Brigitta hielt sich immer mehr zu Siegwart, und suchte, ihn so viel als möglich war, zu spre- chen. Da er ihr Zutrauen so sehr gewonnen hatte, so hielt er dafür, es sey nun Zeit, sich wegen Ma- rianens etwas genauer gegen sie herauszulassen; und dazu both sich nach etlichen Tagen die Gelegenheit von selbst an. Siegwart mußte, weil die Witte- rung rauh zu werden anfieng, die Blumentöpfe, und die Kübel mit den Pomeranzen- und Lorbeer- bäumen ins Gewächshaus bringen. Brigitte hatte dazu den Schlüssel, und war gegenwärtig, als er die Kübel in Ordnung stellte. Weil die Handlan- ger ab- und zugiengen, um die Töpfe zu holen, so that sie, wenn sie allein mit ihm im Gewächshaus war, ziemlich vertraut gegen ihn, und ließ nicht undeutlich eine Neigung merken, das Kloster mit ihm zu verlassen. Siegwart warf dieses nicht weit weg, und machte ihr einige Hofnung dazu. Sie war darüber vor Freuden ausser sich; und nun fragte er, wie von ohngefähr, ob nicht ein Frauen- zimmer von Jngolstadt in dem Kloster sey, die ei- nem Hofrath Fischer angehöre? Auf ihre Beja- hung, sagte er, er kenne sie wohl, und habe sechs Jahre bey ihrem Vater als Gärtner gedient. Er wünsche nichts mehr, als sie einmal allein zu spre-
Brigitta hielt ſich immer mehr zu Siegwart, und ſuchte, ihn ſo viel als moͤglich war, zu ſpre- chen. Da er ihr Zutrauen ſo ſehr gewonnen hatte, ſo hielt er dafuͤr, es ſey nun Zeit, ſich wegen Ma- rianens etwas genauer gegen ſie herauszulaſſen; und dazu both ſich nach etlichen Tagen die Gelegenheit von ſelbſt an. Siegwart mußte, weil die Witte- rung rauh zu werden anfieng, die Blumentoͤpfe, und die Kuͤbel mit den Pomeranzen- und Lorbeer- baͤumen ins Gewaͤchshaus bringen. Brigitte hatte dazu den Schluͤſſel, und war gegenwaͤrtig, als er die Kuͤbel in Ordnung ſtellte. Weil die Handlan- ger ab- und zugiengen, um die Toͤpfe zu holen, ſo that ſie, wenn ſie allein mit ihm im Gewaͤchshaus war, ziemlich vertraut gegen ihn, und ließ nicht undeutlich eine Neigung merken, das Kloſter mit ihm zu verlaſſen. Siegwart warf dieſes nicht weit weg, und machte ihr einige Hofnung dazu. Sie war daruͤber vor Freuden auſſer ſich; und nun fragte er, wie von ohngefaͤhr, ob nicht ein Frauen- zimmer von Jngolſtadt in dem Kloſter ſey, die ei- nem Hofrath Fiſcher angehoͤre? Auf ihre Beja- hung, ſagte er, er kenne ſie wohl, und habe ſechs Jahre bey ihrem Vater als Gaͤrtner gedient. Er wuͤnſche nichts mehr, als ſie einmal allein zu ſpre-
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Brigitta hielt ſich immer mehr zu Siegwart,
und ſuchte, ihn ſo viel als moͤglich war, zu ſpre-
chen. Da er ihr Zutrauen ſo ſehr gewonnen hatte,
ſo hielt er dafuͤr, es ſey nun Zeit, ſich wegen Ma-
rianens etwas genauer gegen ſie herauszulaſſen; und
dazu both ſich nach etlichen Tagen die Gelegenheit
von ſelbſt an. Siegwart mußte, weil die Witte-
rung rauh zu werden anfieng, die Blumentoͤpfe,
und die Kuͤbel mit den Pomeranzen- und Lorbeer-
baͤumen ins Gewaͤchshaus bringen. Brigitte hatte
dazu den Schluͤſſel, und war gegenwaͤrtig, als er
die Kuͤbel in Ordnung ſtellte. Weil die Handlan-
ger ab- und zugiengen, um die Toͤpfe zu holen, ſo
that ſie, wenn ſie allein mit ihm im Gewaͤchshaus
war, ziemlich vertraut gegen ihn, und ließ nicht
undeutlich eine Neigung merken, das Kloſter mit
ihm zu verlaſſen. Siegwart warf dieſes nicht weit
weg, und machte ihr einige Hofnung dazu. Sie
war daruͤber vor Freuden auſſer ſich; und nun
fragte er, wie von ohngefaͤhr, ob nicht ein Frauen-
zimmer von Jngolſtadt in dem Kloſter ſey, die ei-
nem Hofrath Fiſcher angehoͤre? Auf ihre Beja-
hung, ſagte er, er kenne ſie wohl, und habe ſechs
Jahre bey ihrem Vater als Gaͤrtner gedient. Er
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1007. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/587>, abgerufen am 22.11.2024.
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