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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Uhr sah er alle Lichter im Kloster auslöschen.
Um halb 10 Uhr hörte er ausserhalb der Mauer
sich etwas bewegen. Er stieg auf die Leiter, und
sah aussen die Kutsche, und einen zu Pferd da-
bey, und auch ausserhalb eine Leiter angelegt. Um
10 Uhr gieng endlich die Klosterthüre auf. Sein
Herz schlug ihm laut, er konnte sich nicht halten,
und gieng einige Schritte weit vorwärts in den
Garten. Eine Nonne kam heraus: er hielts für
Marianen und lief zitternd auf sie zu; aber es
war Brigitte. Jesus, Maria! sagte sie; eben
liegt Mariane in den letzten Zügen; mach er,
daß er fort kommt. -- Gott im Himmel! rief er
aus. -- Jndem ward die Thüre wieder geöfnet,
und drey oder vier Nonnen stürzten heraus. Er
sprang, ohne daß ers wuste, fort, indem Brigitte
einen Schrey that. Wie der Wind flog er die
Leiter hinauf, warf sie mit dem Fuß um, und die
Leiter auf der Aussenseite hinab. Fort, fort! rief
er, sie ist todt! Zween Bedienten nahmen ihn in
den Arm, schmissen die Leiter um, und schleppten
ihn in den Wagen. Kommt nichts mehr? sagte
der Mann zu Pferd. Nein, rief Siegwart, fort,
fort! Jndem flog der Wagen, wie der Wind da-
von. Siegwart lag ohnmächtig drinnen. Sie



Uhr ſah er alle Lichter im Kloſter ausloͤſchen.
Um halb 10 Uhr hoͤrte er auſſerhalb der Mauer
ſich etwas bewegen. Er ſtieg auf die Leiter, und
ſah auſſen die Kutſche, und einen zu Pferd da-
bey, und auch auſſerhalb eine Leiter angelegt. Um
10 Uhr gieng endlich die Kloſterthuͤre auf. Sein
Herz ſchlug ihm laut, er konnte ſich nicht halten,
und gieng einige Schritte weit vorwaͤrts in den
Garten. Eine Nonne kam heraus: er hielts fuͤr
Marianen und lief zitternd auf ſie zu; aber es
war Brigitte. Jeſus, Maria! ſagte ſie; eben
liegt Mariane in den letzten Zuͤgen; mach er,
daß er fort kommt. — Gott im Himmel! rief er
aus. — Jndem ward die Thuͤre wieder geoͤfnet,
und drey oder vier Nonnen ſtuͤrzten heraus. Er
ſprang, ohne daß ers wuſte, fort, indem Brigitte
einen Schrey that. Wie der Wind flog er die
Leiter hinauf, warf ſie mit dem Fuß um, und die
Leiter auf der Auſſenſeite hinab. Fort, fort! rief
er, ſie iſt todt! Zween Bedienten nahmen ihn in
den Arm, ſchmiſſen die Leiter um, und ſchleppten
ihn in den Wagen. Kommt nichts mehr? ſagte
der Mann zu Pferd. Nein, rief Siegwart, fort,
fort! Jndem flog der Wagen, wie der Wind da-
von. Siegwart lag ohnmaͤchtig drinnen. Sie

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[1016/0596] Uhr ſah er alle Lichter im Kloſter ausloͤſchen. Um halb 10 Uhr hoͤrte er auſſerhalb der Mauer ſich etwas bewegen. Er ſtieg auf die Leiter, und ſah auſſen die Kutſche, und einen zu Pferd da- bey, und auch auſſerhalb eine Leiter angelegt. Um 10 Uhr gieng endlich die Kloſterthuͤre auf. Sein Herz ſchlug ihm laut, er konnte ſich nicht halten, und gieng einige Schritte weit vorwaͤrts in den Garten. Eine Nonne kam heraus: er hielts fuͤr Marianen und lief zitternd auf ſie zu; aber es war Brigitte. Jeſus, Maria! ſagte ſie; eben liegt Mariane in den letzten Zuͤgen; mach er, daß er fort kommt. — Gott im Himmel! rief er aus. — Jndem ward die Thuͤre wieder geoͤfnet, und drey oder vier Nonnen ſtuͤrzten heraus. Er ſprang, ohne daß ers wuſte, fort, indem Brigitte einen Schrey that. Wie der Wind flog er die Leiter hinauf, warf ſie mit dem Fuß um, und die Leiter auf der Auſſenſeite hinab. Fort, fort! rief er, ſie iſt todt! Zween Bedienten nahmen ihn in den Arm, ſchmiſſen die Leiter um, und ſchleppten ihn in den Wagen. Kommt nichts mehr? ſagte der Mann zu Pferd. Nein, rief Siegwart, fort, fort! Jndem flog der Wagen, wie der Wind da- von. Siegwart lag ohnmaͤchtig drinnen. Sie

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1016. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/596>, abgerufen am 25.11.2024.