wart wollte ihm auch helfen, aber er machte, nach seiner Meynung, alles unrecht; der Knabe lachte ihn aus, und belehrte ihn eines Bessern. Dann holte er der Beaumont Magazin, las ihm daraus vor, und erzählte ihm ein Mährchen. Siegwart muste auch vorlesen, und sich von dem kleinen Karl alle Augenblicke korrigiren lassen. Er mach- te vorsetzlich Fehler, und stellte sich bey den Be- lehrungen des Knaben sehr aufmerksam an, wel- ches diesem ausserordentlich gefiel. Die Mädchen unterhielten sich mit ihrer Mama, und mit Kron- helm, dem sie ihre Puppen zeigten, ihre schönen Klei- der hererzählten, und von andern kleinen Mädchen unterhielten. Als die Kinder weggebracht werden soll- ten, bat der Knabe sehr, man möcht ihn doch bey dem Herrn lassen! Man versprach ihm aber, daß er wieder kommen dürfte. Bleib sein da! sagte er zu Siegwart, als er weggieng.
Bey Tisch war auch Kronhelms Bruder, ein etwas flüchtiger und leichtsinniger junger Mensch, der die witzigen Franzosen, und beson- ders Voltärs Schriften stark las. Er spottete über Universitäten, Professoren, und gelehrte Wis- senschaften, sprach viel von der Historie, in der Voltaire seine Quelle war; sagte, er wünsche
wart wollte ihm auch helfen, aber er machte, nach ſeiner Meynung, alles unrecht; der Knabe lachte ihn aus, und belehrte ihn eines Beſſern. Dann holte er der Beaumont Magazin, las ihm daraus vor, und erzaͤhlte ihm ein Maͤhrchen. Siegwart muſte auch vorleſen, und ſich von dem kleinen Karl alle Augenblicke korrigiren laſſen. Er mach- te vorſetzlich Fehler, und ſtellte ſich bey den Be- lehrungen des Knaben ſehr aufmerkſam an, wel- ches dieſem auſſerordentlich gefiel. Die Maͤdchen unterhielten ſich mit ihrer Mama, und mit Kron- helm, dem ſie ihre Puppen zeigten, ihre ſchoͤnen Klei- der hererzaͤhlten, und von andern kleinen Maͤdchen unterhielten. Als die Kinder weggebracht werden ſoll- ten, bat der Knabe ſehr, man moͤcht ihn doch bey dem Herrn laſſen! Man verſprach ihm aber, daß er wieder kommen duͤrfte. Bleib ſein da! ſagte er zu Siegwart, als er weggieng.
Bey Tiſch war auch Kronhelms Bruder, ein etwas fluͤchtiger und leichtſinniger junger Menſch, der die witzigen Franzoſen, und beſon- ders Voltaͤrs Schriften ſtark las. Er ſpottete uͤber Univerſitaͤten, Profeſſoren, und gelehrte Wiſ- ſenſchaften, ſprach viel von der Hiſtorie, in der Voltaire ſeine Quelle war; ſagte, er wuͤnſche
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wart wollte ihm auch helfen, aber er machte, nach
ſeiner Meynung, alles unrecht; der Knabe lachte
ihn aus, und belehrte ihn eines Beſſern. Dann
holte er der Beaumont Magazin, las ihm daraus
vor, und erzaͤhlte ihm ein Maͤhrchen. Siegwart
muſte auch vorleſen, und ſich von dem kleinen
Karl alle Augenblicke korrigiren laſſen. Er mach-
te vorſetzlich Fehler, und ſtellte ſich bey den Be-
lehrungen des Knaben ſehr aufmerkſam an, wel-
ches dieſem auſſerordentlich gefiel. Die Maͤdchen
unterhielten ſich mit ihrer Mama, und mit Kron-
helm, dem ſie ihre Puppen zeigten, ihre ſchoͤnen Klei-
der hererzaͤhlten, und von andern kleinen Maͤdchen
unterhielten. Als die Kinder weggebracht werden ſoll-
ten, bat der Knabe ſehr, man moͤcht ihn doch bey dem
Herrn laſſen! Man verſprach ihm aber, daß er
wieder kommen duͤrfte. Bleib ſein da! ſagte er
zu Siegwart, als er weggieng.
Bey Tiſch war auch Kronhelms Bruder,
ein etwas fluͤchtiger und leichtſinniger junger
Menſch, der die witzigen Franzoſen, und beſon-
ders Voltaͤrs Schriften ſtark las. Er ſpottete uͤber
Univerſitaͤten, Profeſſoren, und gelehrte Wiſ-
ſenſchaften, ſprach viel von der Hiſtorie, in der
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 725. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/305>, abgerufen am 22.11.2024.
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