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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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allemal antwortete er, er sey mit jedermann ufrie-
den, und wünsche sich keinen bessern Zustand.

Am Ende seines Probejahrs legte er feyerlich in
der Kirche, zur Rührung aller Anwesenden, den
Profeß ab, bekam die Priesterweihe und die Ton-
sur, ward zum Pater aufgenommen, und trat,
nachdem er seine erste Messe gelesen hatte, alle
Verrichtungen eines Paters an.

Kronhelm und Rothfels waren bey der Einwei-
hung mit zugegen, und wurden auch beym Mit-
tagsessen behalten. Siegwart, dem das Feyerliche
der Handlung noch immer vor der Seele schwebte,
sprach sehr wenig, und hatte fast beständig Thränen
in den Augen. Seine beyden Freunde sahen ihn
wehmüthig an. Sein mattes, halberloschnes
Auge, seine blasse Farbe, sein eingefallenes Ge-
sicht, die Gleichgültigkeit, mit der er sogar sie be-
trachtete, weissagten ihnen seinen nahen Tod, und
daß sie ihn vielleicht schon heut zum letztenmale
sehen würden. Kronhelm, der einen ziemlichen
Theil seiner Jugend mit ihm zugebracht hatte,
der ihn so ganz kannte, und es wußte, daß we-
nige Menschen in so hohem Grad verdienten glück-
lich zu seyn wie er; und doch auch alle seine Lei-

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allemal antwortete er, er ſey mit jedermann ufrie-
den, und wuͤnſche ſich keinen beſſern Zuſtand.

Am Ende ſeines Probejahrs legte er feyerlich in
der Kirche, zur Ruͤhrung aller Anweſenden, den
Profeß ab, bekam die Prieſterweihe und die Ton-
ſur, ward zum Pater aufgenommen, und trat,
nachdem er ſeine erſte Meſſe geleſen hatte, alle
Verrichtungen eines Paters an.

Kronhelm und Rothfels waren bey der Einwei-
hung mit zugegen, und wurden auch beym Mit-
tagseſſen behalten. Siegwart, dem das Feyerliche
der Handlung noch immer vor der Seele ſchwebte,
ſprach ſehr wenig, und hatte faſt beſtaͤndig Thraͤnen
in den Augen. Seine beyden Freunde ſahen ihn
wehmuͤthig an. Sein mattes, halberloſchnes
Auge, ſeine blaſſe Farbe, ſein eingefallenes Ge-
ſicht, die Gleichguͤltigkeit, mit der er ſogar ſie be-
trachtete, weiſſagten ihnen ſeinen nahen Tod, und
daß ſie ihn vielleicht ſchon heut zum letztenmale
ſehen wuͤrden. Kronhelm, der einen ziemlichen
Theil ſeiner Jugend mit ihm zugebracht hatte,
der ihn ſo ganz kannte, und es wußte, daß we-
nige Menſchen in ſo hohem Grad verdienten gluͤck-
lich zu ſeyn wie er; und doch auch alle ſeine Lei-

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[1049/0629] allemal antwortete er, er ſey mit jedermann ufrie- den, und wuͤnſche ſich keinen beſſern Zuſtand. Am Ende ſeines Probejahrs legte er feyerlich in der Kirche, zur Ruͤhrung aller Anweſenden, den Profeß ab, bekam die Prieſterweihe und die Ton- ſur, ward zum Pater aufgenommen, und trat, nachdem er ſeine erſte Meſſe geleſen hatte, alle Verrichtungen eines Paters an. Kronhelm und Rothfels waren bey der Einwei- hung mit zugegen, und wurden auch beym Mit- tagseſſen behalten. Siegwart, dem das Feyerliche der Handlung noch immer vor der Seele ſchwebte, ſprach ſehr wenig, und hatte faſt beſtaͤndig Thraͤnen in den Augen. Seine beyden Freunde ſahen ihn wehmuͤthig an. Sein mattes, halberloſchnes Auge, ſeine blaſſe Farbe, ſein eingefallenes Ge- ſicht, die Gleichguͤltigkeit, mit der er ſogar ſie be- trachtete, weiſſagten ihnen ſeinen nahen Tod, und daß ſie ihn vielleicht ſchon heut zum letztenmale ſehen wuͤrden. Kronhelm, der einen ziemlichen Theil ſeiner Jugend mit ihm zugebracht hatte, der ihn ſo ganz kannte, und es wußte, daß we- nige Menſchen in ſo hohem Grad verdienten gluͤck- lich zu ſeyn wie er; und doch auch alle ſeine Lei- X x x

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1049. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/629>, abgerufen am 28.11.2024.