Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



Herz war unruhig, seit ich Sie erblickt habe. Sie
mustens oft an meinen Blicken merken, im Kon-
cert und in der Kirche. -- Lieber Siegwart, ich
bin nun so glücklich; soll ichs ferner bleiben? Jst
Jhr Herz auch ganz mein? -- Ganz! so wahr als
Gott lebt! sagte er. Keiner Seele hats noch an-
gehört, Gott ist mein Zeuge! und soll Gott und Jh-
nen nur gehören ewig. Nun folgten wieder Küsse,
die den Bund auf ewig schlossen. Endlich trenn-
ten sie sich mit Gewalt von einander. Da geht der
Stern der Liebe wieder auf, sagte er beym Schei-
den. Gestern hat er uns zum erstenmal geglänzt,
und nun auf ewig. Nie will ich ihn ansehn, oh-
ne dieses Tags und Jhrer zu gedenken. Er soll das
Sinnbild unsrer Liebe seyn, ewig rein, und ju-
gendlich und ewig! Schlaf sanft, lieber Engel, sanft,
sanft, sanft! --

Er ging nach seinem Haus hinüber, und schloß
auf. Andacht, und Entzücken, und Dankbarkeit
bebten durch sein Herz. Er sah aus dem Fenster,
sie sah noch eine Viertelstunde heraus; endlich war-
fen sie sich einen Kuß zu, und sie löschte ihr Licht
aus. Hastig ging er im Zimmer auf und ab. Mein,
o mein ist er, der Engel Gottes! sagte er laut,
setzte sich nieder, und schrieb:



Herz war unruhig, ſeit ich Sie erblickt habe. Sie
muſtens oft an meinen Blicken merken, im Kon-
cert und in der Kirche. — Lieber Siegwart, ich
bin nun ſo gluͤcklich; ſoll ichs ferner bleiben? Jſt
Jhr Herz auch ganz mein? — Ganz! ſo wahr als
Gott lebt! ſagte er. Keiner Seele hats noch an-
gehoͤrt, Gott iſt mein Zeuge! und ſoll Gott und Jh-
nen nur gehoͤren ewig. Nun folgten wieder Kuͤſſe,
die den Bund auf ewig ſchloſſen. Endlich trenn-
ten ſie ſich mit Gewalt von einander. Da geht der
Stern der Liebe wieder auf, ſagte er beym Schei-
den. Geſtern hat er uns zum erſtenmal geglaͤnzt,
und nun auf ewig. Nie will ich ihn anſehn, oh-
ne dieſes Tags und Jhrer zu gedenken. Er ſoll das
Sinnbild unſrer Liebe ſeyn, ewig rein, und ju-
gendlich und ewig! Schlaf ſanft, lieber Engel, ſanft,
ſanft, ſanft! —

Er ging nach ſeinem Haus hinuͤber, und ſchloß
auf. Andacht, und Entzuͤcken, und Dankbarkeit
bebten durch ſein Herz. Er ſah aus dem Fenſter,
ſie ſah noch eine Viertelſtunde heraus; endlich war-
fen ſie ſich einen Kuß zu, und ſie loͤſchte ihr Licht
aus. Haſtig ging er im Zimmer auf und ab. Mein,
o mein iſt er, der Engel Gottes! ſagte er laut,
ſetzte ſich nieder, und ſchrieb:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0280" n="700"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Herz war unruhig, &#x017F;eit ich Sie erblickt habe. Sie<lb/>
mu&#x017F;tens oft an meinen Blicken merken, im Kon-<lb/>
cert und in der Kirche. &#x2014; Lieber Siegwart, ich<lb/>
bin nun &#x017F;o glu&#x0364;cklich; &#x017F;oll ichs ferner bleiben? J&#x017F;t<lb/>
Jhr Herz auch ganz mein? &#x2014; Ganz! &#x017F;o wahr als<lb/>
Gott lebt! &#x017F;agte er. Keiner Seele hats noch an-<lb/>
geho&#x0364;rt, Gott i&#x017F;t mein Zeuge! und &#x017F;oll Gott und Jh-<lb/>
nen nur geho&#x0364;ren ewig. Nun folgten wieder Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
die den Bund auf ewig &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Endlich trenn-<lb/>
ten &#x017F;ie &#x017F;ich mit Gewalt von einander. Da geht der<lb/>
Stern der Liebe wieder auf, &#x017F;agte er beym Schei-<lb/>
den. Ge&#x017F;tern hat er uns zum er&#x017F;tenmal gegla&#x0364;nzt,<lb/>
und nun auf ewig. Nie will ich ihn an&#x017F;ehn, oh-<lb/>
ne die&#x017F;es Tags und Jhrer zu gedenken. Er &#x017F;oll das<lb/>
Sinnbild un&#x017F;rer Liebe &#x017F;eyn, ewig rein, und ju-<lb/>
gendlich und ewig! Schlaf &#x017F;anft, lieber Engel, &#x017F;anft,<lb/>
&#x017F;anft, &#x017F;anft! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Er ging nach &#x017F;einem Haus hinu&#x0364;ber, und &#x017F;chloß<lb/>
auf. Andacht, und Entzu&#x0364;cken, und Dankbarkeit<lb/>
bebten durch &#x017F;ein Herz. Er &#x017F;ah aus dem Fen&#x017F;ter,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ah noch eine Viertel&#x017F;tunde heraus; endlich war-<lb/>
fen &#x017F;ie &#x017F;ich einen Kuß zu, und &#x017F;ie lo&#x0364;&#x017F;chte ihr Licht<lb/>
aus. Ha&#x017F;tig ging er im Zimmer auf und ab. Mein,<lb/>
o mein i&#x017F;t er, der Engel Gottes! &#x017F;agte er laut,<lb/>
&#x017F;etzte &#x017F;ich nieder, und &#x017F;chrieb:<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[700/0280] Herz war unruhig, ſeit ich Sie erblickt habe. Sie muſtens oft an meinen Blicken merken, im Kon- cert und in der Kirche. — Lieber Siegwart, ich bin nun ſo gluͤcklich; ſoll ichs ferner bleiben? Jſt Jhr Herz auch ganz mein? — Ganz! ſo wahr als Gott lebt! ſagte er. Keiner Seele hats noch an- gehoͤrt, Gott iſt mein Zeuge! und ſoll Gott und Jh- nen nur gehoͤren ewig. Nun folgten wieder Kuͤſſe, die den Bund auf ewig ſchloſſen. Endlich trenn- ten ſie ſich mit Gewalt von einander. Da geht der Stern der Liebe wieder auf, ſagte er beym Schei- den. Geſtern hat er uns zum erſtenmal geglaͤnzt, und nun auf ewig. Nie will ich ihn anſehn, oh- ne dieſes Tags und Jhrer zu gedenken. Er ſoll das Sinnbild unſrer Liebe ſeyn, ewig rein, und ju- gendlich und ewig! Schlaf ſanft, lieber Engel, ſanft, ſanft, ſanft! — Er ging nach ſeinem Haus hinuͤber, und ſchloß auf. Andacht, und Entzuͤcken, und Dankbarkeit bebten durch ſein Herz. Er ſah aus dem Fenſter, ſie ſah noch eine Viertelſtunde heraus; endlich war- fen ſie ſich einen Kuß zu, und ſie loͤſchte ihr Licht aus. Haſtig ging er im Zimmer auf und ab. Mein, o mein iſt er, der Engel Gottes! ſagte er laut, ſetzte ſich nieder, und ſchrieb:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/280
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 700. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/280>, abgerufen am 25.11.2024.