Er tröstete sie, und sagte, sie sollten ihm Glück wünschen, denn er sey am Ziel.
Als sie sich von ihrem Schmerz etwas erholt hatten, erzählte er ihnen kurz den Vorfall; zog das versiegelte Papier, das ihm Mariane gegeben hatte, hervor, und gabs seinem Kronhelm, mit der Bitte, es ihm vorzulesen.
Unter tausend Thränen, die er, und Siegwart und Therese vergossen, las es Kronhelm. Es wa- ren abgebrochne rührende Aufsätze an Siegwart, und eine kurze Erzählung ihrer Geschichte, deren Hauptinhalt dieser war:
Die Aebtissin zu Marienfeld hatte von Brigit- ten alles erfahren, wer der Gärtner sey; was er vorhabe; daß er Marianen zu entführen denke etc. Mariane ward sogleich eingeschlossen. Brigitte mußte vorgeben, sie sey nicht recht wohl; mußte ihm aber doch versprechen, Marianen Abends in den Garten zu bringen, wo die Nonnen im Sinn hatten, ihn zu greifen und festzusetzen. Brigitte, die besorgt war, er möchte es entdecken, daß sie sich von ihm hab entführen lassen wollen, suchte ihn aus dem Kloster zu bringen, und betäubte ihn deßwegen mit der Nachricht von Marianens Tod.
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Er troͤſtete ſie, und ſagte, ſie ſollten ihm Gluͤck wuͤnſchen, denn er ſey am Ziel.
Als ſie ſich von ihrem Schmerz etwas erholt hatten, erzaͤhlte er ihnen kurz den Vorfall; zog das verſiegelte Papier, das ihm Mariane gegeben hatte, hervor, und gabs ſeinem Kronhelm, mit der Bitte, es ihm vorzuleſen.
Unter tauſend Thraͤnen, die er, und Siegwart und Thereſe vergoſſen, las es Kronhelm. Es wa- ren abgebrochne ruͤhrende Aufſaͤtze an Siegwart, und eine kurze Erzaͤhlung ihrer Geſchichte, deren Hauptinhalt dieſer war:
Die Aebtiſſin zu Marienfeld hatte von Brigit- ten alles erfahren, wer der Gaͤrtner ſey; was er vorhabe; daß er Marianen zu entfuͤhren denke ꝛc. Mariane ward ſogleich eingeſchloſſen. Brigitte mußte vorgeben, ſie ſey nicht recht wohl; mußte ihm aber doch verſprechen, Marianen Abends in den Garten zu bringen, wo die Nonnen im Sinn hatten, ihn zu greifen und feſtzuſetzen. Brigitte, die beſorgt war, er moͤchte es entdecken, daß ſie ſich von ihm hab entfuͤhren laſſen wollen, ſuchte ihn aus dem Kloſter zu bringen, und betaͤubte ihn deßwegen mit der Nachricht von Marianens Tod.
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Er troͤſtete ſie, und ſagte, ſie ſollten ihm Gluͤck
wuͤnſchen, denn er ſey am Ziel.
Als ſie ſich von ihrem Schmerz etwas erholt
hatten, erzaͤhlte er ihnen kurz den Vorfall; zog
das verſiegelte Papier, das ihm Mariane gegeben
hatte, hervor, und gabs ſeinem Kronhelm, mit
der Bitte, es ihm vorzuleſen.
Unter tauſend Thraͤnen, die er, und Siegwart
und Thereſe vergoſſen, las es Kronhelm. Es wa-
ren abgebrochne ruͤhrende Aufſaͤtze an Siegwart,
und eine kurze Erzaͤhlung ihrer Geſchichte, deren
Hauptinhalt dieſer war:
Die Aebtiſſin zu Marienfeld hatte von Brigit-
ten alles erfahren, wer der Gaͤrtner ſey; was er
vorhabe; daß er Marianen zu entfuͤhren denke ꝛc.
Mariane ward ſogleich eingeſchloſſen. Brigitte
mußte vorgeben, ſie ſey nicht recht wohl; mußte
ihm aber doch verſprechen, Marianen Abends in
den Garten zu bringen, wo die Nonnen im Sinn
hatten, ihn zu greifen und feſtzuſetzen. Brigitte,
die beſorgt war, er moͤchte es entdecken, daß ſie
ſich von ihm hab entfuͤhren laſſen wollen, ſuchte
ihn aus dem Kloſter zu bringen, und betaͤubte ihn
deßwegen mit der Nachricht von Marianens Tod.
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1065. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/645>, abgerufen am 24.11.2024.
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