diente, und -- siehe da! Es war Marr, den Kronhelm angenommen hatte.
O daß ich Sie nur wieder einmal sehe! fieng er an. Jch bin weit und breit im Land herumge- laufen; können Sie mir nichts von meinem gnäd- gen Herrn sagen? -- O ja, antwortete Siegwart. Er ist wohl auf, und nimmt nächstens eine Frau. Gott sey Lob und Dank! rief der Kerl aus, und sprang vor Freuden in die Höhe. Hab ichs doch immer gesagt: so einem braven Herrn kanns nicht übel gehen! Ja, Herr Siegwart, das war ein Jammer! Sie werden mirs kaum glauben. Da brachte man den alten Herrn auf einer Tragbahre heim. Das Blut lief aus Mund und Nase, wie ein Röhrkasten; und dabey schimpfte und fluchte er auf meinen gnädgen Herrn, daß ich mich kreu- zigte und segnete. Es hieß, mein Herr sey verlohren, und man wiss' nichts von ihm. Man müss' ihn überall aufsuchen. Jch konnte das nun nicht begreifen, aber ich nahm den ersten besten Gaul im Stall, und ritt, wo die Mähre hin wollte, denn ich wuste -- Gott verzeih mirs! -- von meinem Herrn so wenig als der Gaul. Keine Seele wollt ihn gesehen haben, wo ich fragte. Jch rannte durch Hecken und Stauden, durch dick und
diente, und — ſiehe da! Es war Marr, den Kronhelm angenommen hatte.
O daß ich Sie nur wieder einmal ſehe! fieng er an. Jch bin weit und breit im Land herumge- laufen; koͤnnen Sie mir nichts von meinem gnaͤd- gen Herrn ſagen? — O ja, antwortete Siegwart. Er iſt wohl auf, und nimmt naͤchſtens eine Frau. Gott ſey Lob und Dank! rief der Kerl aus, und ſprang vor Freuden in die Hoͤhe. Hab ichs doch immer geſagt: ſo einem braven Herrn kanns nicht uͤbel gehen! Ja, Herr Siegwart, das war ein Jammer! Sie werden mirs kaum glauben. Da brachte man den alten Herrn auf einer Tragbahre heim. Das Blut lief aus Mund und Naſe, wie ein Roͤhrkaſten; und dabey ſchimpfte und fluchte er auf meinen gnaͤdgen Herrn, daß ich mich kreu- zigte und ſegnete. Es hieß, mein Herr ſey verlohren, und man wiſſ’ nichts von ihm. Man muͤſſ’ ihn uͤberall aufſuchen. Jch konnte das nun nicht begreifen, aber ich nahm den erſten beſten Gaul im Stall, und ritt, wo die Maͤhre hin wollte, denn ich wuſte — Gott verzeih mirs! — von meinem Herrn ſo wenig als der Gaul. Keine Seele wollt ihn geſehen haben, wo ich fragte. Jch rannte durch Hecken und Stauden, durch dick und
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diente, und — ſiehe da! Es war Marr, den
Kronhelm angenommen hatte.
O daß ich Sie nur wieder einmal ſehe! fieng er
an. Jch bin weit und breit im Land herumge-
laufen; koͤnnen Sie mir nichts von meinem gnaͤd-
gen Herrn ſagen? — O ja, antwortete Siegwart.
Er iſt wohl auf, und nimmt naͤchſtens eine Frau.
Gott ſey Lob und Dank! rief der Kerl aus, und
ſprang vor Freuden in die Hoͤhe. Hab ichs doch
immer geſagt: ſo einem braven Herrn kanns nicht
uͤbel gehen! Ja, Herr Siegwart, das war ein
Jammer! Sie werden mirs kaum glauben. Da
brachte man den alten Herrn auf einer Tragbahre
heim. Das Blut lief aus Mund und Naſe, wie
ein Roͤhrkaſten; und dabey ſchimpfte und fluchte
er auf meinen gnaͤdgen Herrn, daß ich mich kreu-
zigte und ſegnete. Es hieß, mein Herr ſey
verlohren, und man wiſſ’ nichts von ihm.
Man muͤſſ’ ihn uͤberall aufſuchen. Jch konnte
das nun nicht begreifen, aber ich nahm den erſten
beſten Gaul im Stall, und ritt, wo die Maͤhre
hin wollte, denn ich wuſte — Gott verzeih mirs! —
von meinem Herrn ſo wenig als der Gaul. Keine
Seele wollt ihn geſehen haben, wo ich fragte. Jch
rannte durch Hecken und Stauden, durch dick und
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 801. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/381>, abgerufen am 25.11.2024.
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