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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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sie auf ihn| richtete; und, als er sein Konzert aus-
gespielt hatte, bemerkte er genau, wie sie ihm Bey-
fall zuklatschte. Er kämpfte zwar lang gegen sich
selbst, ihr und seinem Freunde nicht Unrecht zu
thun, zumal da er von dem letzten so gewiß über-
zeugt war, daß seine Seele nur allein an There-
sen hange. Er machte sich selbst Vorwürfe, daß
er gegen seinen liebsten Freund nur der geringsten
Argwohn hegen, und nur einen Augenblick unzu-
frieden auf ihn seyn konnte; aber seine Empfindung
ließ sich nicht unterdrücken; sie widersetzte sich sei-
ner Vernunft und Ueberzeugung, und beunruhigte
ihn sehr. Wenigstens, dachte er, kann doch Ma-
riane etwas für ihn fühlen, wenn gleich er nichts
für sie fühlt.

Zu Hause sprachen er und Kronhelm noch über
das Konzert. Kronhelm schimpfte sehr auf Ma-
rianens Bruder, und bestätigte alles das, was Gut-
fried schon von ihm unserm Siegwart erzählt hat-
te. Das Mitleiden, das Kronhelm mit Marianens
Schicksal hatte, und das Lob auf sie, in das er
aufs Neue ausbrach, machte unsern Siegwart
noch unruhiger. Er mochte sich selber dagegen sa-
gen, was er wollte, so ließ sich doch sein Herz
nicht überreden, billiger zu denken. Er fühlte an-



ſie auf ihn| richtete; und, als er ſein Konzert aus-
geſpielt hatte, bemerkte er genau, wie ſie ihm Bey-
fall zuklatſchte. Er kaͤmpfte zwar lang gegen ſich
ſelbſt, ihr und ſeinem Freunde nicht Unrecht zu
thun, zumal da er von dem letzten ſo gewiß uͤber-
zeugt war, daß ſeine Seele nur allein an There-
ſen hange. Er machte ſich ſelbſt Vorwuͤrfe, daß
er gegen ſeinen liebſten Freund nur der geringſten
Argwohn hegen, und nur einen Augenblick unzu-
frieden auf ihn ſeyn konnte; aber ſeine Empfindung
ließ ſich nicht unterdruͤcken; ſie widerſetzte ſich ſei-
ner Vernunft und Ueberzeugung, und beunruhigte
ihn ſehr. Wenigſtens, dachte er, kann doch Ma-
riane etwas fuͤr ihn fuͤhlen, wenn gleich er nichts
fuͤr ſie fuͤhlt.

Zu Hauſe ſprachen er und Kronhelm noch uͤber
das Konzert. Kronhelm ſchimpfte ſehr auf Ma-
rianens Bruder, und beſtaͤtigte alles das, was Gut-
fried ſchon von ihm unſerm Siegwart erzaͤhlt hat-
te. Das Mitleiden, das Kronhelm mit Marianens
Schickſal hatte, und das Lob auf ſie, in das er
aufs Neue ausbrach, machte unſern Siegwart
noch unruhiger. Er mochte ſich ſelber dagegen ſa-
gen, was er wollte, ſo ließ ſich doch ſein Herz
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[615/0195] ſie auf ihn| richtete; und, als er ſein Konzert aus- geſpielt hatte, bemerkte er genau, wie ſie ihm Bey- fall zuklatſchte. Er kaͤmpfte zwar lang gegen ſich ſelbſt, ihr und ſeinem Freunde nicht Unrecht zu thun, zumal da er von dem letzten ſo gewiß uͤber- zeugt war, daß ſeine Seele nur allein an There- ſen hange. Er machte ſich ſelbſt Vorwuͤrfe, daß er gegen ſeinen liebſten Freund nur der geringſten Argwohn hegen, und nur einen Augenblick unzu- frieden auf ihn ſeyn konnte; aber ſeine Empfindung ließ ſich nicht unterdruͤcken; ſie widerſetzte ſich ſei- ner Vernunft und Ueberzeugung, und beunruhigte ihn ſehr. Wenigſtens, dachte er, kann doch Ma- riane etwas fuͤr ihn fuͤhlen, wenn gleich er nichts fuͤr ſie fuͤhlt. Zu Hauſe ſprachen er und Kronhelm noch uͤber das Konzert. Kronhelm ſchimpfte ſehr auf Ma- rianens Bruder, und beſtaͤtigte alles das, was Gut- fried ſchon von ihm unſerm Siegwart erzaͤhlt hat- te. Das Mitleiden, das Kronhelm mit Marianens Schickſal hatte, und das Lob auf ſie, in das er aufs Neue ausbrach, machte unſern Siegwart noch unruhiger. Er mochte ſich ſelber dagegen ſa- gen, was er wollte, ſo ließ ſich doch ſein Herz nicht uͤberreden, billiger zu denken. Er fuͤhlte an-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 615. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/195>, abgerufen am 24.11.2024.