Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



kam mir bedenklich vor; aber ich merkte weiter
nichts. Die Stellmann war mir jetzt mit ihrer
buhlerischen Freundlichkeit noch unausstehlicher, weil
ich von meiner Schwester wuste, was sie seit der
Zeit mit dem süssen Silberling für einen ärgerlichen
Liebeshandel gehabt hatte. Jch hätte sie lieber an-
speyen, als viel mit ihr machen mögen, und doch
war sie so zuthätig, daß ich nicht wuste, wohin?
Man sprach mir stark zu, zu trinken, und im
Aerger trank ich ziemlich. Nach und nach fielen
von Seiten Jobsts und meines Vaters, und des
Amtmanns allerley Anspielungen vor: Wir gäben
so ein hübsches Paar ab, u. s. w. daß ich wol
merken konnte, es sey abgekartet, und auf mich
gemünzt. Jch that aber, als ob ichs nicht hörte,
oder nicht verstünde. Jch sah immer auf der Uhr,
und sehnte mich weit weg. Einmal gieng ich in
den Stall hinunter, sah nach meinem Pferd,
und machte etwas am Gurt zurechte, das vorher
auf der Jagd aufgegangen war. Jch hielt mich mit
Fleiß lang auf, und kam erst nach einer Viertel-
stunde wieder aufs Zimmer. Da sassen sie all auf
Einem Haufen, steckten die Köpfe zusammen, und
fuhren auseinander, als ich herein trat. Das
machte mich nun noch stutziger. Mein Vater sagte:



kam mir bedenklich vor; aber ich merkte weiter
nichts. Die Stellmann war mir jetzt mit ihrer
buhleriſchen Freundlichkeit noch unausſtehlicher, weil
ich von meiner Schweſter wuſte, was ſie ſeit der
Zeit mit dem ſuͤſſen Silberling fuͤr einen aͤrgerlichen
Liebeshandel gehabt hatte. Jch haͤtte ſie lieber an-
ſpeyen, als viel mit ihr machen moͤgen, und doch
war ſie ſo zuthaͤtig, daß ich nicht wuſte, wohin?
Man ſprach mir ſtark zu, zu trinken, und im
Aerger trank ich ziemlich. Nach und nach fielen
von Seiten Jobſts und meines Vaters, und des
Amtmanns allerley Anſpielungen vor: Wir gaͤben
ſo ein huͤbſches Paar ab, u. ſ. w. daß ich wol
merken konnte, es ſey abgekartet, und auf mich
gemuͤnzt. Jch that aber, als ob ichs nicht hoͤrte,
oder nicht verſtuͤnde. Jch ſah immer auf der Uhr,
und ſehnte mich weit weg. Einmal gieng ich in
den Stall hinunter, ſah nach meinem Pferd,
und machte etwas am Gurt zurechte, das vorher
auf der Jagd aufgegangen war. Jch hielt mich mit
Fleiß lang auf, und kam erſt nach einer Viertel-
ſtunde wieder aufs Zimmer. Da ſaſſen ſie all auf
Einem Haufen, ſteckten die Koͤpfe zuſammen, und
fuhren auseinander, als ich herein trat. Das
machte mich nun noch ſtutziger. Mein Vater ſagte:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <floatingText>
            <body>
              <div type="letter">
                <p><pb facs="#f0349" n="769"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
kam mir bedenklich vor; aber ich merkte weiter<lb/>
nichts. Die Stellmann war mir jetzt mit ihrer<lb/>
buhleri&#x017F;chen Freundlichkeit noch unaus&#x017F;tehlicher, weil<lb/>
ich von meiner Schwe&#x017F;ter wu&#x017F;te, was &#x017F;ie &#x017F;eit der<lb/>
Zeit mit dem &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Silberling fu&#x0364;r einen a&#x0364;rgerlichen<lb/>
Liebeshandel gehabt hatte. Jch ha&#x0364;tte &#x017F;ie lieber an-<lb/>
&#x017F;peyen, als viel mit ihr machen mo&#x0364;gen, und doch<lb/>
war &#x017F;ie &#x017F;o zutha&#x0364;tig, daß ich nicht wu&#x017F;te, wohin?<lb/>
Man &#x017F;prach mir &#x017F;tark zu, zu trinken, und im<lb/>
Aerger trank ich ziemlich. Nach und nach fielen<lb/>
von Seiten Job&#x017F;ts und meines Vaters, und des<lb/>
Amtmanns allerley An&#x017F;pielungen vor: Wir ga&#x0364;ben<lb/>
&#x017F;o ein hu&#x0364;b&#x017F;ches Paar ab, u. &#x017F;. w. daß ich wol<lb/>
merken konnte, es &#x017F;ey abgekartet, und auf mich<lb/>
gemu&#x0364;nzt. Jch that aber, als ob ichs nicht ho&#x0364;rte,<lb/>
oder nicht ver&#x017F;tu&#x0364;nde. Jch &#x017F;ah immer auf der Uhr,<lb/>
und &#x017F;ehnte mich weit weg. Einmal gieng ich in<lb/>
den Stall hinunter, &#x017F;ah nach meinem Pferd,<lb/>
und machte etwas am Gurt zurechte, das vorher<lb/>
auf der Jagd aufgegangen war. Jch hielt mich mit<lb/>
Fleiß lang auf, und kam er&#x017F;t nach einer Viertel-<lb/>
&#x017F;tunde wieder aufs Zimmer. Da &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie all auf<lb/>
Einem Haufen, &#x017F;teckten die Ko&#x0364;pfe zu&#x017F;ammen, und<lb/>
fuhren auseinander, als ich herein trat. Das<lb/>
machte mich nun noch &#x017F;tutziger. Mein Vater &#x017F;agte:<lb/></p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[769/0349] kam mir bedenklich vor; aber ich merkte weiter nichts. Die Stellmann war mir jetzt mit ihrer buhleriſchen Freundlichkeit noch unausſtehlicher, weil ich von meiner Schweſter wuſte, was ſie ſeit der Zeit mit dem ſuͤſſen Silberling fuͤr einen aͤrgerlichen Liebeshandel gehabt hatte. Jch haͤtte ſie lieber an- ſpeyen, als viel mit ihr machen moͤgen, und doch war ſie ſo zuthaͤtig, daß ich nicht wuſte, wohin? Man ſprach mir ſtark zu, zu trinken, und im Aerger trank ich ziemlich. Nach und nach fielen von Seiten Jobſts und meines Vaters, und des Amtmanns allerley Anſpielungen vor: Wir gaͤben ſo ein huͤbſches Paar ab, u. ſ. w. daß ich wol merken konnte, es ſey abgekartet, und auf mich gemuͤnzt. Jch that aber, als ob ichs nicht hoͤrte, oder nicht verſtuͤnde. Jch ſah immer auf der Uhr, und ſehnte mich weit weg. Einmal gieng ich in den Stall hinunter, ſah nach meinem Pferd, und machte etwas am Gurt zurechte, das vorher auf der Jagd aufgegangen war. Jch hielt mich mit Fleiß lang auf, und kam erſt nach einer Viertel- ſtunde wieder aufs Zimmer. Da ſaſſen ſie all auf Einem Haufen, ſteckten die Koͤpfe zuſammen, und fuhren auseinander, als ich herein trat. Das machte mich nun noch ſtutziger. Mein Vater ſagte:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/349
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 769. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/349>, abgerufen am 22.11.2024.