Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



müthig. Mariane sank ihm endlich an sein Herz.
Er ließ die Flöte sinken, und umarmte sie. Kei-
nes konnte vor Entzücken und Empfindung spre-
chen. Nachdem er Marianen gnug geküßt hatte,
mußte er noch drey, oder vier Arien spielen, und
gieng erst um zehn Uhr auf sein Dorf hinüber.
Die Frauenzimmer begleiteten ihn noch. Unter-
wegs freuten sie sich über die häufigen Johannis-
würmchen, die wie kleine Feuerfunken durch die
Nacht flogen. Siegwart fieng ein paar Würm-
chen. Eins davon legte er auf seinen, und das
andre auf Marianens Sonnenhut. Als sie von
einander Abschied nahmen, blieb er stehen, und
sah das Würmchen noch lang auf ihrem Hut glän-
zen.

Seinen Bauren Thomas und sein Weib
traf er noch auf der Bank vor dem Haus
sitzend an. Er merkte, daß sie niedergeschlagen wä-
ren, wollte sie aber heut nicht mehr um die Ursa-
che davon fragen. Auf der Kammer legte er sich
noch ins Fenster, und blies, eh er zu Bette gieng,
fünf, oder sechs Flötenstücke. Um vier Uhr stand
er den andern Morgen auf, und gieng zu Tho-
mas hinunter. Dieser saß, die Hand an den Kopf

J i i



muͤthig. Mariane ſank ihm endlich an ſein Herz.
Er ließ die Floͤte ſinken, und umarmte ſie. Kei-
nes konnte vor Entzuͤcken und Empfindung ſpre-
chen. Nachdem er Marianen gnug gekuͤßt hatte,
mußte er noch drey, oder vier Arien ſpielen, und
gieng erſt um zehn Uhr auf ſein Dorf hinuͤber.
Die Frauenzimmer begleiteten ihn noch. Unter-
wegs freuten ſie ſich uͤber die haͤufigen Johannis-
wuͤrmchen, die wie kleine Feuerfunken durch die
Nacht flogen. Siegwart fieng ein paar Wuͤrm-
chen. Eins davon legte er auf ſeinen, und das
andre auf Marianens Sonnenhut. Als ſie von
einander Abſchied nahmen, blieb er ſtehen, und
ſah das Wuͤrmchen noch lang auf ihrem Hut glaͤn-
zen.

Seinen Bauren Thomas und ſein Weib
traf er noch auf der Bank vor dem Haus
ſitzend an. Er merkte, daß ſie niedergeſchlagen waͤ-
ren, wollte ſie aber heut nicht mehr um die Urſa-
che davon fragen. Auf der Kammer legte er ſich
noch ins Fenſter, und blies, eh er zu Bette gieng,
fuͤnf, oder ſechs Floͤtenſtuͤcke. Um vier Uhr ſtand
er den andern Morgen auf, und gieng zu Tho-
mas hinunter. Dieſer ſaß, die Hand an den Kopf

J i i
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0437" n="857"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
mu&#x0364;thig. Mariane &#x017F;ank ihm endlich an &#x017F;ein Herz.<lb/>
Er ließ die Flo&#x0364;te &#x017F;inken, und umarmte &#x017F;ie. Kei-<lb/>
nes konnte vor Entzu&#x0364;cken und Empfindung &#x017F;pre-<lb/>
chen. Nachdem er Marianen gnug geku&#x0364;ßt hatte,<lb/>
mußte er noch drey, oder vier Arien &#x017F;pielen, und<lb/>
gieng er&#x017F;t um zehn Uhr auf &#x017F;ein Dorf hinu&#x0364;ber.<lb/>
Die Frauenzimmer begleiteten ihn noch. Unter-<lb/>
wegs freuten &#x017F;ie &#x017F;ich u&#x0364;ber die ha&#x0364;ufigen Johannis-<lb/>
wu&#x0364;rmchen, die wie kleine Feuerfunken durch die<lb/>
Nacht flogen. Siegwart fieng ein paar Wu&#x0364;rm-<lb/>
chen. Eins davon legte er auf &#x017F;einen, und das<lb/>
andre auf Marianens Sonnenhut. Als &#x017F;ie von<lb/>
einander Ab&#x017F;chied nahmen, blieb er &#x017F;tehen, und<lb/>
&#x017F;ah das Wu&#x0364;rmchen noch lang auf ihrem Hut gla&#x0364;n-<lb/>
zen.</p><lb/>
        <p>Seinen Bauren <hi rendition="#fr">Thomas</hi> und &#x017F;ein Weib<lb/>
traf er noch auf der Bank vor dem Haus<lb/>
&#x017F;itzend an. Er merkte, daß &#x017F;ie niederge&#x017F;chlagen wa&#x0364;-<lb/>
ren, wollte &#x017F;ie aber heut nicht mehr um die Ur&#x017F;a-<lb/>
che davon fragen. Auf der Kammer legte er &#x017F;ich<lb/>
noch ins Fen&#x017F;ter, und blies, eh er zu Bette gieng,<lb/>
fu&#x0364;nf, oder &#x017F;echs Flo&#x0364;ten&#x017F;tu&#x0364;cke. Um vier Uhr &#x017F;tand<lb/>
er den andern Morgen auf, und gieng zu Tho-<lb/>
mas hinunter. Die&#x017F;er &#x017F;aß, die Hand an den Kopf<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J i i</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[857/0437] muͤthig. Mariane ſank ihm endlich an ſein Herz. Er ließ die Floͤte ſinken, und umarmte ſie. Kei- nes konnte vor Entzuͤcken und Empfindung ſpre- chen. Nachdem er Marianen gnug gekuͤßt hatte, mußte er noch drey, oder vier Arien ſpielen, und gieng erſt um zehn Uhr auf ſein Dorf hinuͤber. Die Frauenzimmer begleiteten ihn noch. Unter- wegs freuten ſie ſich uͤber die haͤufigen Johannis- wuͤrmchen, die wie kleine Feuerfunken durch die Nacht flogen. Siegwart fieng ein paar Wuͤrm- chen. Eins davon legte er auf ſeinen, und das andre auf Marianens Sonnenhut. Als ſie von einander Abſchied nahmen, blieb er ſtehen, und ſah das Wuͤrmchen noch lang auf ihrem Hut glaͤn- zen. Seinen Bauren Thomas und ſein Weib traf er noch auf der Bank vor dem Haus ſitzend an. Er merkte, daß ſie niedergeſchlagen waͤ- ren, wollte ſie aber heut nicht mehr um die Urſa- che davon fragen. Auf der Kammer legte er ſich noch ins Fenſter, und blies, eh er zu Bette gieng, fuͤnf, oder ſechs Floͤtenſtuͤcke. Um vier Uhr ſtand er den andern Morgen auf, und gieng zu Tho- mas hinunter. Dieſer ſaß, die Hand an den Kopf J i i

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/437
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 857. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/437>, abgerufen am 22.11.2024.