Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.nichts verbrochen hab, und also meine Schuld nicht mit tragen könnte. Aber alles war vergebens. Er wollte mit| mir leben und sterben, und sagte: daß er nun auch der Welt überdrüssig sey, wo ich soviel Hundsfütter angetroffen habe, und er woll mir dienen. Jch warf ihm noch ein: ich brauche kei- nen Dienst; mein kleines Plätzchen könn ich selbst bebauen, und auch sicher im Dorf gehen, wenn ich etwas nöthig habe, weil mich da, besonders wegen meines langen Barts, kein Mensch erkenne, wie ich denn auch wirklich einigemal mit ihm ins Dorf gewesen war. Erst nach einem Jahr, da ich ihm beständig angelegen hatte, ließ er sich bewegen mich zu verlassen. Er nahm mit tausend Thränen von mir Abschied; und sagte, daß er blos mir zu Gefallen gehen wolle, weil ich ihn so sehr darum bitte; er wiss' aber, daß es mich gereuen werde. Von dem Geld nahm er, ungeachtet meines Drin- gens, nur die Hälfte mit. Er sagte, es sey ihm, als ob er in die Hölle zurückkehren sollte. Er wisse nicht, wo er sich hinwenden müst, und werde mich gewiß oft besuchen. Jch glaubte, er sage dieses alles nur um meinetwillen, um mich zu bewegen, ihn zu meiner Erleichterung bey mir zu behalten. nichts verbrochen hab, und alſo meine Schuld nicht mit tragen koͤnnte. Aber alles war vergebens. Er wollte mit| mir leben und ſterben, und ſagte: daß er nun auch der Welt uͤberdruͤſſig ſey, wo ich ſoviel Hundsfuͤtter angetroffen habe, und er woll mir dienen. Jch warf ihm noch ein: ich brauche kei- nen Dienſt; mein kleines Plaͤtzchen koͤnn ich ſelbſt bebauen, und auch ſicher im Dorf gehen, wenn ich etwas noͤthig habe, weil mich da, beſonders wegen meines langen Barts, kein Menſch erkenne, wie ich denn auch wirklich einigemal mit ihm ins Dorf geweſen war. Erſt nach einem Jahr, da ich ihm beſtaͤndig angelegen hatte, ließ er ſich bewegen mich zu verlaſſen. Er nahm mit tauſend Thraͤnen von mir Abſchied; und ſagte, daß er blos mir zu Gefallen gehen wolle, weil ich ihn ſo ſehr darum bitte; er wiſſ’ aber, daß es mich gereuen werde. Von dem Geld nahm er, ungeachtet meines Drin- gens, nur die Haͤlfte mit. Er ſagte, es ſey ihm, als ob er in die Hoͤlle zuruͤckkehren ſollte. Er wiſſe nicht, wo er ſich hinwenden muͤſt, und werde mich gewiß oft beſuchen. Jch glaubte, er ſage dieſes alles nur um meinetwillen, um mich zu bewegen, ihn zu meiner Erleichterung bey mir zu behalten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0537" n="957"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> nichts verbrochen hab, und alſo meine Schuld nicht<lb/> mit tragen koͤnnte. Aber alles war vergebens. Er<lb/> wollte mit| mir leben und ſterben, und ſagte: daß<lb/> er nun auch der Welt uͤberdruͤſſig ſey, wo ich ſoviel<lb/> Hundsfuͤtter angetroffen habe, und er woll mir<lb/> dienen. Jch warf ihm noch ein: ich brauche kei-<lb/> nen Dienſt; mein kleines Plaͤtzchen koͤnn ich ſelbſt<lb/> bebauen, und auch ſicher im Dorf gehen, wenn ich<lb/> etwas noͤthig habe, weil mich da, beſonders wegen<lb/> meines langen Barts, kein Menſch erkenne, wie<lb/> ich denn auch wirklich einigemal mit ihm ins Dorf<lb/> geweſen war. Erſt nach einem Jahr, da ich ihm<lb/> beſtaͤndig angelegen hatte, ließ er ſich bewegen<lb/> mich zu verlaſſen. Er nahm mit tauſend Thraͤnen<lb/> von mir Abſchied; und ſagte, daß er blos mir zu<lb/> Gefallen gehen wolle, weil ich ihn ſo ſehr darum<lb/> bitte; er wiſſ’ aber, daß es mich gereuen werde.<lb/> Von dem Geld nahm er, ungeachtet meines Drin-<lb/> gens, nur die Haͤlfte mit. Er ſagte, es ſey ihm,<lb/> als ob er in die Hoͤlle zuruͤckkehren ſollte. Er wiſſe<lb/> nicht, wo er ſich hinwenden muͤſt, und werde mich<lb/> gewiß oft beſuchen. Jch glaubte, er ſage dieſes<lb/> alles nur um meinetwillen, um mich zu bewegen,<lb/> ihn zu meiner Erleichterung bey mir zu behalten.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [957/0537]
nichts verbrochen hab, und alſo meine Schuld nicht
mit tragen koͤnnte. Aber alles war vergebens. Er
wollte mit| mir leben und ſterben, und ſagte: daß
er nun auch der Welt uͤberdruͤſſig ſey, wo ich ſoviel
Hundsfuͤtter angetroffen habe, und er woll mir
dienen. Jch warf ihm noch ein: ich brauche kei-
nen Dienſt; mein kleines Plaͤtzchen koͤnn ich ſelbſt
bebauen, und auch ſicher im Dorf gehen, wenn ich
etwas noͤthig habe, weil mich da, beſonders wegen
meines langen Barts, kein Menſch erkenne, wie
ich denn auch wirklich einigemal mit ihm ins Dorf
geweſen war. Erſt nach einem Jahr, da ich ihm
beſtaͤndig angelegen hatte, ließ er ſich bewegen
mich zu verlaſſen. Er nahm mit tauſend Thraͤnen
von mir Abſchied; und ſagte, daß er blos mir zu
Gefallen gehen wolle, weil ich ihn ſo ſehr darum
bitte; er wiſſ’ aber, daß es mich gereuen werde.
Von dem Geld nahm er, ungeachtet meines Drin-
gens, nur die Haͤlfte mit. Er ſagte, es ſey ihm,
als ob er in die Hoͤlle zuruͤckkehren ſollte. Er wiſſe
nicht, wo er ſich hinwenden muͤſt, und werde mich
gewiß oft beſuchen. Jch glaubte, er ſage dieſes
alles nur um meinetwillen, um mich zu bewegen,
ihn zu meiner Erleichterung bey mir zu behalten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |