bin! Ach, ich hatt einst eine Schwester, die ist nun bey Gott. Die war mein Alles, meine innigste, vertrauteste Freundin. Sie starb in meinem Arm; ach, wenn ich nur schon bey ihr wäre! Sie ist glücklich, über alles glücklich! Und auf Erden kann mans nicht seyn. -- Hier sah sie unsern Siegwart mit einer Wehmuth an, die ihm durchs Herz drang. Wir werdens auch einst; sagte er; drückte ihr, ohne daß ers wußte, die Hand, und wischte sich die Augen. Sophie blickte auf die Seite, und Thränen fielen aufs junge Gras.
Seit diesem Abend ward Sophie immer düstrer und schwermüthiger. Die Worte Siegwarts: Jch liebe selbst nicht; wünsch auch nie zu lieben waren wie ein Dolch in ihre Seele gedrungen. Sie hatt' es bisher nur halb geglaubt, daß er in ein Kloster gehen wolle; nun hatte sie's aus seinem eignen Mun- de gehört. -- Alle Hofnung war nunmehr für sie verschwunden; sie gab sie selbst auf, und nahm sich sehr in Acht, ihn zu sehen. Ganze Tage lang war sie auf ihrem Zimmer eingeschlossen, seufzte, betete, stickte traurige Geschichten auf die Leinwand, oder verlohr sich in wehmüthigen und schwärmerischen Phantasien am Klavier. Oft schrieb sie auf ein Papier, das sie sorgfältig verschloß. Alle Morgen
bin! Ach, ich hatt einſt eine Schweſter, die iſt nun bey Gott. Die war mein Alles, meine innigſte, vertrauteſte Freundin. Sie ſtarb in meinem Arm; ach, wenn ich nur ſchon bey ihr waͤre! Sie iſt gluͤcklich, uͤber alles gluͤcklich! Und auf Erden kann mans nicht ſeyn. — Hier ſah ſie unſern Siegwart mit einer Wehmuth an, die ihm durchs Herz drang. Wir werdens auch einſt; ſagte er; druͤckte ihr, ohne daß ers wußte, die Hand, und wiſchte ſich die Augen. Sophie blickte auf die Seite, und Thraͤnen fielen aufs junge Gras.
Seit dieſem Abend ward Sophie immer duͤſtrer und ſchwermuͤthiger. Die Worte Siegwarts: Jch liebe ſelbſt nicht; wuͤnſch auch nie zu lieben waren wie ein Dolch in ihre Seele gedrungen. Sie hatt’ es bisher nur halb geglaubt, daß er in ein Kloſter gehen wolle; nun hatte ſie’s aus ſeinem eignen Mun- de gehoͤrt. — Alle Hofnung war nunmehr fuͤr ſie verſchwunden; ſie gab ſie ſelbſt auf, und nahm ſich ſehr in Acht, ihn zu ſehen. Ganze Tage lang war ſie auf ihrem Zimmer eingeſchloſſen, ſeufzte, betete, ſtickte traurige Geſchichten auf die Leinwand, oder verlohr ſich in wehmuͤthigen und ſchwaͤrmeriſchen Phantaſien am Klavier. Oft ſchrieb ſie auf ein Papier, das ſie ſorgfaͤltig verſchloß. Alle Morgen
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bin! Ach, ich hatt einſt eine Schweſter, die iſt nun
bey Gott. Die war mein Alles, meine innigſte,
vertrauteſte Freundin. Sie ſtarb in meinem Arm;
ach, wenn ich nur ſchon bey ihr waͤre! Sie iſt
gluͤcklich, uͤber alles gluͤcklich! Und auf Erden kann
mans nicht ſeyn. — Hier ſah ſie unſern Siegwart
mit einer Wehmuth an, die ihm durchs Herz drang.
Wir werdens auch einſt; ſagte er; druͤckte ihr, ohne
daß ers wußte, die Hand, und wiſchte ſich die Augen.
Sophie blickte auf die Seite, und Thraͤnen fielen
aufs junge Gras.
Seit dieſem Abend ward Sophie immer duͤſtrer
und ſchwermuͤthiger. Die Worte Siegwarts: Jch
liebe ſelbſt nicht; wuͤnſch auch nie zu lieben waren
wie ein Dolch in ihre Seele gedrungen. Sie hatt’
es bisher nur halb geglaubt, daß er in ein Kloſter
gehen wolle; nun hatte ſie’s aus ſeinem eignen Mun-
de gehoͤrt. — Alle Hofnung war nunmehr fuͤr ſie
verſchwunden; ſie gab ſie ſelbſt auf, und nahm ſich
ſehr in Acht, ihn zu ſehen. Ganze Tage lang war
ſie auf ihrem Zimmer eingeſchloſſen, ſeufzte, betete,
ſtickte traurige Geſchichten auf die Leinwand, oder
verlohr ſich in wehmuͤthigen und ſchwaͤrmeriſchen
Phantaſien am Klavier. Oft ſchrieb ſie auf ein
Papier, das ſie ſorgfaͤltig verſchloß. Alle Morgen
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/76>, abgerufen am 24.11.2024.
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