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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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wohl! Gott segn Jhn! Hier gab er unserm Kron-
helm die Hand; dieser küste sie mit heisser Jnn-
brunst, und ließ seine Thränen drauf fallen. --
Der Abend ward auf P. Philipps Zimmer sehr
traurig zugebracht. Kronhelm sprach fast gar nichts,
und Siegwart auch nur wenig, denn auf beyden
lag die Last der nahen Trennung schwer. Phi-
lipp, der nun drey Jahre schon unsern Kronhelm
gekannt, und seine Seele täglich unter seiner An-
führung sich hatte vervollkommen sehen; der ihn,
ob er wol sein Schüler war, wie seinen Freund
liebte, der jetzt alle seine Leiden kannte, und vor-
aus sah, daß sie sich nach der Trennung von sei-
nen Freunden noch verdoppeln würden, war selbst
von allen diesen Vorstellungen danieder gedrückt,
und hatte Mühe, seinen tiefen Kummer zu ver-
bergen, um nicht seine jungen Freunde noch weh-
müthiger zu machen. Er nöthigte sie, etwas mehr
Wein zu trinken, um ihre Traurigkeit in etwas
zu zerstreuen, und sie wurden wirklich um ein gu-
tes munterer. Aber mit den Lebensgeistern wach-
te bey Kronhelm das Andenken an Theresen auch
wieder lebhafter auf; er nahm ein Glas; stand
auf; brachte Theresens Gesundheit aus; und trank;
und Thränentropfen fielen ihm in den Wein. Alle



wohl! Gott ſegn Jhn! Hier gab er unſerm Kron-
helm die Hand; dieſer kuͤſte ſie mit heiſſer Jnn-
brunſt, und ließ ſeine Thraͤnen drauf fallen. —
Der Abend ward auf P. Philipps Zimmer ſehr
traurig zugebracht. Kronhelm ſprach faſt gar nichts,
und Siegwart auch nur wenig, denn auf beyden
lag die Laſt der nahen Trennung ſchwer. Phi-
lipp, der nun drey Jahre ſchon unſern Kronhelm
gekannt, und ſeine Seele taͤglich unter ſeiner An-
fuͤhrung ſich hatte vervollkommen ſehen; der ihn,
ob er wol ſein Schuͤler war, wie ſeinen Freund
liebte, der jetzt alle ſeine Leiden kannte, und vor-
aus ſah, daß ſie ſich nach der Trennung von ſei-
nen Freunden noch verdoppeln wuͤrden, war ſelbſt
von allen dieſen Vorſtellungen danieder gedruͤckt,
und hatte Muͤhe, ſeinen tiefen Kummer zu ver-
bergen, um nicht ſeine jungen Freunde noch weh-
muͤthiger zu machen. Er noͤthigte ſie, etwas mehr
Wein zu trinken, um ihre Traurigkeit in etwas
zu zerſtreuen, und ſie wurden wirklich um ein gu-
tes munterer. Aber mit den Lebensgeiſtern wach-
te bey Kronhelm das Andenken an Thereſen auch
wieder lebhafter auf; er nahm ein Glas; ſtand
auf; brachte Thereſens Geſundheit aus; und trank;
und Thraͤnentropfen fielen ihm in den Wein. Alle

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[474/0054] wohl! Gott ſegn Jhn! Hier gab er unſerm Kron- helm die Hand; dieſer kuͤſte ſie mit heiſſer Jnn- brunſt, und ließ ſeine Thraͤnen drauf fallen. — Der Abend ward auf P. Philipps Zimmer ſehr traurig zugebracht. Kronhelm ſprach faſt gar nichts, und Siegwart auch nur wenig, denn auf beyden lag die Laſt der nahen Trennung ſchwer. Phi- lipp, der nun drey Jahre ſchon unſern Kronhelm gekannt, und ſeine Seele taͤglich unter ſeiner An- fuͤhrung ſich hatte vervollkommen ſehen; der ihn, ob er wol ſein Schuͤler war, wie ſeinen Freund liebte, der jetzt alle ſeine Leiden kannte, und vor- aus ſah, daß ſie ſich nach der Trennung von ſei- nen Freunden noch verdoppeln wuͤrden, war ſelbſt von allen dieſen Vorſtellungen danieder gedruͤckt, und hatte Muͤhe, ſeinen tiefen Kummer zu ver- bergen, um nicht ſeine jungen Freunde noch weh- muͤthiger zu machen. Er noͤthigte ſie, etwas mehr Wein zu trinken, um ihre Traurigkeit in etwas zu zerſtreuen, und ſie wurden wirklich um ein gu- tes munterer. Aber mit den Lebensgeiſtern wach- te bey Kronhelm das Andenken an Thereſen auch wieder lebhafter auf; er nahm ein Glas; ſtand auf; brachte Thereſens Geſundheit aus; und trank; und Thraͤnentropfen fielen ihm in den Wein. Alle

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/54>, abgerufen am 24.11.2024.