Staub kreiste sich in wilden Wirbeln vor ihnen, und sie flohen wieder in die Grotte zurück; ein- zelne und starke Regentropfen fielen. Ein Blitz theil- te die Dunkelheit, der die Beyden fast blendete; ein plötzlicher starker Donner folgte drauf, daß die Grot- te zitterte, und nun ergoß sich ein starker Regen, der beynah einem Wolkenbruch glich. Das Gewitter daurte eine Viertelstunde lang; die ganze Natur schien im Aufruhr, der Sturm bog die Tannen- wipfel; eine schlanke Tanne brach mit grossem Kra- chen mitten entzwey, und zwischen dem Getös brauste der Donner ununterbrochen fort. Die beyden Mönche lagen auf den Knien, schlugen sich an die Brust, und betheten. Endlich wards wieder etwas still; die Wolken hatten ausgeregnet und zertheil- ten sich; ein blasser Schimmer brach zur Linken durch das Gewölk. Endlich stralte die Sonne wieder etwas hervor, und das Gewitter zog sich zur Rechten schwer und fürchterlich weiter.
Als der Regen aufhörte, giengen P. Anton und Siegwart aus der Grotte. Anton hub seine Augen glänzend gen Himmel; sein ganzes heitres Angesicht sprach Dank und Freude. Wie nun al- les so schön und froh ist, fieng er an, nach dem Gewitter! Vorher konnte man in der Luft kaum
Staub kreiſte ſich in wilden Wirbeln vor ihnen, und ſie flohen wieder in die Grotte zuruͤck; ein- zelne und ſtarke Regentropfen fielen. Ein Blitz theil- te die Dunkelheit, der die Beyden faſt blendete; ein ploͤtzlicher ſtarker Donner folgte drauf, daß die Grot- te zitterte, und nun ergoß ſich ein ſtarker Regen, der beynah einem Wolkenbruch glich. Das Gewitter daurte eine Viertelſtunde lang; die ganze Natur ſchien im Aufruhr, der Sturm bog die Tannen- wipfel; eine ſchlanke Tanne brach mit groſſem Kra- chen mitten entzwey, und zwiſchen dem Getoͤs brauſte der Donner ununterbrochen fort. Die beyden Moͤnche lagen auf den Knien, ſchlugen ſich an die Bruſt, und betheten. Endlich wards wieder etwas ſtill; die Wolken hatten ausgeregnet und zertheil- ten ſich; ein blaſſer Schimmer brach zur Linken durch das Gewoͤlk. Endlich ſtralte die Sonne wieder etwas hervor, und das Gewitter zog ſich zur Rechten ſchwer und fuͤrchterlich weiter.
Als der Regen aufhoͤrte, giengen P. Anton und Siegwart aus der Grotte. Anton hub ſeine Augen glaͤnzend gen Himmel; ſein ganzes heitres Angeſicht ſprach Dank und Freude. Wie nun al- les ſo ſchoͤn und froh iſt, fieng er an, nach dem Gewitter! Vorher konnte man in der Luft kaum
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Staub kreiſte ſich in wilden Wirbeln vor ihnen,
und ſie flohen wieder in die Grotte zuruͤck; ein-
zelne und ſtarke Regentropfen fielen. Ein Blitz theil-
te die Dunkelheit, der die Beyden faſt blendete; ein
ploͤtzlicher ſtarker Donner folgte drauf, daß die Grot-
te zitterte, und nun ergoß ſich ein ſtarker Regen, der
beynah einem Wolkenbruch glich. Das Gewitter
daurte eine Viertelſtunde lang; die ganze Natur
ſchien im Aufruhr, der Sturm bog die Tannen-
wipfel; eine ſchlanke Tanne brach mit groſſem Kra-
chen mitten entzwey, und zwiſchen dem Getoͤs brauſte
der Donner ununterbrochen fort. Die beyden
Moͤnche lagen auf den Knien, ſchlugen ſich an die
Bruſt, und betheten. Endlich wards wieder etwas
ſtill; die Wolken hatten ausgeregnet und zertheil-
ten ſich; ein blaſſer Schimmer brach zur Linken
durch das Gewoͤlk. Endlich ſtralte die Sonne
wieder etwas hervor, und das Gewitter zog ſich
zur Rechten ſchwer und fuͤrchterlich weiter.
Als der Regen aufhoͤrte, giengen P. Anton
und Siegwart aus der Grotte. Anton hub ſeine
Augen glaͤnzend gen Himmel; ſein ganzes heitres
Angeſicht ſprach Dank und Freude. Wie nun al-
les ſo ſchoͤn und froh iſt, fieng er an, nach dem
Gewitter! Vorher konnte man in der Luft kaum
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1059. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/639>, abgerufen am 24.11.2024.
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