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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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abgetrocknet hat, die ich rinnen sah! Freut euch
nun der goldnen Tage, die die Liebe für euch auf-
gehen heist! Rosen müssen euch durchs ganze Leben
blühen, und euch täglich einen Kranz geben, euer
Haar damit zu schmücken. Euer Grab sey in einem
Rosenwäldchen, wo ihr unter lieblichen Gerüchen
einschlummert! Mir ist ein Cypressenwald gepflanzt,
in dem ich weinen muß. Mich hat die Liebe we-
nig Tage nur gesegnet. Jch habe wenig Tropfen
ihres süssen Zaubertranks gekostet; nun reicht sie
mir einen Becher dar voll Wehmuth. Vielleicht
hat bald ein andrer Marianens Hand; nicht ihr
Herz, denn das ist mein, und dieß ist der Stab,
an dem ich mich im Thal der Leiden halte. --

Seyd gesegnet, meine Lieben, seyd gesegnet! Dieß
wünsch ich Euch, mit Thränen in den Augen.
Möcht ichs einmal können ohne Thränen! Aber,
wie der Herr will, der mir Freuden erst gegeben
hat, und mir nun Leiden gibt. Segne, liebste
Schwester, unsern theuren Vater, aber sag ihm
nichts von meinen Leiden! daß nicht seine Freude
düster, und umwölkt werde! Du bist mein Schwa-
ger, Kronhelm, und ich liebe dich, wie meine
Seele. Du machst meine Schwester glücklich, und
sie lohnet dir mit ihrer Liebe. Jch wollt euch ei-



abgetrocknet hat, die ich rinnen ſah! Freut euch
nun der goldnen Tage, die die Liebe fuͤr euch auf-
gehen heiſt! Roſen muͤſſen euch durchs ganze Leben
bluͤhen, und euch taͤglich einen Kranz geben, euer
Haar damit zu ſchmuͤcken. Euer Grab ſey in einem
Roſenwaͤldchen, wo ihr unter lieblichen Geruͤchen
einſchlummert! Mir iſt ein Cypreſſenwald gepflanzt,
in dem ich weinen muß. Mich hat die Liebe we-
nig Tage nur geſegnet. Jch habe wenig Tropfen
ihres ſuͤſſen Zaubertranks gekoſtet; nun reicht ſie
mir einen Becher dar voll Wehmuth. Vielleicht
hat bald ein andrer Marianens Hand; nicht ihr
Herz, denn das iſt mein, und dieß iſt der Stab,
an dem ich mich im Thal der Leiden halte. —

Seyd geſegnet, meine Lieben, ſeyd geſegnet! Dieß
wuͤnſch ich Euch, mit Thraͤnen in den Augen.
Moͤcht ichs einmal koͤnnen ohne Thraͤnen! Aber,
wie der Herr will, der mir Freuden erſt gegeben
hat, und mir nun Leiden gibt. Segne, liebſte
Schweſter, unſern theuren Vater, aber ſag ihm
nichts von meinen Leiden! daß nicht ſeine Freude
duͤſter, und umwoͤlkt werde! Du biſt mein Schwa-
ger, Kronhelm, und ich liebe dich, wie meine
Seele. Du machſt meine Schweſter gluͤcklich, und
ſie lohnet dir mit ihrer Liebe. Jch wollt euch ei-

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[798/0378] abgetrocknet hat, die ich rinnen ſah! Freut euch nun der goldnen Tage, die die Liebe fuͤr euch auf- gehen heiſt! Roſen muͤſſen euch durchs ganze Leben bluͤhen, und euch taͤglich einen Kranz geben, euer Haar damit zu ſchmuͤcken. Euer Grab ſey in einem Roſenwaͤldchen, wo ihr unter lieblichen Geruͤchen einſchlummert! Mir iſt ein Cypreſſenwald gepflanzt, in dem ich weinen muß. Mich hat die Liebe we- nig Tage nur geſegnet. Jch habe wenig Tropfen ihres ſuͤſſen Zaubertranks gekoſtet; nun reicht ſie mir einen Becher dar voll Wehmuth. Vielleicht hat bald ein andrer Marianens Hand; nicht ihr Herz, denn das iſt mein, und dieß iſt der Stab, an dem ich mich im Thal der Leiden halte. — Seyd geſegnet, meine Lieben, ſeyd geſegnet! Dieß wuͤnſch ich Euch, mit Thraͤnen in den Augen. Moͤcht ichs einmal koͤnnen ohne Thraͤnen! Aber, wie der Herr will, der mir Freuden erſt gegeben hat, und mir nun Leiden gibt. Segne, liebſte Schweſter, unſern theuren Vater, aber ſag ihm nichts von meinen Leiden! daß nicht ſeine Freude duͤſter, und umwoͤlkt werde! Du biſt mein Schwa- ger, Kronhelm, und ich liebe dich, wie meine Seele. Du machſt meine Schweſter gluͤcklich, und ſie lohnet dir mit ihrer Liebe. Jch wollt euch ei-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 798. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/378>, abgerufen am 22.11.2024.