verdienst ein ganz andres Mädchen. Es fehlt dir nichts, um ein Herz zu fesseln, und glücklich zu machen. Du siehst gut aus; hast Verstand, Ver- mögen, Wissenschaften, und ein edles Herz, das treu lieben, und daher wieder treue Liebe fodern kann. Sag einmal, möchtest du ein Weib, wie die Weissin, das mit jedem Kerl buhlt, sich von je- dem schmeichlerischen Schurken die Hände und den Mund belecken läst; jedem Narren glaubt, und seine unverschämten Schmeicheleyen anhört, und sich drüber zur Ehebrecherin machen läst? Möchtest du so ein Weib? Und man muß kein Mädchen haben, das man nicht zum Weib machen will! Der Verdruß über ihre Narrheiten würde dich umgebracht haben. Laß sie nur nicht merken, daß es dir leid um sie thut, sie würde heimlich nur darüber jauchzen. Sey ein Mann, und wimmre nicht wie eine Memme um ein eitles falsches Mä- del! Warlich, sie ist dein nicht werth! -- Du hast Recht, Bruder, sagte Dahlmund, ich fühl mich, daß ich etwas bessers werth bin. Sie mag sich zur alten Jungfer buhlen, oder noch was ärgers mit dem Kerl thun! Jch frag den Henker nach ihrem Paar schwarzen Augen, wenn sie glaubt, die gan- ze Welt müsse sich drein vergaffen!
verdienſt ein ganz andres Maͤdchen. Es fehlt dir nichts, um ein Herz zu feſſeln, und gluͤcklich zu machen. Du ſiehſt gut aus; haſt Verſtand, Ver- moͤgen, Wiſſenſchaften, und ein edles Herz, das treu lieben, und daher wieder treue Liebe fodern kann. Sag einmal, moͤchteſt du ein Weib, wie die Weiſſin, das mit jedem Kerl buhlt, ſich von je- dem ſchmeichleriſchen Schurken die Haͤnde und den Mund belecken laͤſt; jedem Narren glaubt, und ſeine unverſchaͤmten Schmeicheleyen anhoͤrt, und ſich druͤber zur Ehebrecherin machen laͤſt? Moͤchteſt du ſo ein Weib? Und man muß kein Maͤdchen haben, das man nicht zum Weib machen will! Der Verdruß uͤber ihre Narrheiten wuͤrde dich umgebracht haben. Laß ſie nur nicht merken, daß es dir leid um ſie thut, ſie wuͤrde heimlich nur daruͤber jauchzen. Sey ein Mann, und wimmre nicht wie eine Memme um ein eitles falſches Maͤ- del! Warlich, ſie iſt dein nicht werth! — Du haſt Recht, Bruder, ſagte Dahlmund, ich fuͤhl mich, daß ich etwas beſſers werth bin. Sie mag ſich zur alten Jungfer buhlen, oder noch was aͤrgers mit dem Kerl thun! Jch frag den Henker nach ihrem Paar ſchwarzen Augen, wenn ſie glaubt, die gan- ze Welt muͤſſe ſich drein vergaffen!
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verdienſt ein ganz andres Maͤdchen. Es fehlt dir
nichts, um ein Herz zu feſſeln, und gluͤcklich zu
machen. Du ſiehſt gut aus; haſt Verſtand, Ver-
moͤgen, Wiſſenſchaften, und ein edles Herz, das
treu lieben, und daher wieder treue Liebe fodern
kann. Sag einmal, moͤchteſt du ein Weib, wie
die Weiſſin, das mit jedem Kerl buhlt, ſich von je-
dem ſchmeichleriſchen Schurken die Haͤnde und den
Mund belecken laͤſt; jedem Narren glaubt,
und ſeine unverſchaͤmten Schmeicheleyen anhoͤrt,
und ſich druͤber zur Ehebrecherin machen laͤſt?
Moͤchteſt du ſo ein Weib? Und man muß kein
Maͤdchen haben, das man nicht zum Weib machen
will! Der Verdruß uͤber ihre Narrheiten wuͤrde dich
umgebracht haben. Laß ſie nur nicht merken, daß
es dir leid um ſie thut, ſie wuͤrde heimlich nur
daruͤber jauchzen. Sey ein Mann, und wimmre
nicht wie eine Memme um ein eitles falſches Maͤ-
del! Warlich, ſie iſt dein nicht werth! — Du haſt
Recht, Bruder, ſagte Dahlmund, ich fuͤhl mich,
daß ich etwas beſſers werth bin. Sie mag ſich zur
alten Jungfer buhlen, oder noch was aͤrgers mit
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ze Welt muͤſſe ſich drein vergaffen!
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 708. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/288>, abgerufen am 16.02.2025.
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