ist ein harter Mann, sagte der geheime Rath. Jch will ernstlich mit ihm reden. Morgen reis ich zu ihm. Wenn er nicht nachgiebt, so nehm ich mich meines Vetters an; ich kann ihm schon Vermögen geben, denn ich habe keine Kinder. -- Dann redete er mit unserm Vater allerley ab. Mir sagte er, ich sollte guten Muth fassen, und mich gar nichts anfechten lassen; sein Vetter müsse mein seyn! und was er sonst noch schönes sagte, das ich vor Freuden nicht alle merken konnte. Er versprach, in etlich Wochen Richtigkeit zu machen, und dem lieben Vater, und mir selbst zu schreiben. Gegen Abend fuhr er wieder weg. Unsern Vater umarmte er, wie ein Bruder den andern; und mich küßte er auf die Backe, und sagte: Mein Vetter wird doch nicht eifersüchtig werden? Wir schickten ihm 1000 heisse Segenswünsche nach.
O Bruder, ich kann dir nicht sagen, was alles in mir vorgeht? Es ist, als ob ich ein ganz neues Leben anfienge. Die Welt hat sich um mich her verändert. Die Thränen stehen mir immer in den Augen, und ich kanns noch kaum glauben, was sich mit mir zugetragen hat. Meinen Kron- helm, meinen ewig, ewig theuren Kronhelm soil ich wieder haben! Grosser Gott! Meine Leiden
iſt ein harter Mann, ſagte der geheime Rath. Jch will ernſtlich mit ihm reden. Morgen reis ich zu ihm. Wenn er nicht nachgiebt, ſo nehm ich mich meines Vetters an; ich kann ihm ſchon Vermoͤgen geben, denn ich habe keine Kinder. — Dann redete er mit unſerm Vater allerley ab. Mir ſagte er, ich ſollte guten Muth faſſen, und mich gar nichts anfechten laſſen; ſein Vetter muͤſſe mein ſeyn! und was er ſonſt noch ſchoͤnes ſagte, das ich vor Freuden nicht alle merken konnte. Er verſprach, in etlich Wochen Richtigkeit zu machen, und dem lieben Vater, und mir ſelbſt zu ſchreiben. Gegen Abend fuhr er wieder weg. Unſern Vater umarmte er, wie ein Bruder den andern; und mich kuͤßte er auf die Backe, und ſagte: Mein Vetter wird doch nicht eiferſuͤchtig werden? Wir ſchickten ihm 1000 heiſſe Segenswuͤnſche nach.
O Bruder, ich kann dir nicht ſagen, was alles in mir vorgeht? Es iſt, als ob ich ein ganz neues Leben anfienge. Die Welt hat ſich um mich her veraͤndert. Die Thraͤnen ſtehen mir immer in den Augen, und ich kanns noch kaum glauben, was ſich mit mir zugetragen hat. Meinen Kron- helm, meinen ewig, ewig theuren Kronhelm ſoil ich wieder haben! Groſſer Gott! Meine Leiden
<TEI><text><body><divn="1"><p><floatingText><body><divtype="letter"><p><pbfacs="#f0339"n="759"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
iſt ein harter Mann, ſagte der geheime Rath.<lb/>
Jch will ernſtlich mit ihm reden. Morgen reis<lb/>
ich zu ihm. Wenn er nicht nachgiebt, ſo nehm<lb/>
ich mich meines Vetters an; ich kann ihm ſchon<lb/>
Vermoͤgen geben, denn ich habe keine Kinder. —<lb/>
Dann redete er mit unſerm Vater allerley ab.<lb/>
Mir ſagte er, ich ſollte guten Muth faſſen, und<lb/>
mich gar nichts anfechten laſſen; ſein Vetter muͤſſe<lb/>
mein ſeyn! und was er ſonſt noch ſchoͤnes ſagte,<lb/>
das ich vor Freuden nicht alle merken konnte. Er<lb/>
verſprach, in etlich Wochen Richtigkeit zu machen,<lb/>
und dem lieben Vater, und mir ſelbſt zu ſchreiben.<lb/>
Gegen Abend fuhr er wieder weg. Unſern Vater<lb/>
umarmte er, wie ein Bruder den andern; und mich<lb/>
kuͤßte er auf die Backe, und ſagte: Mein Vetter<lb/>
wird doch nicht eiferſuͤchtig werden? Wir ſchickten<lb/>
ihm 1000 heiſſe Segenswuͤnſche nach.</p><lb/><p>O Bruder, ich kann dir nicht ſagen, was alles<lb/>
in mir vorgeht? Es iſt, als ob ich ein ganz neues<lb/>
Leben anfienge. Die Welt hat ſich um mich her<lb/>
veraͤndert. Die Thraͤnen ſtehen mir immer in<lb/>
den Augen, und ich kanns noch kaum glauben,<lb/>
was ſich mit mir zugetragen hat. Meinen Kron-<lb/>
helm, meinen ewig, ewig theuren Kronhelm ſoil<lb/>
ich wieder haben! Groſſer Gott! Meine Leiden<lb/></p></div></body></floatingText></p></div></body></text></TEI>
[759/0339]
iſt ein harter Mann, ſagte der geheime Rath.
Jch will ernſtlich mit ihm reden. Morgen reis
ich zu ihm. Wenn er nicht nachgiebt, ſo nehm
ich mich meines Vetters an; ich kann ihm ſchon
Vermoͤgen geben, denn ich habe keine Kinder. —
Dann redete er mit unſerm Vater allerley ab.
Mir ſagte er, ich ſollte guten Muth faſſen, und
mich gar nichts anfechten laſſen; ſein Vetter muͤſſe
mein ſeyn! und was er ſonſt noch ſchoͤnes ſagte,
das ich vor Freuden nicht alle merken konnte. Er
verſprach, in etlich Wochen Richtigkeit zu machen,
und dem lieben Vater, und mir ſelbſt zu ſchreiben.
Gegen Abend fuhr er wieder weg. Unſern Vater
umarmte er, wie ein Bruder den andern; und mich
kuͤßte er auf die Backe, und ſagte: Mein Vetter
wird doch nicht eiferſuͤchtig werden? Wir ſchickten
ihm 1000 heiſſe Segenswuͤnſche nach.
O Bruder, ich kann dir nicht ſagen, was alles
in mir vorgeht? Es iſt, als ob ich ein ganz neues
Leben anfienge. Die Welt hat ſich um mich her
veraͤndert. Die Thraͤnen ſtehen mir immer in
den Augen, und ich kanns noch kaum glauben,
was ſich mit mir zugetragen hat. Meinen Kron-
helm, meinen ewig, ewig theuren Kronhelm ſoil
ich wieder haben! Groſſer Gott! Meine Leiden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 759. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/339>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.