut von hingeworfenen Kraͤnzen,
Einer See gleich von Jaſpis b) ſchien, mit himmliſchen Roſen
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a) So werden ſie vorgeſtellt Offen-
bar. IV. 10. Da fielen die vier und
zwanzig Aelteſten vor den, der
auf dem Stul ſaß, und beteten
an den, der da lebet von Ewig-
keit zu Ewigkeit, und warfen ihre
Kronen vor den Stuhl. N.
b) Jaſpis iſt ein koſtbarer Stein
von verſchiednen Farben, doch wird
der
z) wird er finden, daß der chriſtliche Poet
die heydniſchen eben ſo ſehr uͤbertrifft,
als unſre Religion alle die andern.
Jhre Goͤtter reden und handeln wie
Menſchen, aber Miltons goͤttliche Per-
ſonen ſind in der That goͤttlich, ſie
reden in der Sprache Gottes, das iſt,
in der Sprache der heiligen Schrift.
Milton iſt ſo genau und vorſichtig in
dieſem Stuͤcke, daß vielleicht kein ein-
ziger Ausdruck iſt, der nicht mit der
Autoritaͤt der heiligen Skribenten ge-
rechtfertigt werden koͤnnte. Wir ha-
ben verſchiedne angemerkt, wo er bey
dem Buchſtaben der Bibel geblieben iſt,
das uͤbrige insgeſamt iſt in dem Geiſte
der heiligen Schrift. N.
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