Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


Kronhelm. Schreiben? -- Aber denk:
Mein eignes Todesurtheil!

Siegwart. Traurig ists genug! Du kennst
aber deinen Vater, und hast seinen Brief noch
nicht genug gelesen.

Kronhelm. Ja, ich habs! Sonst wär ich
nicht so rasend! -- Jesus, Maria! Was soll
ich anfangen? -- Gibts denn gar kein andres
Mittel? -- Sag doch! Bist mir ja sonst im-
mer gut gewesen.

Siegwart. Bins auch noch; mehr als du
glaubst. -- Aber ich weiß nichts bessers. Be-
denks nur selber!

Kronhelm. Ja, was bedenken? Jch kann
nicht, sag ich dir! -- Und so sollt ich meinem
Vater schreiben? -- Sollt Theresen aufgeben?
-- Gott, wie kann ich das?

Siegwart. Es kann sich ändern.

Kronhelm. Was, ändern! Es kann nicht,
sag ich! -- Therese! Therese! Dich aufge-
ben? -- Und wie kann sichs ändern? Sprich
doch!

Siegwart. Dein Vater könnte sterben; oder
sonst so etwas --



Kronhelm. Schreiben? — Aber denk:
Mein eignes Todesurtheil!

Siegwart. Traurig iſts genug! Du kennſt
aber deinen Vater, und haſt ſeinen Brief noch
nicht genug geleſen.

Kronhelm. Ja, ich habs! Sonſt waͤr ich
nicht ſo raſend! — Jeſus, Maria! Was ſoll
ich anfangen? — Gibts denn gar kein andres
Mittel? — Sag doch! Biſt mir ja ſonſt im-
mer gut geweſen.

Siegwart. Bins auch noch; mehr als du
glaubſt. — Aber ich weiß nichts beſſers. Be-
denks nur ſelber!

Kronhelm. Ja, was bedenken? Jch kann
nicht, ſag ich dir! — Und ſo ſollt ich meinem
Vater ſchreiben? — Sollt Thereſen aufgeben?
— Gott, wie kann ich das?

Siegwart. Es kann ſich aͤndern.

Kronhelm. Was, aͤndern! Es kann nicht,
ſag ich! — Thereſe! Thereſe! Dich aufge-
ben? — Und wie kann ſichs aͤndern? Sprich
doch!

Siegwart. Dein Vater koͤnnte ſterben; oder
ſonſt ſo etwas —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0034" n="454"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Kronhelm.</hi> Schreiben? &#x2014; Aber denk:<lb/>
Mein eignes Todesurtheil!</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Siegwart.</hi> Traurig i&#x017F;ts genug! Du kenn&#x017F;t<lb/>
aber deinen Vater, und ha&#x017F;t &#x017F;einen Brief noch<lb/>
nicht genug gele&#x017F;en.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Kronhelm.</hi> Ja, ich habs! Son&#x017F;t wa&#x0364;r ich<lb/>
nicht &#x017F;o ra&#x017F;end! &#x2014; Je&#x017F;us, Maria! Was &#x017F;oll<lb/>
ich anfangen? &#x2014; Gibts denn gar kein andres<lb/>
Mittel? &#x2014; Sag doch! Bi&#x017F;t mir ja &#x017F;on&#x017F;t im-<lb/>
mer gut gewe&#x017F;en.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Siegwart.</hi> Bins auch noch; mehr als du<lb/>
glaub&#x017F;t. &#x2014; Aber ich weiß nichts be&#x017F;&#x017F;ers. Be-<lb/>
denks nur &#x017F;elber!</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Kronhelm.</hi> Ja, was bedenken? Jch kann<lb/>
nicht, &#x017F;ag ich dir! &#x2014; Und &#x017F;o &#x017F;ollt ich meinem<lb/>
Vater &#x017F;chreiben? &#x2014; Sollt There&#x017F;en aufgeben?<lb/>
&#x2014; Gott, wie kann ich das?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Siegwart.</hi> Es kann &#x017F;ich a&#x0364;ndern.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Kronhelm.</hi> Was, a&#x0364;ndern! Es kann nicht,<lb/>
&#x017F;ag ich! &#x2014; There&#x017F;e! There&#x017F;e! Dich aufge-<lb/>
ben? &#x2014; Und wie kann &#x017F;ichs a&#x0364;ndern? Sprich<lb/>
doch!</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Siegwart.</hi> Dein Vater ko&#x0364;nnte &#x017F;terben; oder<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o etwas &#x2014;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[454/0034] Kronhelm. Schreiben? — Aber denk: Mein eignes Todesurtheil! Siegwart. Traurig iſts genug! Du kennſt aber deinen Vater, und haſt ſeinen Brief noch nicht genug geleſen. Kronhelm. Ja, ich habs! Sonſt waͤr ich nicht ſo raſend! — Jeſus, Maria! Was ſoll ich anfangen? — Gibts denn gar kein andres Mittel? — Sag doch! Biſt mir ja ſonſt im- mer gut geweſen. Siegwart. Bins auch noch; mehr als du glaubſt. — Aber ich weiß nichts beſſers. Be- denks nur ſelber! Kronhelm. Ja, was bedenken? Jch kann nicht, ſag ich dir! — Und ſo ſollt ich meinem Vater ſchreiben? — Sollt Thereſen aufgeben? — Gott, wie kann ich das? Siegwart. Es kann ſich aͤndern. Kronhelm. Was, aͤndern! Es kann nicht, ſag ich! — Thereſe! Thereſe! Dich aufge- ben? — Und wie kann ſichs aͤndern? Sprich doch! Siegwart. Dein Vater koͤnnte ſterben; oder ſonſt ſo etwas —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/34
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/34>, abgerufen am 21.11.2024.