Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.niß der Umstände so habe schreiben müssen. Sie wird es selber einsehen, sagte er, da sie nun deinen Vater selbst kennt. Und deswegen, daß du verspro- chen hast, ihr nicht mehr zu schreiben, kannst du auch ziemlich unbesorgt seyn, da ich ihr alle Wochen schreibe; da kannst du mir ja alles in die Feder sa- gen, was du an sie geschrieben haben willst; und so kann sie's wieder in den Briefen an mich ma- chen, dieß beruhigte zwar Kronhelm etwas, aber doch nicht viel; und er zitterte vor Theresens näch- stem Briefe. P. Philipp, dem sie die Geschichte auch erzählten, arbeitete sehr daran, unserm Kron- helm einen gesetzten Muth beyzubringen, denn er befürchtete nicht ohne Grund noch traurigere Auf- tritte. Er hielt ihm, mit der größten Rührung, die Pflichten vor, die er seinem Vater, der Welt, The- resen und sich selber schuldig sey. Jch will, sagte er, das Verfahren seines Vaters nicht entschuldigen; aber ganz Unrecht hat er doch auch nicht, daß er sich einer Verbindung widersetzt, die ohne sein Vorwis- sen, und (wie Er vorauswissen konnte) ohne seine Bewilligung mit einer Person eingegangen wor- den ist, die sein Vater nicht kennt, und die von ei- nem andern Stand ist, als er. Zwar an sich be- trachtet, ist der Stand nichts, aber in unsre jetzige niß der Umſtaͤnde ſo habe ſchreiben muͤſſen. Sie wird es ſelber einſehen, ſagte er, da ſie nun deinen Vater ſelbſt kennt. Und deswegen, daß du verſpro- chen haſt, ihr nicht mehr zu ſchreiben, kannſt du auch ziemlich unbeſorgt ſeyn, da ich ihr alle Wochen ſchreibe; da kannſt du mir ja alles in die Feder ſa- gen, was du an ſie geſchrieben haben willſt; und ſo kann ſie’s wieder in den Briefen an mich ma- chen, dieß beruhigte zwar Kronhelm etwas, aber doch nicht viel; und er zitterte vor Thereſens naͤch- ſtem Briefe. P. Philipp, dem ſie die Geſchichte auch erzaͤhlten, arbeitete ſehr daran, unſerm Kron- helm einen geſetzten Muth beyzubringen, denn er befuͤrchtete nicht ohne Grund noch traurigere Auf- tritte. Er hielt ihm, mit der groͤßten Ruͤhrung, die Pflichten vor, die er ſeinem Vater, der Welt, The- reſen und ſich ſelber ſchuldig ſey. Jch will, ſagte er, das Verfahren ſeines Vaters nicht entſchuldigen; aber ganz Unrecht hat er doch auch nicht, daß er ſich einer Verbindung widerſetzt, die ohne ſein Vorwiſ- ſen, und (wie Er vorauswiſſen konnte) ohne ſeine Bewilligung mit einer Perſon eingegangen wor- den iſt, die ſein Vater nicht kennt, und die von ei- nem andern Stand iſt, als er. Zwar an ſich be- trachtet, iſt der Stand nichts, aber in unſre jetzige <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0038" n="458"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> niß der Umſtaͤnde ſo habe ſchreiben muͤſſen. Sie<lb/> wird es ſelber einſehen, ſagte er, da ſie nun deinen<lb/> Vater ſelbſt kennt. Und deswegen, daß du verſpro-<lb/> chen haſt, ihr nicht mehr zu ſchreiben, kannſt du<lb/> auch ziemlich unbeſorgt ſeyn, da ich ihr alle Wochen<lb/> ſchreibe; da kannſt du mir ja alles in die Feder ſa-<lb/> gen, was du an ſie geſchrieben haben willſt; und<lb/> ſo kann ſie’s wieder in den Briefen an mich ma-<lb/> chen, dieß beruhigte zwar <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> etwas, aber<lb/> doch nicht viel; und er zitterte vor <hi rendition="#fr">Thereſens</hi> naͤch-<lb/> ſtem Briefe. <hi rendition="#fr">P. Philipp,</hi> dem ſie die Geſchichte<lb/> auch erzaͤhlten, arbeitete ſehr daran, unſerm <hi rendition="#fr">Kron-<lb/> helm</hi> einen geſetzten Muth beyzubringen, denn er<lb/> befuͤrchtete nicht ohne Grund noch traurigere Auf-<lb/> tritte. Er hielt ihm, mit der groͤßten Ruͤhrung, die<lb/> Pflichten vor, die er ſeinem Vater, der Welt, The-<lb/> reſen und ſich ſelber ſchuldig ſey. Jch will, ſagte er,<lb/> das Verfahren ſeines Vaters nicht entſchuldigen;<lb/> aber ganz Unrecht hat er doch auch nicht, daß er ſich<lb/> einer Verbindung widerſetzt, die ohne ſein Vorwiſ-<lb/> ſen, und (wie Er vorauswiſſen konnte) ohne ſeine<lb/> Bewilligung mit einer Perſon eingegangen wor-<lb/> den iſt, die ſein Vater nicht kennt, und die von ei-<lb/> nem andern Stand iſt, als er. Zwar an ſich be-<lb/> trachtet, iſt der Stand nichts, aber in unſre jetzige<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [458/0038]
niß der Umſtaͤnde ſo habe ſchreiben muͤſſen. Sie
wird es ſelber einſehen, ſagte er, da ſie nun deinen
Vater ſelbſt kennt. Und deswegen, daß du verſpro-
chen haſt, ihr nicht mehr zu ſchreiben, kannſt du
auch ziemlich unbeſorgt ſeyn, da ich ihr alle Wochen
ſchreibe; da kannſt du mir ja alles in die Feder ſa-
gen, was du an ſie geſchrieben haben willſt; und
ſo kann ſie’s wieder in den Briefen an mich ma-
chen, dieß beruhigte zwar Kronhelm etwas, aber
doch nicht viel; und er zitterte vor Thereſens naͤch-
ſtem Briefe. P. Philipp, dem ſie die Geſchichte
auch erzaͤhlten, arbeitete ſehr daran, unſerm Kron-
helm einen geſetzten Muth beyzubringen, denn er
befuͤrchtete nicht ohne Grund noch traurigere Auf-
tritte. Er hielt ihm, mit der groͤßten Ruͤhrung, die
Pflichten vor, die er ſeinem Vater, der Welt, The-
reſen und ſich ſelber ſchuldig ſey. Jch will, ſagte er,
das Verfahren ſeines Vaters nicht entſchuldigen;
aber ganz Unrecht hat er doch auch nicht, daß er ſich
einer Verbindung widerſetzt, die ohne ſein Vorwiſ-
ſen, und (wie Er vorauswiſſen konnte) ohne ſeine
Bewilligung mit einer Perſon eingegangen wor-
den iſt, die ſein Vater nicht kennt, und die von ei-
nem andern Stand iſt, als er. Zwar an ſich be-
trachtet, iſt der Stand nichts, aber in unſre jetzige
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