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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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der Herr Kurfürst wohne. Unten sey ein Herr
gestanden, von dem er gewiß geglaubt habe, er sey
der Kurfürst, denn er hat lauter Silber angehabt,
aber, als er sich sehr tief gebückt, hab des Herrn
von Eller Bedienter ihn ausgelacht, und gesagt,
das sey nur ein Läufer. Auch in ein paar Kir-
chen sey er gewesen; da sey so viel Gold, daß ei-
nem die Augen davon weh thuen. Jn der Einen
Kirche sey das Wahrzeichen ein Stein zwischen
zwey Pfeilern; wenn man auf dem Stein steh,
so könne man kein Fenster in der ganzen Kirche se-
hen. Er wisse nicht, wie das seyn könn', aber es
sey so; er habs selbst gesehen. Jn einer andern
Kirche blas' ein Engel die Posaune, daß man glaub,
er lebe, und doch sey er nur von Holz. Es muß
wohl Zauberwerk seyn, sonst könn' ers nicht begrei-
fen. Jn den Kirchen sey so schöne Musik, daß
er glaub, die Leute in München müssen all in den
Himmel kommen, weil man ihn ihnen so schön
und anmuthig vormale. Es sey eine Lust, da zu
bethen. Das Herz werd' einem ganz weit und
leicht, und man glaub, Gott müss' einem gnädig
seyn, wenn man so schöne Musik höre; auch glaub
er nicht, daß man viel Böses thun könn', wenn man
oft so was mit anhöre; das Herz werd einem so



der Herr Kurfuͤrſt wohne. Unten ſey ein Herr
geſtanden, von dem er gewiß geglaubt habe, er ſey
der Kurfuͤrſt, denn er hat lauter Silber angehabt,
aber, als er ſich ſehr tief gebuͤckt, hab des Herrn
von Eller Bedienter ihn ausgelacht, und geſagt,
das ſey nur ein Laͤufer. Auch in ein paar Kir-
chen ſey er geweſen; da ſey ſo viel Gold, daß ei-
nem die Augen davon weh thuen. Jn der Einen
Kirche ſey das Wahrzeichen ein Stein zwiſchen
zwey Pfeilern; wenn man auf dem Stein ſteh,
ſo koͤnne man kein Fenſter in der ganzen Kirche ſe-
hen. Er wiſſe nicht, wie das ſeyn koͤnn’, aber es
ſey ſo; er habs ſelbſt geſehen. Jn einer andern
Kirche blas’ ein Engel die Poſaune, daß man glaub,
er lebe, und doch ſey er nur von Holz. Es muß
wohl Zauberwerk ſeyn, ſonſt koͤnn’ ers nicht begrei-
fen. Jn den Kirchen ſey ſo ſchoͤne Muſik, daß
er glaub, die Leute in Muͤnchen muͤſſen all in den
Himmel kommen, weil man ihn ihnen ſo ſchoͤn
und anmuthig vormale. Es ſey eine Luſt, da zu
bethen. Das Herz werd’ einem ganz weit und
leicht, und man glaub, Gott muͤſſ’ einem gnaͤdig
ſeyn, wenn man ſo ſchoͤne Muſik hoͤre; auch glaub
er nicht, daß man viel Boͤſes thun koͤnn’, wenn man
oft ſo was mit anhoͤre; das Herz werd einem ſo

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[731/0311] der Herr Kurfuͤrſt wohne. Unten ſey ein Herr geſtanden, von dem er gewiß geglaubt habe, er ſey der Kurfuͤrſt, denn er hat lauter Silber angehabt, aber, als er ſich ſehr tief gebuͤckt, hab des Herrn von Eller Bedienter ihn ausgelacht, und geſagt, das ſey nur ein Laͤufer. Auch in ein paar Kir- chen ſey er geweſen; da ſey ſo viel Gold, daß ei- nem die Augen davon weh thuen. Jn der Einen Kirche ſey das Wahrzeichen ein Stein zwiſchen zwey Pfeilern; wenn man auf dem Stein ſteh, ſo koͤnne man kein Fenſter in der ganzen Kirche ſe- hen. Er wiſſe nicht, wie das ſeyn koͤnn’, aber es ſey ſo; er habs ſelbſt geſehen. Jn einer andern Kirche blas’ ein Engel die Poſaune, daß man glaub, er lebe, und doch ſey er nur von Holz. Es muß wohl Zauberwerk ſeyn, ſonſt koͤnn’ ers nicht begrei- fen. Jn den Kirchen ſey ſo ſchoͤne Muſik, daß er glaub, die Leute in Muͤnchen muͤſſen all in den Himmel kommen, weil man ihn ihnen ſo ſchoͤn und anmuthig vormale. Es ſey eine Luſt, da zu bethen. Das Herz werd’ einem ganz weit und leicht, und man glaub, Gott muͤſſ’ einem gnaͤdig ſeyn, wenn man ſo ſchoͤne Muſik hoͤre; auch glaub er nicht, daß man viel Boͤſes thun koͤnn’, wenn man oft ſo was mit anhoͤre; das Herz werd einem ſo

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/311>, abgerufen am 22.11.2024.