einfältige Meynung. Hab ich Unrecht, Herr? Sieg- wart gab ihm völlig Recht. Kronhelm spielte in- dessen mit einem von den Hunden. Das ist ein treues Thier, Herr! sagte der Fleischer. Der lies- se sich eher todt schiessen, als mir was thun. Nun erzählte er mit treuherziger Geschwätzigkeit die Ge- schichte und die Tugenden seiner beyden Hunde. Sehen Sie, sagte er, die Thiere horchen auf, als ob sies verstünden. Ja, es ist ein gescheides Thier um einen Hund. -- Siegwart liebkoste ein paar Kinder mit einem offenen Gesicht, und grossen blauen Augen. Er fragte sie nach ihrem Alter, und nach ihrem Namen, und gab jedem einen Kreuzer. Die Kinder sprangen mit dem Geld zu ihrer Mutter, wiesen es ihr, und dann wieder auf Siegwart, daß ers ihnen gegeben habe. Die Mutter kam zu ihm her, gab ihm die Hand, und sagte: O Herr, warum machen Sie sich Unkosten? Das ist gar zu viel. Drauf musten ihm beyde Kinder die Hand küssen.
Jndem kam ein Bedienter in abgeschabter Livree mit verweinten Augen ins Zimmer, und setzte sich an den Ofen. Er machte einige Bewegungen mit der Hand, als ob er mit sich selber spräche, und dann zählte er etwas an den Fingern ab. Was
einfaͤltige Meynung. Hab ich Unrecht, Herr? Sieg- wart gab ihm voͤllig Recht. Kronhelm ſpielte in- deſſen mit einem von den Hunden. Das iſt ein treues Thier, Herr! ſagte der Fleiſcher. Der lieſ- ſe ſich eher todt ſchieſſen, als mir was thun. Nun erzaͤhlte er mit treuherziger Geſchwaͤtzigkeit die Ge- ſchichte und die Tugenden ſeiner beyden Hunde. Sehen Sie, ſagte er, die Thiere horchen auf, als ob ſies verſtuͤnden. Ja, es iſt ein geſcheides Thier um einen Hund. — Siegwart liebkoſte ein paar Kinder mit einem offenen Geſicht, und groſſen blauen Augen. Er fragte ſie nach ihrem Alter, und nach ihrem Namen, und gab jedem einen Kreuzer. Die Kinder ſprangen mit dem Geld zu ihrer Mutter, wieſen es ihr, und dann wieder auf Siegwart, daß ers ihnen gegeben habe. Die Mutter kam zu ihm her, gab ihm die Hand, und ſagte: O Herr, warum machen Sie ſich Unkoſten? Das iſt gar zu viel. Drauf muſten ihm beyde Kinder die Hand kuͤſſen.
Jndem kam ein Bedienter in abgeſchabter Livree mit verweinten Augen ins Zimmer, und ſetzte ſich an den Ofen. Er machte einige Bewegungen mit der Hand, als ob er mit ſich ſelber ſpraͤche, und dann zaͤhlte er etwas an den Fingern ab. Was
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einfaͤltige Meynung. Hab ich Unrecht, Herr? Sieg-
wart gab ihm voͤllig Recht. Kronhelm ſpielte in-
deſſen mit einem von den Hunden. Das iſt ein
treues Thier, Herr! ſagte der Fleiſcher. Der lieſ-
ſe ſich eher todt ſchieſſen, als mir was thun. Nun
erzaͤhlte er mit treuherziger Geſchwaͤtzigkeit die Ge-
ſchichte und die Tugenden ſeiner beyden Hunde.
Sehen Sie, ſagte er, die Thiere horchen auf, als
ob ſies verſtuͤnden. Ja, es iſt ein geſcheides Thier
um einen Hund. — Siegwart liebkoſte ein paar
Kinder mit einem offenen Geſicht, und groſſen
blauen Augen. Er fragte ſie nach ihrem Alter,
und nach ihrem Namen, und gab jedem einen
Kreuzer. Die Kinder ſprangen mit dem Geld zu
ihrer Mutter, wieſen es ihr, und dann wieder
auf Siegwart, daß ers ihnen gegeben habe. Die
Mutter kam zu ihm her, gab ihm die Hand, und
ſagte: O Herr, warum machen Sie ſich Unkoſten?
Das iſt gar zu viel. Drauf muſten ihm beyde
Kinder die Hand kuͤſſen.
Jndem kam ein Bedienter in abgeſchabter Livree
mit verweinten Augen ins Zimmer, und ſetzte
ſich an den Ofen. Er machte einige Bewegungen
mit der Hand, als ob er mit ſich ſelber ſpraͤche,
und dann zaͤhlte er etwas an den Fingern ab. Was
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 716. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/296>, abgerufen am 25.11.2024.
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