Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



Eifersucht wegen des gestrigen Tages. -- Zu Haus
kam Kronhelm auf sein Zimmer, und that ganz
freundlich. Siegwart konnt' ihn kaum ansehen,
so viel quälende und schmerzende Gedanken bemäch-
tigten sich auf Einmal seiner Seele. O Bruder-
fieng Kronhelm an, gestern waren wir recht frölich!
Seit ich hier bin, war mirs nie so wohl. Du hät-
test auch dabey seyn sollen! Jch dachte hundertmal
an dich. Die Fischerin hat mich zweymal nach dir
gefragt; sie glaubte ganz gewiß, du würdest auch
kommen. Du darfst dir recht was drauf zu gut
thun, Bruder! Sie lobte dein Violinspielen sehr,
und freut sich auf den Mittewoch, wenn du Kon-
zert spielst. -- Jch sagt ihr auch, du singest gut. --
Das hättest du wohl bleiben lassen können, sagte
Siegwart hastig und verwirrt. Es liegt mir viel dran,
was die Mädchen von mir denken! Und nun gieng
er schneller auf und ab. -- Jmmer noch der alte
Weiberfeind? sagte Kronhelm. Und nun muß
ichs gar entgelten, wenn ich Gutes von dir spreche.
Du bist ein wunderlicher Mensch! -- Hier brach
unserm Siegwart das Herz. Verzeih mir, Bru-
der! sagte er, ich bin heut in übler Laune. Es war
nicht so bös gemeynt. Jch weis nicht, das bestän-
dige Stubensitzen macht mich ganz hypochondrisch.



Eiferſucht wegen des geſtrigen Tages. — Zu Haus
kam Kronhelm auf ſein Zimmer, und that ganz
freundlich. Siegwart konnt’ ihn kaum anſehen,
ſo viel quaͤlende und ſchmerzende Gedanken bemaͤch-
tigten ſich auf Einmal ſeiner Seele. O Bruder-
fieng Kronhelm an, geſtern waren wir recht froͤlich!
Seit ich hier bin, war mirs nie ſo wohl. Du haͤt-
teſt auch dabey ſeyn ſollen! Jch dachte hundertmal
an dich. Die Fiſcherin hat mich zweymal nach dir
gefragt; ſie glaubte ganz gewiß, du wuͤrdeſt auch
kommen. Du darfſt dir recht was drauf zu gut
thun, Bruder! Sie lobte dein Violinſpielen ſehr,
und freut ſich auf den Mittewoch, wenn du Kon-
zert ſpielſt. — Jch ſagt ihr auch, du ſingeſt gut. —
Das haͤtteſt du wohl bleiben laſſen koͤnnen, ſagte
Siegwart haſtig und verwirrt. Es liegt mir viel dran,
was die Maͤdchen von mir denken! Und nun gieng
er ſchneller auf und ab. — Jmmer noch der alte
Weiberfeind? ſagte Kronhelm. Und nun muß
ichs gar entgelten, wenn ich Gutes von dir ſpreche.
Du biſt ein wunderlicher Menſch! — Hier brach
unſerm Siegwart das Herz. Verzeih mir, Bru-
der! ſagte er, ich bin heut in uͤbler Laune. Es war
nicht ſo boͤs gemeynt. Jch weis nicht, das beſtaͤn-
dige Stubenſitzen macht mich ganz hypochondriſch.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0200" n="620"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Eifer&#x017F;ucht wegen des ge&#x017F;trigen Tages. &#x2014; Zu Haus<lb/>
kam Kronhelm auf &#x017F;ein Zimmer, und that ganz<lb/>
freundlich. Siegwart konnt&#x2019; ihn kaum an&#x017F;ehen,<lb/>
&#x017F;o viel qua&#x0364;lende und &#x017F;chmerzende Gedanken bema&#x0364;ch-<lb/>
tigten &#x017F;ich auf Einmal &#x017F;einer Seele. O Bruder-<lb/>
fieng Kronhelm an, ge&#x017F;tern waren wir recht fro&#x0364;lich!<lb/>
Seit ich hier bin, war mirs nie &#x017F;o wohl. Du ha&#x0364;t-<lb/>
te&#x017F;t auch dabey &#x017F;eyn &#x017F;ollen! Jch dachte hundertmal<lb/>
an dich. Die Fi&#x017F;cherin hat mich zweymal nach dir<lb/>
gefragt; &#x017F;ie glaubte ganz gewiß, du wu&#x0364;rde&#x017F;t auch<lb/>
kommen. Du darf&#x017F;t dir recht was drauf zu gut<lb/>
thun, Bruder! Sie lobte dein Violin&#x017F;pielen &#x017F;ehr,<lb/>
und freut &#x017F;ich auf den Mittewoch, wenn du Kon-<lb/>
zert &#x017F;piel&#x017F;t. &#x2014; Jch &#x017F;agt ihr auch, du &#x017F;inge&#x017F;t gut. &#x2014;<lb/>
Das ha&#x0364;tte&#x017F;t du wohl bleiben la&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen, &#x017F;agte<lb/>
Siegwart ha&#x017F;tig und verwirrt. Es liegt mir viel dran,<lb/>
was die Ma&#x0364;dchen von mir denken! Und nun gieng<lb/>
er &#x017F;chneller auf und ab. &#x2014; Jmmer noch der alte<lb/>
Weiberfeind? &#x017F;agte Kronhelm. Und nun muß<lb/>
ichs gar entgelten, wenn ich Gutes von dir &#x017F;preche.<lb/>
Du bi&#x017F;t ein wunderlicher Men&#x017F;ch! &#x2014; Hier brach<lb/>
un&#x017F;erm Siegwart das Herz. Verzeih mir, Bru-<lb/>
der! &#x017F;agte er, ich bin heut in u&#x0364;bler Laune. Es war<lb/>
nicht &#x017F;o bo&#x0364;s gemeynt. Jch weis nicht, das be&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dige Stuben&#x017F;itzen macht mich ganz hypochondri&#x017F;ch.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[620/0200] Eiferſucht wegen des geſtrigen Tages. — Zu Haus kam Kronhelm auf ſein Zimmer, und that ganz freundlich. Siegwart konnt’ ihn kaum anſehen, ſo viel quaͤlende und ſchmerzende Gedanken bemaͤch- tigten ſich auf Einmal ſeiner Seele. O Bruder- fieng Kronhelm an, geſtern waren wir recht froͤlich! Seit ich hier bin, war mirs nie ſo wohl. Du haͤt- teſt auch dabey ſeyn ſollen! Jch dachte hundertmal an dich. Die Fiſcherin hat mich zweymal nach dir gefragt; ſie glaubte ganz gewiß, du wuͤrdeſt auch kommen. Du darfſt dir recht was drauf zu gut thun, Bruder! Sie lobte dein Violinſpielen ſehr, und freut ſich auf den Mittewoch, wenn du Kon- zert ſpielſt. — Jch ſagt ihr auch, du ſingeſt gut. — Das haͤtteſt du wohl bleiben laſſen koͤnnen, ſagte Siegwart haſtig und verwirrt. Es liegt mir viel dran, was die Maͤdchen von mir denken! Und nun gieng er ſchneller auf und ab. — Jmmer noch der alte Weiberfeind? ſagte Kronhelm. Und nun muß ichs gar entgelten, wenn ich Gutes von dir ſpreche. Du biſt ein wunderlicher Menſch! — Hier brach unſerm Siegwart das Herz. Verzeih mir, Bru- der! ſagte er, ich bin heut in uͤbler Laune. Es war nicht ſo boͤs gemeynt. Jch weis nicht, das beſtaͤn- dige Stubenſitzen macht mich ganz hypochondriſch.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/200
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/200>, abgerufen am 25.11.2024.