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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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der Arbeit ruhte. Er sah sie an, sie lächelte mit
einem solchen Ausdruck, daß er Mühe hatte, sich
nicht vor dem Vater und der Mutter zu verrathen.
Nachdem er dem Vater und der Mutter erst von
seiner vorhabenden Reise erzählt hatte, so spielten
sie ein kleines Konzert, bey welchem Mariane
schöner und mit mehr Ausdruck sang, als sie noch
je gethan hatte. Drauf spielte Joseph ein Konzert
auf dem Flügel, und ward über den Beyfall, den
ihm Kronhelm und Siegwart gaben, ganz entzückt.
Siegwart sang auch, und wurde von Marianen
und ihren Eltern sehr gelobt. Um sechs Uhr mach-
ten diese viele Entschuldigungen, daß sie weggehen
müsten, weil sie sich bey ihrem ältern Sohn ver-
sprochen hätten. Kronhelm und Siegwart woll-
ten auch weggehen, wurden aber sehr gebeten, da
zu bleiben. Mariane bat auch, und Siegwart
willigte nur gar zu gern ein. Joseph machte auch
Entschuldigungen, daß er zu seinem Zeichenmeister
gehen müsse. Er wolle um sieben Uhr sogleich
wieder da seyn etc. und unsre jungen Leute waren
nun allein. Sie sahn aus dem Fenster, als die
Eltern weggiengen, und merkten, daß der Wind
sich gedreht habe, und aus Mittag wehe, und
Thauwetter bringe. Es fing auch bereits an et-



der Arbeit ruhte. Er ſah ſie an, ſie laͤchelte mit
einem ſolchen Ausdruck, daß er Muͤhe hatte, ſich
nicht vor dem Vater und der Mutter zu verrathen.
Nachdem er dem Vater und der Mutter erſt von
ſeiner vorhabenden Reiſe erzaͤhlt hatte, ſo ſpielten
ſie ein kleines Konzert, bey welchem Mariane
ſchoͤner und mit mehr Ausdruck ſang, als ſie noch
je gethan hatte. Drauf ſpielte Joſeph ein Konzert
auf dem Fluͤgel, und ward uͤber den Beyfall, den
ihm Kronhelm und Siegwart gaben, ganz entzuͤckt.
Siegwart ſang auch, und wurde von Marianen
und ihren Eltern ſehr gelobt. Um ſechs Uhr mach-
ten dieſe viele Entſchuldigungen, daß ſie weggehen
muͤſten, weil ſie ſich bey ihrem aͤltern Sohn ver-
ſprochen haͤtten. Kronhelm und Siegwart woll-
ten auch weggehen, wurden aber ſehr gebeten, da
zu bleiben. Mariane bat auch, und Siegwart
willigte nur gar zu gern ein. Joſeph machte auch
Entſchuldigungen, daß er zu ſeinem Zeichenmeiſter
gehen muͤſſe. Er wolle um ſieben Uhr ſogleich
wieder da ſeyn ꝛc. und unſre jungen Leute waren
nun allein. Sie ſahn aus dem Fenſter, als die
Eltern weggiengen, und merkten, daß der Wind
ſich gedreht habe, und aus Mittag wehe, und
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[710/0290] der Arbeit ruhte. Er ſah ſie an, ſie laͤchelte mit einem ſolchen Ausdruck, daß er Muͤhe hatte, ſich nicht vor dem Vater und der Mutter zu verrathen. Nachdem er dem Vater und der Mutter erſt von ſeiner vorhabenden Reiſe erzaͤhlt hatte, ſo ſpielten ſie ein kleines Konzert, bey welchem Mariane ſchoͤner und mit mehr Ausdruck ſang, als ſie noch je gethan hatte. Drauf ſpielte Joſeph ein Konzert auf dem Fluͤgel, und ward uͤber den Beyfall, den ihm Kronhelm und Siegwart gaben, ganz entzuͤckt. Siegwart ſang auch, und wurde von Marianen und ihren Eltern ſehr gelobt. Um ſechs Uhr mach- ten dieſe viele Entſchuldigungen, daß ſie weggehen muͤſten, weil ſie ſich bey ihrem aͤltern Sohn ver- ſprochen haͤtten. Kronhelm und Siegwart woll- ten auch weggehen, wurden aber ſehr gebeten, da zu bleiben. Mariane bat auch, und Siegwart willigte nur gar zu gern ein. Joſeph machte auch Entſchuldigungen, daß er zu ſeinem Zeichenmeiſter gehen muͤſſe. Er wolle um ſieben Uhr ſogleich wieder da ſeyn ꝛc. und unſre jungen Leute waren nun allein. Sie ſahn aus dem Fenſter, als die Eltern weggiengen, und merkten, daß der Wind ſich gedreht habe, und aus Mittag wehe, und Thauwetter bringe. Es fing auch bereits an et-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 710. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/290>, abgerufen am 22.11.2024.