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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Beyfall. Dieß verdroß den stolzen Knaben sehr, und
machte ihn unserm Siegwart, den er schon vorher
beneidet hatte, noch aufsätziger.

Nach dem Konzert gieng Siegwart nach Haus,
um sich umzukleiden. Anfangs wuste er sich vor
Freuden über Marianens Beyfall kaum zu fassen.
Nach und nach kamen ihm wieder Grillen und
ängstliche Gedanken. Er dachte: Das alles konnte
sie wol sagen, ohne dich zu lieben. Sie sprach
nur mit dir, um sich nach Kronhelm zu erkundi-
gen. Sie kann ihn lieben, wenn ers auch nicht
weis. Er ist unschuldig, aber was hab ich davon?
So lang sie sich nicht deutlicher erklärt, und von
meiner Liebe weis, so lang ists nichts, u. s.w. Un-
ter solchen traurigen Gedanken, die die erste Liebe,
solang sie nicht Gewißheit hat, tausendmal in der
Brust des Liebenden erzeugt, gieng er zu Gut-
fried, um bey ihm die Nacht über zu wachen. --
Er war jetzt etwas muntrer. Diesen Abend,
sagte er, hatt ich einen harten Kampf. Jch be-
kam eine Art von Fieber, und die schrecklichsten
Phantasien ängstigten mich wol eine Stunde lang.
Jetzt ist mirs ganz leicht. Setzen sie sich zu mir
her, ans Bette! Siegwart thats.



Beyfall. Dieß verdroß den ſtolzen Knaben ſehr, und
machte ihn unſerm Siegwart, den er ſchon vorher
beneidet hatte, noch aufſaͤtziger.

Nach dem Konzert gieng Siegwart nach Haus,
um ſich umzukleiden. Anfangs wuſte er ſich vor
Freuden uͤber Marianens Beyfall kaum zu faſſen.
Nach und nach kamen ihm wieder Grillen und
aͤngſtliche Gedanken. Er dachte: Das alles konnte
ſie wol ſagen, ohne dich zu lieben. Sie ſprach
nur mit dir, um ſich nach Kronhelm zu erkundi-
gen. Sie kann ihn lieben, wenn ers auch nicht
weis. Er iſt unſchuldig, aber was hab ich davon?
So lang ſie ſich nicht deutlicher erklaͤrt, und von
meiner Liebe weis, ſo lang iſts nichts, u. ſ.w. Un-
ter ſolchen traurigen Gedanken, die die erſte Liebe,
ſolang ſie nicht Gewißheit hat, tauſendmal in der
Bruſt des Liebenden erzeugt, gieng er zu Gut-
fried, um bey ihm die Nacht uͤber zu wachen. —
Er war jetzt etwas muntrer. Dieſen Abend,
ſagte er, hatt ich einen harten Kampf. Jch be-
kam eine Art von Fieber, und die ſchrecklichſten
Phantaſien aͤngſtigten mich wol eine Stunde lang.
Jetzt iſt mirs ganz leicht. Setzen ſie ſich zu mir
her, ans Bette! Siegwart thats.

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[631/0211] Beyfall. Dieß verdroß den ſtolzen Knaben ſehr, und machte ihn unſerm Siegwart, den er ſchon vorher beneidet hatte, noch aufſaͤtziger. Nach dem Konzert gieng Siegwart nach Haus, um ſich umzukleiden. Anfangs wuſte er ſich vor Freuden uͤber Marianens Beyfall kaum zu faſſen. Nach und nach kamen ihm wieder Grillen und aͤngſtliche Gedanken. Er dachte: Das alles konnte ſie wol ſagen, ohne dich zu lieben. Sie ſprach nur mit dir, um ſich nach Kronhelm zu erkundi- gen. Sie kann ihn lieben, wenn ers auch nicht weis. Er iſt unſchuldig, aber was hab ich davon? So lang ſie ſich nicht deutlicher erklaͤrt, und von meiner Liebe weis, ſo lang iſts nichts, u. ſ.w. Un- ter ſolchen traurigen Gedanken, die die erſte Liebe, ſolang ſie nicht Gewißheit hat, tauſendmal in der Bruſt des Liebenden erzeugt, gieng er zu Gut- fried, um bey ihm die Nacht uͤber zu wachen. — Er war jetzt etwas muntrer. Dieſen Abend, ſagte er, hatt ich einen harten Kampf. Jch be- kam eine Art von Fieber, und die ſchrecklichſten Phantaſien aͤngſtigten mich wol eine Stunde lang. Jetzt iſt mirs ganz leicht. Setzen ſie ſich zu mir her, ans Bette! Siegwart thats.

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/211>, abgerufen am 24.11.2024.