Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.und das Kutschenglas war vor, daß ichs nicht recht sehen konnte. Gott! Das ist Mariane! rief Siegwart. Wo ist sie hingefahren? -- Da aufs nächste Dorf zu, gleich drey Viertelstunden von uns. Jch hab doch nichts unrechts geredt, weil Sie so bleich drüber werden? -- Nein Thomas. Wenn fuhr der Herr wieder zurück? Wars nicht ein grosser hagrer Herr? -- Recht! Es war so ein dürrer Herr! Gestern Abend nach acht Uhr sah ich ihn an meinem Haus vorbeyfahren. -- Und er kam wieder von dem Dorf her, wo er hinge- fahren war? Ja, Herr! das Dorf heißt Altman- stein, wenn Sie hin wollen. Es geht immer grad aus. Jedes Kind kanns Jhnen sagen. Adjeu, Tho- mas! sagte Siegwart, und lief eilends fort nach dem Dorf zu. Der Bauer sah ihm voller Verwunderung nach. Siegwart kam in Thomas Dorf an, frag- te nach dem Weg nach Altmanstein, und lief hastig fort. Nun glaubte er, auf der Spur zu seyn, und hoffte seine Mariane gewiß auszukundschaften. Seine ganze Seele war jetzt von diesem einzigen Gedanken voll. Er achte- te nicht der grossen Sonnenhitze und des Schweisses, der ihm von den Wangen lief. Jn Altmanstein fragte er bey etlich Häusern, ob man nicht gestern eine Kutsche habe durchfahren sehn, und wo sie und das Kutſchenglas war vor, daß ichs nicht recht ſehen konnte. Gott! Das iſt Mariane! rief Siegwart. Wo iſt ſie hingefahren? — Da aufs naͤchſte Dorf zu, gleich drey Viertelſtunden von uns. Jch hab doch nichts unrechts geredt, weil Sie ſo bleich druͤber werden? — Nein Thomas. Wenn fuhr der Herr wieder zuruͤck? Wars nicht ein groſſer hagrer Herr? — Recht! Es war ſo ein duͤrrer Herr! Geſtern Abend nach acht Uhr ſah ich ihn an meinem Haus vorbeyfahren. — Und er kam wieder von dem Dorf her, wo er hinge- fahren war? Ja, Herr! das Dorf heißt Altman- ſtein, wenn Sie hin wollen. Es geht immer grad aus. Jedes Kind kanns Jhnen ſagen. Adjeu, Tho- mas! ſagte Siegwart, und lief eilends fort nach dem Dorf zu. Der Bauer ſah ihm voller Verwunderung nach. Siegwart kam in Thomas Dorf an, frag- te nach dem Weg nach Altmanſtein, und lief haſtig fort. Nun glaubte er, auf der Spur zu ſeyn, und hoffte ſeine Mariane gewiß auszukundſchaften. Seine ganze Seele war jetzt von dieſem einzigen Gedanken voll. Er achte- te nicht der groſſen Sonnenhitze und des Schweiſſes, der ihm von den Wangen lief. Jn Altmanſtein fragte er bey etlich Haͤuſern, ob man nicht geſtern eine Kutſche habe durchfahren ſehn, und wo ſie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0507" n="927"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> und das Kutſchenglas war vor, daß ichs nicht<lb/> recht ſehen konnte. Gott! Das iſt Mariane! rief<lb/> Siegwart. Wo iſt ſie hingefahren? — Da aufs<lb/> naͤchſte Dorf zu, gleich drey Viertelſtunden von<lb/> uns. Jch hab doch nichts unrechts geredt, weil<lb/> Sie ſo bleich druͤber werden? — Nein Thomas.<lb/> Wenn fuhr der Herr wieder zuruͤck? Wars nicht<lb/> ein groſſer hagrer Herr? — Recht! Es war<lb/> ſo ein duͤrrer Herr! Geſtern Abend nach acht<lb/> Uhr ſah ich ihn an meinem Haus vorbeyfahren. —<lb/> Und er kam wieder von dem Dorf her, wo er hinge-<lb/> fahren war? Ja, Herr! das Dorf heißt Altman-<lb/> ſtein, wenn Sie hin wollen. Es geht immer grad<lb/> aus. Jedes Kind kanns Jhnen ſagen. Adjeu, Tho-<lb/> mas! ſagte Siegwart, und lief eilends fort nach dem<lb/> Dorf zu. Der Bauer ſah ihm voller Verwunderung<lb/> nach. Siegwart kam in Thomas Dorf an, frag-<lb/> te nach dem Weg nach Altmanſtein, und lief haſtig fort.<lb/> Nun glaubte er, auf der Spur zu ſeyn, und hoffte ſeine<lb/> Mariane gewiß auszukundſchaften. Seine ganze Seele<lb/> war jetzt von dieſem einzigen Gedanken voll. Er achte-<lb/> te nicht der groſſen Sonnenhitze und des Schweiſſes,<lb/> der ihm von den Wangen lief. Jn Altmanſtein<lb/> fragte er bey etlich Haͤuſern, ob man nicht geſtern<lb/> eine Kutſche habe durchfahren ſehn, und wo ſie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [927/0507]
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recht ſehen konnte. Gott! Das iſt Mariane! rief
Siegwart. Wo iſt ſie hingefahren? — Da aufs
naͤchſte Dorf zu, gleich drey Viertelſtunden von
uns. Jch hab doch nichts unrechts geredt, weil
Sie ſo bleich druͤber werden? — Nein Thomas.
Wenn fuhr der Herr wieder zuruͤck? Wars nicht
ein groſſer hagrer Herr? — Recht! Es war
ſo ein duͤrrer Herr! Geſtern Abend nach acht
Uhr ſah ich ihn an meinem Haus vorbeyfahren. —
Und er kam wieder von dem Dorf her, wo er hinge-
fahren war? Ja, Herr! das Dorf heißt Altman-
ſtein, wenn Sie hin wollen. Es geht immer grad
aus. Jedes Kind kanns Jhnen ſagen. Adjeu, Tho-
mas! ſagte Siegwart, und lief eilends fort nach dem
Dorf zu. Der Bauer ſah ihm voller Verwunderung
nach. Siegwart kam in Thomas Dorf an, frag-
te nach dem Weg nach Altmanſtein, und lief haſtig fort.
Nun glaubte er, auf der Spur zu ſeyn, und hoffte ſeine
Mariane gewiß auszukundſchaften. Seine ganze Seele
war jetzt von dieſem einzigen Gedanken voll. Er achte-
te nicht der groſſen Sonnenhitze und des Schweiſſes,
der ihm von den Wangen lief. Jn Altmanſtein
fragte er bey etlich Haͤuſern, ob man nicht geſtern
eine Kutſche habe durchfahren ſehn, und wo ſie
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