Mariane. Warum nicht, mein Lieber? Fürch- ten Sie schon wieder?
Siegwart. Sollt' ich etwa nicht? Ach Maria- ne, Mariane! Jhre Gleichgültigkeit ist mir uner- klärlich. Jch kann nie ohne Zittern an den Hof- rath denken. Sie wissen, welchen Schrecken er uns schon gemacht hat.
Mariane. Und doch giengs vorüber. Seyn Sie ruhig! An meiner Liebe werden Sie doch nicht zweifeln?
Siegwart. An Jhrer Liebe warlich nicht! Aber schützt diese uns vor allem? Jch fürchte, ich fürchte, das Schicksal, oder Menschen werden uns nicht zusammen leben lassen.
Mariane. So läßts uns doch zusammen ster- ben. Denk an die Vögel dort im Busch! Ach Siegwart! du hast viel zu wenig Glauben an die Vorsehung, und an dich, und mich. Mein Herz hast du. Meine Hand noch nicht, aber sie soll keines andern werden. Jch schwör es dir aufs neu vor Gott und allen Heiligen. Man könnte dich mir rauben, aber keinem andern geben kann mich niemand. Dazu gehört mein Wille, und den Willen eines Menschen hat noch kein Mensch gezwungen.
Mariane. Warum nicht, mein Lieber? Fuͤrch- ten Sie ſchon wieder?
Siegwart. Sollt’ ich etwa nicht? Ach Maria- ne, Mariane! Jhre Gleichguͤltigkeit iſt mir uner- klaͤrlich. Jch kann nie ohne Zittern an den Hof- rath denken. Sie wiſſen, welchen Schrecken er uns ſchon gemacht hat.
Mariane. Und doch giengs voruͤber. Seyn Sie ruhig! An meiner Liebe werden Sie doch nicht zweifeln?
Siegwart. An Jhrer Liebe warlich nicht! Aber ſchuͤtzt dieſe uns vor allem? Jch fuͤrchte, ich fuͤrchte, das Schickſal, oder Menſchen werden uns nicht zuſammen leben laſſen.
Mariane. So laͤßts uns doch zuſammen ſter- ben. Denk an die Voͤgel dort im Buſch! Ach Siegwart! du haſt viel zu wenig Glauben an die Vorſehung, und an dich, und mich. Mein Herz haſt du. Meine Hand noch nicht, aber ſie ſoll keines andern werden. Jch ſchwoͤr es dir aufs neu vor Gott und allen Heiligen. Man koͤnnte dich mir rauben, aber keinem andern geben kann mich niemand. Dazu gehoͤrt mein Wille, und den Willen eines Menſchen hat noch kein Menſch gezwungen.
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Mariane. Warum nicht, mein Lieber? Fuͤrch-
ten Sie ſchon wieder?
Siegwart. Sollt’ ich etwa nicht? Ach Maria-
ne, Mariane! Jhre Gleichguͤltigkeit iſt mir uner-
klaͤrlich. Jch kann nie ohne Zittern an den Hof-
rath denken. Sie wiſſen, welchen Schrecken er
uns ſchon gemacht hat.
Mariane. Und doch giengs voruͤber. Seyn
Sie ruhig! An meiner Liebe werden Sie doch
nicht zweifeln?
Siegwart. An Jhrer Liebe warlich nicht!
Aber ſchuͤtzt dieſe uns vor allem? Jch fuͤrchte, ich
fuͤrchte, das Schickſal, oder Menſchen werden uns
nicht zuſammen leben laſſen.
Mariane. So laͤßts uns doch zuſammen ſter-
ben. Denk an die Voͤgel dort im Buſch! Ach
Siegwart! du haſt viel zu wenig Glauben an die
Vorſehung, und an dich, und mich. Mein Herz
haſt du. Meine Hand noch nicht, aber ſie ſoll
keines andern werden. Jch ſchwoͤr es dir aufs
neu vor Gott und allen Heiligen. Man koͤnnte
dich mir rauben, aber keinem andern geben kann
mich niemand. Dazu gehoͤrt mein Wille, und den
Willen eines Menſchen hat noch kein Menſch
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 864. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/444>, abgerufen am 22.11.2024.
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