Milton ist unstreitig einer der größten Dichter. Sei- ne Fehler so gar, die man ihm vorgeworfen, sind von der Art, daß sie nur ein großer Geist be- gehn konnte. Er wird nicht allein von seiner eignen Nation angebetet, der man Geschmack und Einsicht gewiß nicht absprechen wird, sondern jedes Volk, das mit den schönen Wissenschaften nur einigermaßen bekannt ist, bewundert ihn, und die Nachwelt läßt ihm alle die Gerechtigkeit wiederfahren, die ihm seine eignen Zeitgenossen verweigert. Ungeachtet alles ungegrün- deten Tadels, aller Versuche, ihn lächerlich zu machen, hat er doch auch unter uns von jeher Leser und Beyfall gefunden. Den größten Beyfall, das größte Lob hat er durch die Meßiade seines glücklichen Nebenbuhlers erhalten.
Wir
2
Vorbericht.
Milton iſt unſtreitig einer der groͤßten Dichter. Sei- ne Fehler ſo gar, die man ihm vorgeworfen, ſind von der Art, daß ſie nur ein großer Geiſt be- gehn konnte. Er wird nicht allein von ſeiner eignen Nation angebetet, der man Geſchmack und Einſicht gewiß nicht abſprechen wird, ſondern jedes Volk, das mit den ſchoͤnen Wiſſenſchaften nur einigermaßen bekannt iſt, bewundert ihn, und die Nachwelt laͤßt ihm alle die Gerechtigkeit wiederfahren, die ihm ſeine eignen Zeitgenoſſen verweigert. Ungeachtet alles ungegruͤn- deten Tadels, aller Verſuche, ihn laͤcherlich zu machen, hat er doch auch unter uns von jeher Leſer und Beyfall gefunden. Den groͤßten Beyfall, das groͤßte Lob hat er durch die Meßiade ſeines gluͤcklichen Nebenbuhlers erhalten.
Wir
2
<TEI><text><front><pbfacs="#f0011"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divtype="preface"><head><hirendition="#b">Vorbericht.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">M</hi>ilton iſt unſtreitig einer der groͤßten Dichter. Sei-<lb/>
ne Fehler ſo gar, die man ihm vorgeworfen, ſind<lb/>
von der Art, daß ſie nur ein großer Geiſt be-<lb/>
gehn konnte. Er wird nicht allein von ſeiner<lb/>
eignen Nation angebetet, der man Geſchmack und Einſicht gewiß<lb/>
nicht abſprechen wird, ſondern jedes Volk, das mit den ſchoͤnen<lb/>
Wiſſenſchaften nur einigermaßen bekannt iſt, bewundert ihn, und<lb/>
die Nachwelt laͤßt ihm alle die Gerechtigkeit wiederfahren, die ihm<lb/>ſeine eignen Zeitgenoſſen verweigert. Ungeachtet alles ungegruͤn-<lb/>
deten Tadels, aller Verſuche, ihn laͤcherlich zu machen, hat er doch<lb/>
auch unter uns von jeher Leſer und Beyfall gefunden. Den<lb/>
groͤßten Beyfall, das groͤßte Lob hat er durch die Meßiade ſeines<lb/>
gluͤcklichen Nebenbuhlers erhalten.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Wir</fw><lb/></div></front></text></TEI>
[0011]
Vorbericht.
Milton iſt unſtreitig einer der groͤßten Dichter. Sei-
ne Fehler ſo gar, die man ihm vorgeworfen, ſind
von der Art, daß ſie nur ein großer Geiſt be-
gehn konnte. Er wird nicht allein von ſeiner
eignen Nation angebetet, der man Geſchmack und Einſicht gewiß
nicht abſprechen wird, ſondern jedes Volk, das mit den ſchoͤnen
Wiſſenſchaften nur einigermaßen bekannt iſt, bewundert ihn, und
die Nachwelt laͤßt ihm alle die Gerechtigkeit wiederfahren, die ihm
ſeine eignen Zeitgenoſſen verweigert. Ungeachtet alles ungegruͤn-
deten Tadels, aller Verſuche, ihn laͤcherlich zu machen, hat er doch
auch unter uns von jeher Leſer und Beyfall gefunden. Den
groͤßten Beyfall, das groͤßte Lob hat er durch die Meßiade ſeines
gluͤcklichen Nebenbuhlers erhalten.
Wir
2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/11>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.