Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



leidet? fragte Mariane, und ward wehmüthig.
Siegwart schwieg, und sah gen Himmel.

Sie kamen nun in der Stadt an. Beym Um-
kleiden theilte Siegwart seine Freude mit Kronhelm
auf die heftigste Art. -- Jch bin alles, alles! Ewig!
Unsterblich! Alles! sagte er. Freu dich doch, Kron-
helm! Du bist ja so kalt. Denk, sie ist mein, auf
ewig mein! Kannst du nicht begreifen, was das
ist? Mein, mein! -- Wenn man doch sagt, man
sey nicht glücklich, und hat nur so Einen Augen-
blick! -- Denk nur erst den Abend! Die ganze
lange Nacht mit ihr tanzen, mit ihr sprechen! O
ich möchte sterben, so wohl ist mir! -- Nun sag
mehr: Jch sey nicht kühn! Alles, alles soll sie heut
erfahren! -- Denk, auch Theresen wünscht sie her,
und wünscht sie glücklich! Siehst du, was der En-
gel für ein Herz hat? -- Sey nur gutes Muths!
Es muß euch auch noch glücklich gehen! Kein
Mensch kann auf der Welt unglücklich seyn! Gott
hat uns all zur Freud erschaffen! -- So sprach er
in lauter Ausrufungen fort, bis es Zeit war, Ma-
rianen wieder abzuholen.

Er führte sie im Triumph auf den Tanzsaal,
und fieng gleich mit ihr zu tanzen an. Sie schweb-
te, wie eine Göttin zwischen Himmel und Erde.



leidet? fragte Mariane, und ward wehmuͤthig.
Siegwart ſchwieg, und ſah gen Himmel.

Sie kamen nun in der Stadt an. Beym Um-
kleiden theilte Siegwart ſeine Freude mit Kronhelm
auf die heftigſte Art. — Jch bin alles, alles! Ewig!
Unſterblich! Alles! ſagte er. Freu dich doch, Kron-
helm! Du biſt ja ſo kalt. Denk, ſie iſt mein, auf
ewig mein! Kannſt du nicht begreifen, was das
iſt? Mein, mein! — Wenn man doch ſagt, man
ſey nicht gluͤcklich, und hat nur ſo Einen Augen-
blick! — Denk nur erſt den Abend! Die ganze
lange Nacht mit ihr tanzen, mit ihr ſprechen! O
ich moͤchte ſterben, ſo wohl iſt mir! — Nun ſag
mehr: Jch ſey nicht kuͤhn! Alles, alles ſoll ſie heut
erfahren! — Denk, auch Thereſen wuͤnſcht ſie her,
und wuͤnſcht ſie gluͤcklich! Siehſt du, was der En-
gel fuͤr ein Herz hat? — Sey nur gutes Muths!
Es muß euch auch noch gluͤcklich gehen! Kein
Menſch kann auf der Welt ungluͤcklich ſeyn! Gott
hat uns all zur Freud erſchaffen! — So ſprach er
in lauter Ausrufungen fort, bis es Zeit war, Ma-
rianen wieder abzuholen.

Er fuͤhrte ſie im Triumph auf den Tanzſaal,
und fieng gleich mit ihr zu tanzen an. Sie ſchweb-
te, wie eine Goͤttin zwiſchen Himmel und Erde.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0273" n="693"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
leidet? fragte Mariane, und ward wehmu&#x0364;thig.<lb/>
Siegwart &#x017F;chwieg, und &#x017F;ah gen Himmel.</p><lb/>
        <p>Sie kamen nun in der Stadt an. Beym Um-<lb/>
kleiden theilte Siegwart &#x017F;eine Freude mit Kronhelm<lb/>
auf die heftig&#x017F;te Art. &#x2014; Jch bin alles, alles! Ewig!<lb/>
Un&#x017F;terblich! Alles! &#x017F;agte er. Freu dich doch, Kron-<lb/>
helm! Du bi&#x017F;t ja &#x017F;o kalt. Denk, &#x017F;ie i&#x017F;t mein, auf<lb/>
ewig mein! Kann&#x017F;t du nicht begreifen, was das<lb/>
i&#x017F;t? Mein, mein! &#x2014; Wenn man doch &#x017F;agt, man<lb/>
&#x017F;ey nicht glu&#x0364;cklich, und hat nur &#x017F;o Einen Augen-<lb/>
blick! &#x2014; Denk nur er&#x017F;t den Abend! Die ganze<lb/>
lange Nacht mit ihr tanzen, mit ihr &#x017F;prechen! O<lb/>
ich mo&#x0364;chte &#x017F;terben, &#x017F;o wohl i&#x017F;t mir! &#x2014; Nun &#x017F;ag<lb/>
mehr: Jch &#x017F;ey nicht ku&#x0364;hn! Alles, alles &#x017F;oll &#x017F;ie heut<lb/>
erfahren! &#x2014; Denk, auch There&#x017F;en wu&#x0364;n&#x017F;cht &#x017F;ie her,<lb/>
und wu&#x0364;n&#x017F;cht &#x017F;ie glu&#x0364;cklich! Sieh&#x017F;t du, was der En-<lb/>
gel fu&#x0364;r ein Herz hat? &#x2014; Sey nur gutes Muths!<lb/>
Es muß euch auch noch glu&#x0364;cklich gehen! Kein<lb/>
Men&#x017F;ch kann auf der Welt unglu&#x0364;cklich &#x017F;eyn! Gott<lb/>
hat uns all zur Freud er&#x017F;chaffen! &#x2014; So &#x017F;prach er<lb/>
in lauter Ausrufungen fort, bis es Zeit war, Ma-<lb/>
rianen wieder abzuholen.</p><lb/>
        <p>Er fu&#x0364;hrte &#x017F;ie im Triumph auf den Tanz&#x017F;aal,<lb/>
und fieng gleich mit ihr zu tanzen an. Sie &#x017F;chweb-<lb/>
te, wie eine Go&#x0364;ttin zwi&#x017F;chen Himmel und Erde.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[693/0273] leidet? fragte Mariane, und ward wehmuͤthig. Siegwart ſchwieg, und ſah gen Himmel. Sie kamen nun in der Stadt an. Beym Um- kleiden theilte Siegwart ſeine Freude mit Kronhelm auf die heftigſte Art. — Jch bin alles, alles! Ewig! Unſterblich! Alles! ſagte er. Freu dich doch, Kron- helm! Du biſt ja ſo kalt. Denk, ſie iſt mein, auf ewig mein! Kannſt du nicht begreifen, was das iſt? Mein, mein! — Wenn man doch ſagt, man ſey nicht gluͤcklich, und hat nur ſo Einen Augen- blick! — Denk nur erſt den Abend! Die ganze lange Nacht mit ihr tanzen, mit ihr ſprechen! O ich moͤchte ſterben, ſo wohl iſt mir! — Nun ſag mehr: Jch ſey nicht kuͤhn! Alles, alles ſoll ſie heut erfahren! — Denk, auch Thereſen wuͤnſcht ſie her, und wuͤnſcht ſie gluͤcklich! Siehſt du, was der En- gel fuͤr ein Herz hat? — Sey nur gutes Muths! Es muß euch auch noch gluͤcklich gehen! Kein Menſch kann auf der Welt ungluͤcklich ſeyn! Gott hat uns all zur Freud erſchaffen! — So ſprach er in lauter Ausrufungen fort, bis es Zeit war, Ma- rianen wieder abzuholen. Er fuͤhrte ſie im Triumph auf den Tanzſaal, und fieng gleich mit ihr zu tanzen an. Sie ſchweb- te, wie eine Goͤttin zwiſchen Himmel und Erde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/273
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 693. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/273>, abgerufen am 22.11.2024.