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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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zittert, wenn Sie bey dem fürchterlichen Wetter
gekommen wären. Wir glaubten hier, die Welt
werde untergehn; es war Feuer an Feuer, und
Schlag auf Schlag. Besonders Einmal kam
ein Donnerschlag, von dem wir glaubten, er hab
unser Haus getroffen; wenigstens muß der Blitz
ganz in der Nähe eingeschlagen haben. Jetzt ists
schon zu dämmerig; morgen sollen Sie sehen,
wie der Hagel unsre lieben Blumen, und den gan-
zen Garten mitgenommen hat. Frau Held kam
nun auch, und bewillkommte unsern Siegwart.
Sie setzten sich in den Gartensaal zusammen. Frau
Held spielte den Flügel, und Siegwart saß mit
seiner Mariane auf dem Kanapee, gab und nahm
tausend Küsse; und empfand das Glück der Zärt-
lichkeit gedoppelt, weil er von seinem Engel einige
Tage hatte getrennt leben müssen. Nach dem
Abendessen giengen sie im Garten spatzieren. Sieg-
wart schlich sich unvermerkt weg; setzte sich auf ei-
nen halb umgebognen Birnbaum, und fieng an,
auf der Flöte zu spielen. Bravo, bravo! riefen
die Frauenzimmer, kamen zu ihm, und setzten sich
ihm zur Seite an den Birnbaum. Der Ton sei-
ner Flöte klang wie Silber durch die stille Som-
mernacht. Jhre Herzen wurden weich, und weh-



zittert, wenn Sie bey dem fuͤrchterlichen Wetter
gekommen waͤren. Wir glaubten hier, die Welt
werde untergehn; es war Feuer an Feuer, und
Schlag auf Schlag. Beſonders Einmal kam
ein Donnerſchlag, von dem wir glaubten, er hab
unſer Haus getroffen; wenigſtens muß der Blitz
ganz in der Naͤhe eingeſchlagen haben. Jetzt iſts
ſchon zu daͤmmerig; morgen ſollen Sie ſehen,
wie der Hagel unſre lieben Blumen, und den gan-
zen Garten mitgenommen hat. Frau Held kam
nun auch, und bewillkommte unſern Siegwart.
Sie ſetzten ſich in den Gartenſaal zuſammen. Frau
Held ſpielte den Fluͤgel, und Siegwart ſaß mit
ſeiner Mariane auf dem Kanapee, gab und nahm
tauſend Kuͤſſe; und empfand das Gluͤck der Zaͤrt-
lichkeit gedoppelt, weil er von ſeinem Engel einige
Tage hatte getrennt leben muͤſſen. Nach dem
Abendeſſen giengen ſie im Garten ſpatzieren. Sieg-
wart ſchlich ſich unvermerkt weg; ſetzte ſich auf ei-
nen halb umgebognen Birnbaum, und fieng an,
auf der Floͤte zu ſpielen. Bravo, bravo! riefen
die Frauenzimmer, kamen zu ihm, und ſetzten ſich
ihm zur Seite an den Birnbaum. Der Ton ſei-
ner Floͤte klang wie Silber durch die ſtille Som-
mernacht. Jhre Herzen wurden weich, und weh-

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[856/0436] zittert, wenn Sie bey dem fuͤrchterlichen Wetter gekommen waͤren. Wir glaubten hier, die Welt werde untergehn; es war Feuer an Feuer, und Schlag auf Schlag. Beſonders Einmal kam ein Donnerſchlag, von dem wir glaubten, er hab unſer Haus getroffen; wenigſtens muß der Blitz ganz in der Naͤhe eingeſchlagen haben. Jetzt iſts ſchon zu daͤmmerig; morgen ſollen Sie ſehen, wie der Hagel unſre lieben Blumen, und den gan- zen Garten mitgenommen hat. Frau Held kam nun auch, und bewillkommte unſern Siegwart. Sie ſetzten ſich in den Gartenſaal zuſammen. Frau Held ſpielte den Fluͤgel, und Siegwart ſaß mit ſeiner Mariane auf dem Kanapee, gab und nahm tauſend Kuͤſſe; und empfand das Gluͤck der Zaͤrt- lichkeit gedoppelt, weil er von ſeinem Engel einige Tage hatte getrennt leben muͤſſen. Nach dem Abendeſſen giengen ſie im Garten ſpatzieren. Sieg- wart ſchlich ſich unvermerkt weg; ſetzte ſich auf ei- nen halb umgebognen Birnbaum, und fieng an, auf der Floͤte zu ſpielen. Bravo, bravo! riefen die Frauenzimmer, kamen zu ihm, und ſetzten ſich ihm zur Seite an den Birnbaum. Der Ton ſei- ner Floͤte klang wie Silber durch die ſtille Som- mernacht. Jhre Herzen wurden weich, und weh-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 856. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/436>, abgerufen am 25.11.2024.